Kultur | Salto Afternoon

Analoges Filmtreffen

Das Filmfestival Analogica erkundet auf vielschichtige Weise die alte Materie Film. Gestern wurde (mit der 3D-Brille) eröffnet. Ein Festivalblick zurück und ins Programm.
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Foto: Salto.bz

„Die Filme sollen an Orte gebracht werden, wo das Kino sonst nicht hinkommt“, ist Analogica-Ideator und Kurator Vincenzo Mancuso überzeugt, wenn er im Gespräch mit salto.bz im Keller des Waaghauses in Bozen über die 12. Ausgabe dieses besonderen Filmfestivals spricht – bei welchem alle ausgewählten Filme, auch gleichzeitig Sieger sind. Denn sie stehen nicht(!) im Wettbewerb. 
Im Rahmen von Analogica werden auch in diesem Jahr – im Waaghaus in Bozen und im Foto Forum – wieder jede Menge Screenings, Workshops, Gesprächsrunden und Performances (an)geboten. Die auf sieben Programme aufgeteilte Auswahl zeigt neueste Produktionen experimenteller Analogfilme, die ein oder andere Kostprobe, sowie technisch raffinierte Kostbarkeiten.
 

Zum 10. Mal in Bozen: ​​Der Trailer von Analogica 12. 


„Die ersten beiden Ausgaben von Analogica fanden noch in Rom statt, im Stadtteil Pigneto im Cinema Aquila“, erinnert sich Mancuso an die Anfänge dieses speziellen Filmfestivals. Dann zog er von Rom nach Bozen – er besuchte hier bereits vorher die Filmschule ZeLIG  – und nahm das Festival gleich mit, welches nunmehr seit zehn Ausgaben in Südtirol ausgetragen wird. Geboren ist Analogica (noch vor den beiden Römer Premiere-Jahren) in einer Bozner Wohngemeinschaft. Es war nämlich angeblich im Jahr 2008, als einige Studentinnen und Studenten der Filmschule ZeLIG in ihrer Wohnung in der Brenner-Straße beisammen saßen und den Entschluss für ihr analoges Vorhaben fassten: sie gründeten zunächst eine Gruppe mit dem Namen Resistenza Analogica, daraus entstand aber schon bald eines der experimentierfreudigsten Festivals des Landes.
 


Von der Großstadt machte sich Analogica mit der dritten Ausgabe auf in die Peripherie, in jene Gegend, in der das Festival einst erdacht wurde. „Ich dachte mir damals, warum ein derartiges Festival in einer großen Stadt anbieten und nicht an einem dezentralen und intimeren Ort?“, erzählt Mancuso. Ihm gefiel „die Idee von Analogica in Südtirol, für diese doch sehr außergewöhnlichen Filme, bei denen sich die Leute Zeit nehmen müssen.“ 
 

Wurden bei der ersten Ausgabe von Analogica rund 30 Filme eingereicht, so sind es mittlerweile an die 370 Filme. 
(Vincenzo Mancuso)


„Analogica ist vor allem aus vielen Gesprächen mit Daniel Mahlknecht entstanden“, gesteht Mancuso, „diese drehten sich vor allem darüber, wie schnell eigentlich Filme und die dazugehörige Technik verschwinden, sobald der Markt eine neue Technik anbietet.“ Analogica ist nun seit Jahren Beleg dafür, dass die altehrwürdige Filmkunst im Bewusstsein der Menschheit – "wie ein Film" – weiterläuft, und läuft, und läuft. Auf kunstvolle Weise und mit leichter Zurückhaltung rebellieren die Macherinnen und Macher aktiv gegen die digitale Bilderflut und bieten außerdem eine Handreiche für die nächste Generation an Filmstreifen-Enthusiasten. Ein Treffpunkt für neue (und alte) Formen des Experimentierens ist das Festival ebenfalls geblieben. „Es gibt mittlerweile einen kleinen Markt, aber in erster Linie für den experimentellen Bereich“, bestätigt Mancuso. Das Festival ist zudem Plattform für sogenannte Footage-Arbeiten, bei denen collagierte Filmschnipsel aus dem Archiv neu arrangiert und auf der Leinwand in verschiedensten Variationen serviert werden. 
 


Eröffnet wurde Analogica 12 am gestrigen Donnerstag, mit einem Film der Multimedia-Künstler Nicky Tavares. Durch die 3D-Brille ging es geradewegs in ihre analogen Welten, in die vielen verschieden, von ihr bedruckten Filmrollen, die eine bewegte und rasche dahinziehende dreidimensionale Ornamentik entstehen lassen. Dem Werk des ungarischen Experimentalfilmers und Autors Péter Lichter widmet sich hingegen eine Mini-Retrospektive. Zudem wird ein Workshop zum Thema Kino ohne Kamera angeboten, sowie eine zum Projekt Archeoscop entwickelte Performance mit analogen Projektionsmaschinen von Jan Kulka
 

Die Leute, die sich diesen Filmen widmen, suchen das Experimentelle, nach Möglichkeiten, die sie im Digitalen nicht haben.
(Vincenzo Mancuso)


Am heutigen Freitag (11. November) gibt es die Vorführung (20.30 Uhr Waaghaus, Bozen) des außergewöhnlichen Films Three Minutes - A Lengthening von Bianca Stigter. Er bezieht sich auf Bilder aus einem Amateurfilm, den David Kurtz 1938 in der polnisch-jüdischen Stadt Nasielsk drehte. Die drei Minuten, des meist in Farbe gehaltenen Films, sind die einzigen bewegten Bilder der jüdischen Bewohner vor dem Holocaust. Die Filmemacherin enthüllt aus dem vorhandenen Filmmaterial verborgene Geschichten und begibt sich anhand einzelner Sequenzen und Filmframes auf Spurensuche.
Auch das ist Analogica.
 

Three Minutes - A Lengthening: Erinnerungen an Nasielsk​​​​​​, 1938, Trailer.