Gesellschaft | Bozen

Wer kümmert sich 2021?

Obdachlosigkeit bedarf “menschenwürdiger und nachhaltiger Antworten” und nicht politischer Spiele, kritisieren Freiwillige. Die Schließung mehrerer Strukturen steht an.
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Foto: Ludwig Thalheimer

Für die sechs Freiwilligen steht fest: Wie mit obdachlosen Menschen in der Landeshauptstadt umgegangen wird, grenzt an Willkür. “Es darf nicht sein, dass eine Stadt wie Bozen so viele Menschen einfach auf die Straße stellt, ohne ihnen eine alternative Einrichtung zu bieten, in der sie eine Toilette benutzen, etwas essen und sich aufhalten können, ohne verschickt zu werden”, schreiben Paul Tschigg, Caroline von Hohenbühel, Ludwig Thalheimer, Marion Maier, Rudi Nocker und Maria Lobis in einer Stellungnahme. Sie haben im Winter 2019/2020 das Winterhaus in der Carduccistraße und heuer, von Mitte Jänner bis Mitte März, auf eigene Faust eine Tagesstätte für Obdachlose im Bozner Pfarrheim betrieben. 180 Menschen aus 26 Ländern haben das Angebot genutzt, sich in einem warmen Raum aufzuhalten, Sprachen zu lernen, WLAN zu benutzen. Darum aber müssten sich Politik und Institutionen kümmern, prangern Freiwillige seit Langem und nun erneut an. Der Anlass: Ab dem heutigen Montag (12. April) ist die Obdachlosen-Einrichtung in der Bozner Coministraße keine Ganztagesstätte mehr, sondern nur mehr eine Nachtschlafstätte. Eine Entscheidung der Gemeinde, haben die Freiwilligen in Erfahrung gebracht: “Die 90 dort untergebrachten Menschen dürfen sich nur mehr von 20.30 bis bis 8 Uhr dort aufhalten, Mittag- und Abendessen wurden gestrichen.” Zwar hat die Stadtregierung Ende März beschlossen, das Kältenotfallzentrum in der Messe mit 95 Plätzen bis Ende April und damit ein weiteres Monat länger geöffnet zu halten. Doch wie es danach weitergehen soll, ist ungewiss – “zumal auch das ursprünglich als Tagesstätte in Bozen Süd geplante Ex-Alimarket-Gebäude geschlossen ist”, zeigen die Freiwilligen auf.

Ein jahrelanges Trauerspiel, in dem sich weder Land noch Gemeinde wahrhaftig um obdachlose Menschen zu kümmern scheinen, geht für Tschigg, von Hohenbühel, Thalheimer, Maier, Nocker und Lobs in die nächste Runde: “Die Verantwortungsträger von Gemeinde Bozen und Land Südtirol dürfen wohnungs- und obdachlose Menschen nicht noch weiter an den gesellschaftlichen Rand drängen und sie weiter zum politischen Spielball machen. Dass Gemeinde und Land sich gegenseitig die Schuld zuschieben und ihre Verantwortung nicht übernehmen, hat letztendlich auch Konsequenzen für die gesamte Gesellschaft: Wenn so viele Menschen ohne eine Alternative auf die Straße und in den öffentlichen Raum gedrängt werden, wird es unweigerlich zu Problemen kommen. Es braucht endlich das längst angekündigte Gesamtkonzept, das menschenwürdige und nachhaltige Antworten und Angebote für obdachlose Menschen in der Landeshauptstadt und darüber hinaus enthält. Ein ‘Weiter wie bisher’ darf es nicht mehr geben. Es kann nicht sein, dass man im Winter auf den Frühling und auf wärmere Temperaturen hofft und sich im Dezember dann wieder überrascht zeigt, dass die Temperaturen unter Null gehen und es für obdachlose Menschen erneut keine Unterbringungs- und Aufenthaltsorte gibt.”