Gesellschaft | Entlassung Suikkanen

Eine legitime Entscheidung

Meistertrainer Kai Suikkanen wurde beim HCB Südtirol entlassen. Was im ersten Moment als Aktionismus erscheinen mag, war letztendlich eine unumgängliche Entscheidung.
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Foto: APA / EXPA/JFK

Gestern Früh sorgte ein Paukenschlag für ein kleines Erdbeben in der Südtiroler Eishockey-Welt: Kai Suikkanen wurde seines Amtes enthoben und ist kurz vor dem Start der Play-offs nicht mehr Trainer des HCB Südtirol. Der Finne, der letztes Jahr sensationell den EBEL-Titel in die Talferstadt geholt hatte, muss sich nach den jüngsten negativen Ergebnissen verabschieden. Auf den ersten Blick wirft diese Entscheidung der Obrigkeiten der Foxes ob des Zeitpunktes und der Kurzfristigkeit einige Fragen auf.

Besonders in den sozialen Netzwerken kam es zu massenhaft Unmutsbekundungen gegen diese Entscheidung. Die Fans, bei denen Suikkanen nach den Ergebnissen der letzten Saison natürlich einen guten Stand hat, reagierten mehrheitlich mit Unverständnis auf die Entscheidung. Liest man sich mehrere Kommentare durch, sticht vor allem die Emotionalität hervor, die dieser Sache anhaftet: Rücktrittsforderungen gegen Sportdirektor Dieter Knoll, dem man zwischen den Zeilen Aktionismus vorwirft; Vorwürfe gegen die Spieler, die ihrer Rolle als Profis in den Augen der Allgemeinheit nicht gerecht werden; Solidaritätsbekundungen für den Mann, der letztes Jahr Bozen die Geschichte des Jahres beschert hatte. Aber Emotionen spielen in der Entscheidungsfindung im Business Sport nur eine untergeordnete Rolle.

Natürlich lässt sich darüber streiten, ob der Zeitpunkt gut gewählt ist. Immerhin stehen ab morgen die ersten Play-off-Spiele gegen den Klagenfurter AC an. Ein Team, der man dieses Jahr bis auf einem Spiel nicht das Wasser reichen konnte. Die Mannschaft ist auf ein System eingestellt; die Spieler kennen die Erwartungen des Trainers, der sie die ganze Saison durch die Meisterschaft geführt hatte; und großartige Systemumstellungen sind nun auch von Neutrainer Clayton Beddoes nicht zu erwarten. Aber genau an diesem Punkt wird nach längerem Nachdenken die Entscheidung von Knoll und Konsorten klarer und insbesondere nachvollziehbarer.

 

Knoll mit klarer Einschätzung

"Wir haben aber eine ganz schlechte Pick-Round gespielt, haben die letzten zwei Spiele schlecht gespielt, von den letzten zwölf Spielen zehn verloren." - mit diesen Worten äußerte sich Sportdirektor Knoll bei der Südtiroler Tageszeitung und versuchte somit die plötzliche Entlassung zu rechtfertigen. Gerade bei diesen Worten wird ersichtlich, dass es sich gar nicht um eine aus einer Laune heraus getroffene Entscheidung geht. Der letzte Sieg der Foxes geht auf den 24. Februar zurück, als man bei gerade eben die Klagenfurter im eigenen Stadion mit 2:1 bezwingen konnten. In den restlichen zehn Spielen konnte nur noch einmal ein positives Ergebnis eingefahren werden (5:2 in der Eiswelle gegen Fehervar). Ansonsten hagelte es Niederlagen. Es ist schwer vorstellbar, dass nicht schon erste Zweifel an Suikkanen aufgekommen waren. Nach Informationen von salto.bz hatte man ohnehin die nächste Saison ohne Suikkanen geplant.

Und in diesem Fall gehört besonders der Wortwahl Knolls einige Beachtung zu schenken.Denn im Zusammenhang mit seiner eigenen Mannschaft von „schlechten“ Ergebnissen zu sprechen, zeugt davon, dass man alles andere als zufrieden mit der Einstellung und Herangehensweise der Mannschaft war. Somit darf man "schlecht" nicht als Attribut für die Ergebnisse an sich werten, sondern für die Art und Weise, wie es zu diesen Niederlagen gekommen ist. Anton Bernard und seine Mannen zeigten sich in den Spielen teilweise blutleer, ausgelaugt und unmotiviert. Als Außenstehender möchte man in diesem Fall tatsächlich die Spieler zur Rechenschaft ziehen. Immerhin werden sie dafür bezahlt, immer mit 100 Prozent aufs Eis zu gehen. Und man kann durchaus davon ausgehen, dass das Team nicht ganz ohne interne Schelte davongekommen ist. Aber – um nochmals Dieter Knoll zu zitieren - "man kann ja nicht die Spieler austauschen".

