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Harmlos, mutlos, ideenlos

Der FC Südtirol verliert auch gegen Pisa. Dabei wäre gegen die Mannschaft von Alberto Aquilani so viel mehr drin gewesen. Die Analyse zum Spiel.
Odogwu nach dem 0:2 von Pisa gegen den FC Südtirol
Foto: Ufficio Stampa FCS - Foto Bordoni
  • "Gehts raus und spielt Fußball!", soll einst Franz Beckenbauer seiner Mannschaft mit auf dem Weg gegeben haben. Fußball ist ein einfaches Spiel. Ja. Wirklich! 1-2 Grundprinzipien gibt es. Die sind allgemeingültig. "Immer 100 % geben"  ist so  ein Grundpfeiler, ohne den es nicht geht. Überzahl in Ballnähe ist ein weiteres Grundprinzip, das immer gilt. Offensiv wie defensiv. Mentalität - ja. Wichtig. Körperliche Fitness - das ist die Basis, die gegeben sein muss, um überhaupt darüber nachdenken zu können, wie man in der Serie B bestehen kann. In der Serie B reicht es (zumindest seit diesem Jahr) nicht mehr aus, nur rauszugehen, zu laufen und zu kämpfen und auf die Fehler des Gegners zu warten. Na ja...doch. Es könnte doch manchmal reichen, aber nicht oft. 

  • Grundprinzipien im Fußball

    Die Serie B ist anspruchsvoller geworden. Waren es in der letzten Saison noch sehr Wenige, die in ihrem Spiel gewisse Grundprinzipien befolgt haben, mehren sich dieses Jahr die Trainer und Mannschaften, die - immer auf Basis der genannten Prinzipien - sich etwas ausdenken, sich von anderen etwas abschauen und dazulernen...sich weiterentwickeln. Alberto Aquilani ist so Einer. Er war früher selbst Profifußballer, spielte u. a. für Fiorentina und Liverpool. Jetzt ist er Trainer bei Pisa. Und er hat sich was abgeschaut von den Großen der Trainerzunft. Von Pep Guardiola und Jürgen Klopp zum Beispiel. Aquilani kopierte gegen FC Südtirol nämlich einen Mechanismus, den Guaridola vor einigen Jahren (wieder) populär machte und den momentan auch Jürgen Klopp beim FC Liverpool oft anwendet: Im Spielaufbau schiebt einer der nominellen Außenverteidiger nämlich sofort in die Spiefeldmitte und gibt dort den zweiten Mittelfeldspieler. Die verbleibenden Verteidiger bilden dann eine 3er-Reihe. Warum das Ganze? Grundprinzip 1: Überzahl in Ballnähe schaffen

  • Spielaufbau Pisa (dunkle Trikots): Der rechte Außenverteidiger schiebt sofort ins Mittelfeldzentrum und gibt dort den zweiten Sechser. Foto: SALTO
  • Überzahl im Spielaufbau. Und dann?

    Das war sehr nett einstudiert von Aquilani, Esteves rückte brav ins Mittelfeldzentrum ein, die verbleibenden Verteidiger passten sich den Ball zu und fanden manchmal ja auch Esteves. Der konnte aber meistens nur direkt wieder klatschen lassen. Mit dem Ball nach vorne kamen die Gäste aus Pisa aber nur selten. Pisa spielte nämlich zu langsam, verzögerte, wenn das Spiel Beschleunigung gebraucht hätte, drehte ab, wenn der vertikale Pass nach vorne möglich gewesen wäre und ging auf Nummer Sicher, wenn man hätte mehr riskieren  sollen.

  • Offene Räume für Pisa: Die Gäste konnten die Überzahl im Mittelfeld (hier neben Kofler) nicht nutzen. Sie spielten zu langsam und ließen dem FCS Zeit, zu verschieben. Foto: SALTO
  • FC Südtirol: Wieder keine Idee gegen 3er-Kette.

    Da die Gäste die offenen Räume hinter Südtirols erster Pressinglinie nicht nutzen konnten, hätte der Anschein entstehen können, das sei auf den gut eingestellten FCS zurückzuführen. Aber dem war nicht so - darüber dürfen wir uns nicht hinwegtäuschen lassen. Trainer Pierpaolo Bisoli stellte wieder gleich auf (personell gab es einige Wechsel - zugegeben). Mittelfeldpressing. 4-4-1-1. Zu Hause traditionell etwas früheres Pressing. Aber auf den Gegner abgestimmt war das nicht. Der 3er-Spielaufbau wurde auch dieses Mal nicht adressiert, keine Gegenmaßnahmen entwickelt. Keine Anpassungen gemacht. "Geht raus und spielt Fußball" - jaja.

  • Zweite Halbzeit: Pisa kam in Schwierigkeiten und leistete sich in der zweiten Halbzeit gleich mehrere schwere Fehler. Foto: SALTO
  • Grundprinzip im Fußball: Fehler des Gegners erzwingen

    Dabei wäre doch so viel mehr drin gewesen für den FCS. Pisa - mit der 1:0-Führung im Rücken - versuchte in der zweiten Halbzeit, das Spiel zu verwalten. Die Mannschaft von Aquilani konnte schnell nach Beginn der zweiten Halbzeit auf 2:0 erhöhen. Das Spiel schien durch. Aber siehe da: Durch die Dynamik des Spielverlaufs riskierte Südtirol mehr und zwang Pisa zu Fehlern. Just nach einem schweren individuellen Fehler der Abwehr von Pisa erzielte der eingewechselte Pecorino den Anschlusstreffer. Pisa wurde nervös, Pisa machte noch mehr Fehler, Pisa war schlagbar. 

  • Simone Davi (rot hervorgehoben) rückte in der ersten Halbzeit nie mit nach vorne auf. In der zweiten Halbzeit dann öfter und mit Erfolg: Die Vorlage zum Anschlusstreffer kam von ihm. Foto: SALTO
  • Offensivspiel neu erfinden?

    Kurz vor dem Anschlusstreffer hatte BIsoli kurz auf 3er-Kette umgestellt. Simone Davi hatte so alle Freiheiten: Aufrücken und mit Casiraghi den linken Flügel beackern, ins Mittelfeldzentrum einrücken und die Bewegungen seiner Mitspieler auf rechts ausbalancieren. Er konnte machen, was er wollte. Und Davi machte das gut. Nach dem 1:2 dann wurde Südtirol wieder zurückhaltender. Jetzt wieder im klaren 4-4-2 wurde Davi wieder etwas gezähmt, Fabian Tait wechselte auf die rechte Abwehrseite, das Spiel sollte wohl über die rechte Außenbahn noch gedreht werden. Aber warum eigentlich nicht beides? Bisolis Anpassungen kommen immer so spät und wirken so gehemmt. So halbherzig. So inkonsequent. Dabei braucht die Offensive des FC Südtirol momentan das komplette Gegenteil: Gute Ideen, durchdachte Mechanismen, einfache Abläufe. Nur rausgehen und Fußball spielen und dabei 100 % Einsatz zeigen⁄ - das alleine reicht  seit der Saison 2023/24 nicht mehr aus.