Liebes Tagebuch,
was habe ich mich gestern gefreut! Ich bin immer noch ganz hibbelig. Landesrat Thommy, ja, genau der, der sonst immer schimpft, hat nämlich versprochen, dass wir „in zwei, drei Wochen zum normalen Leben zurückkehren“, wenn wir jetzt alle brav sind. Das ist supinett von Thommy, weil ich nämlich in drei Wochen Geburtstag habe und mich noch bis vor kurzem allein und trübselig vor der Torte hab sitzen sehen. Wenn wir aber in spätestens drei Wochen wieder ins „normale Leben“ zurückkehren, dann gibt es natürlich eine Megafete mit mindestens fünfzig Geladenen, lautem Gesinge und Geburtstagsküsschen en masse, im geschlossenen Raum ohne blödem Lüften. Danke, Thommy, dass ihr an mich gedacht habt! Ich habe mir dann gleich eine Liste gemacht, was ich sonst noch alles tun werde, wenn in drei Wochen wieder alles „normal“ ist: Meine Eltern ganz fest umarmen, zum Beispiel, meine Freunde drücken und mit Zwangsbussis beglücken, auch gegen ihren Willen, jeden Abend ins Kino oder Theater gehen und danach noch in die Bar, und das alles ohne Maske selbstredend, denn die braucht es im „normalen Leben“ ja nicht. Die Masken werde ich rituell auf einem eigens dafür errichteten Scheiterhaufen im Hof verbrennen. Vielleicht machen ja die Nachbarn mit, und das wird dann ein kathartisches Moment, back to normal! Wir werden ekstatisch ums Feuer tanzen und dazu spuckeintensive Lieder mit besonders vielen Plosiven und Zischlauten singen: „I shot the Sheriff“ zum Beispiel, oder den Scatman Song. Je mehr ich jetzt aber drüber nachdenke, desto mehr Zweifel kommen mir. Habe ich da vielleicht etwas falsch verstanden? Oder, schlimmer, hat Landesrat Thommy da etwas falsch verstanden? Denn das Virus wird auch in drei Wochen noch da sein, und solange es da ist, ist Normalität keine Option. Außer, die Devise lautet plötzlich: Loss giahn die Goas. Außer, der nächste Lockdown ist schon eingeplant. Außer, man hat keinen wirklichen Plan. Alles wird hoffentlich gut.