Die Frage, wie es sein kann, dass ein Trainer seine Spieler nicht mehr erreicht, der noch vor einem Jahr eine Mannschaft am Boden wieder aufgerafft und auf einer Welle der Euphorie zu einem Titel für die Geschichtsbücher geführt hat, ist dabei mehr als angebracht. Die Antwort ist aber sehr naheliegend.

Suikkanen erreichte die Spieler nicht mehr

Man darf nicht außer Acht lassen, dass auch vor dieser Saison wieder ein großer Umbruch im Kader der Foxes stattgefunden hat. Viele Leistungsträger haben den Club verlassen, viele neue Spieler sind dazu gekommen; zu einer Mannschaft, die mit dem Selbstverständnis eines Meistertitels in die neue Saison gestartet ist und Spieler mit entsprechenden Ambitionen in die Eiswelle gelockt hat. Da kommt die berechtigte Kritik ins Spiel, dass bei den Boznern während der ganzen Saison kein klares System erkennbar war. Während in der Titel-Saison die Handschrift Suikkanens mit seiner auf Defensive und bedingungsloser Aufopferungsbereitschaft aufgebauten Spielweise den Gegnern schlaflose Nächte bereitet hatte, konnte der Finne der neu zusammengestellten Mannschaft keine Ideen und Impulse mit aufs Eis geben. Daraus können bei den Spielern, in erster Linie bei den Neuankömmlingen, erste Zweifel entstehen. Man gelangt schließlich an den Punkt, den man am besten mit dieser altbekannten Sport-Phrase beschreiben kann: Die Spieler folgen dem Trainer nicht mehr beziehungsweise der Trainer erreicht seiner Spieler nicht mehr.

Somit wäre man risikobehaftete Wette eingegangen, hätte man mit Suikkanen auch in den Play-offs weitergemacht. Die Erwartungshaltung wäre nach wie vor groß; diese Erwartungen zu erfüllen jedoch relativ unwahrscheinlich. So hat man sich nun in eine neue Ausgangslage gebracht: Ein neuer Trainer vor den Play-offs impliziert den Versuch, sich sehr wohl zu verbessern und suggeriert den Willen, gut abzuschneiden. Jedoch hält man sich dadurch auch ein wenig den Rücken frei, sollte man in der K.o.-Runde nichtsdestotrotz sang- und klanglos ausscheiden, da nun einmal auch ein neuer Trainer keine Wunder bewirken muss, schon gar nicht in so kurzer Zeit. Insgeheim wird man sicherlich auf den berühmten "Trainer-Effekt" hoffen, umschrieben mit "der Mannschaft neue Impulse und neue Motivation geben", wie es Knoll im TAZ-Interview und Vorstandsmitglied Walter Seebacher gegenüber salto.bz unisono hervorhoben. Aber auch darauf hat man in der Galvanistraße natürlich keine Garantie.

Außerdem gibt es einen Aspekt, der sehr oft den Trainer von seiner Schuld lossprechen will, aber nicht selten gerade einen Schwachpunkt in der Führung eines Teams darstellt: die Verletztenliste. Suikkanen konnte schon seit längerer Zeit nicht mehr aus dem Vollen schöpfen. Paul Geiger, Matt MacKenzie, Brett Findlay und Andrew Crescenzi sind allesamt verletzt. Somit wird es schwierig, Konstanz in die Leistungen zu bringen. Während man dem Finnen zuliebe das als den wundsten Punkt seiner Situation hervorheben will, ist gerade dies Anlass zur Kritik und eine seiner größten Schwächen. Denn auch eine Mannschaft verletzungsfrei in die wichtigste Phase der Saison zu führen, gehört in den Aufgabenbereiche des Trainers und seiner Entourage. Besonders wenn es sich um Leistungsträger wie die genannten Spieler handelt. Darüber hinaus liegen salto.bz auch diesbezüglich aus dem Umfeld des HCB Informationen vor, nachdem man insgesamt mit dem Fitnesszustand der Mannschaft nicht zufrieden ist.

Somit kommt man zum Schluss, dass unabhängig davon, ob man Suikkanen weiterhin das Vertrauen ausgesprochen hätte oder nicht, er wohl nächste Saison nicht mehr die Geschicke der Foxes geleitet hätte. Aus diesem Dilemma heraus hat man in der Zentrale des HCB die Entscheidung getroffen, die Reißleine schon jetzt zu ziehen. Ob nun leistungstechnisch richtig oder nicht kann auch bei einem schlechten Abschneiden in den Play-offs nicht geklärt werden. Man hat mit Beddoes keineswegs einen Scharlatan die Zügel in die Hand gegeben, sondern einem Mann vom Fach mit Coaching-Erfahrung in der DEL und als Trainer der italienischen Nationalmannschaft. Man versucht vor dem großen Saison-Abschnitt Play-offs noch einmal die Karte "Hoffnung" auszuspielen. Mit allem Respekt und aller Hochachtung für die Errungenschaften von Suikkanen: In dieser Situation handelt es sich nicht um Aktionismus und Undankbarkeit, sondern um ein angebrachtes und legitimes Mittel.