Exporthandel in Gefahr?

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SALTO: Frau Degasperi, die Banca d’Italia präsentiert heute ihren Bericht über die Wirtschaft der autonomen Provinzen Südtirol und Trentino 2024. Welche Überraschungen kamen im Rahmen der Analyse zum Vorschein?
Petra Degasperi: 2024 blieben die Rahmenbedingungen insgesamt eher verhalten. Das bedeutet, dass sich die Konjunktur in Südtirol leicht abgeschwächt hat. Diese Entwicklung ist auf verschiedene Faktoren zurückzuführen, wie zum Beispiel die schwachen Konsumausgaben, aber vor allem die schwache Auslandsnachfrage, die vor allem durch den Rückgang sowohl der deutschen als auch der österreichischen Wirtschaft gebremst wurde. Aber auch die stagnierenden Investitionen spielten eine Rolle. In einem Umfeld hoher und anhaltender Unsicherheit wurden die Investitionen nach wie vor von den restriktiven, wenn auch etwas gelockerten Finanzierungsbedingungen beeinflusst. Wir befinden uns aktuell in einer Zeit, die von hoher Unsicherheit geprägt ist. Die Exporteure beispielsweise sind derzeit mit neuen Handelsbarrieren konfrontiert, deren Ausmaß noch unklar bleibt. Insgesamt herrschen zunehmende Störungen im Welthandel, Spannungen an den Finanzmärkten und geopolitische Unsicherheiten. Das sind allesamt Faktoren, die die Unternehmensinvestitionen belasten. Die Konjunkturaussichten werden durch diese Faktoren getrübt, zudem haben sich die Abwärtsrisiken für das Wirtschaftswachstum deutlich erhöht.
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Analyse der Banca d’Italia
Einmal im Jahr veröffentlicht die Banca d’Italia einen Bericht zur Wirtschaftslage der beiden autonomen Provinzen Südtirol und Trentino für das vorangegangene Jahr. Im Herbst folgt anschließend eine Analyse der ersten Hälfte des laufenden Jahres. Als Teil der Abteilung für Wirtschaftsforschung der Bank ist Petra Degasperi an der Ausarbeitung der Analysen beteiligt.
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Wie steht es also allgemein um die Wirtschaft in Südtirol?
Der Wirtschaft in Südtirol geht es noch gut, das BIP ist um 0,7 Prozent gewachsen. Der Arbeitsmarkt zum Beispiel ist robust. Die Beschäftigung ist zwar leicht zurückgegangen, bleibt aber immer noch auf einem hohen Niveau. Die Beschäftigungsquote ist mit 74,2 Prozent 12 Prozentpunkte höher als der nationale Durchschnitt. Und auch die Arbeitslosenquote hat ihren niedrigen Stand behalten: zwei Prozent gegenüber den 6,5 Prozent auf nationaler Ebene. Unsere Unternehmen sind stark und gut aufgestellt. Die Rentabilität ist zwar ein wenig gesunken, die Unternehmen sind dafür aber weniger verschuldet als in den vergangenen zwei Jahren. Die Investitionstätigkeit ist schwach geblieben, weshalb die Unternehmen viel Liquidität aufweisen. Die niedrige Investitionstätigkeit hängt dabei mit den vorhin angesprochenen Unsicherheiten zusammen. In diesem Sinne haben die Bankkredite an Unternehmen einen leichten Rückgang erlebt, der allerdings weniger stark ausgeprägt war als noch im Vorjahr. Die gehemmte Investitionstätigkeit der Unternehmen ist mit dem Finanzierungsbedarf der Wirtschaft verbunden – die schwache Kreditnachfrage wirkte sich auf die Kreditvergabe aus.
„Diese Entwicklungen sind für Südtirol besonders relevant.“
Donald Trumps Zollpolitik ist maßgeblich an den weltwirtschaftlichen Unsicherheiten beteiligt. Sie haben aber auch die Schwierigkeiten der beiden größten Importeure von Südtiroler Waren – Deutschland und Österreich – angesprochen. Machen wir uns um den falschen Handelspartner Sorgen?
Im vergangenen Jahr ist das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland um 0,2 Prozent gesunken, das Jahr zuvor um 0,3 Prozent. Auch in Österreich hat die Wirtschaft, die Konjunktur, einen Rückgang verzeichnet – 1,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Diese Entwicklungen sind für Südtirol besonders relevant angesichts der hohen Exportanteile in beide Länder. Mit über 30 Prozent der Exporte ist Deutschland unser wichtigster Handelspartner. Österreich ist der zweitwichtigste mit rund 10 Prozent. Die USA belegen mit 6 Prozent den dritten Platz.
Trotzdem hatte Südtirol 2024 ein Exportwachstum?
Real sind die Exporte um 2,5 Prozent gestiegen, das ist weniger als noch im Jahr zuvor. Damals betrug das Wachstum real 3,9 Prozent. Die Exporte sind schneller beziehungsweise mehr gewachsen als die sogenannte domanda potenziale. Dabei handelt es sich um die Nachfrage der wichtigsten Handelspartner – diese ist gesunken. Das heißt, dass die Unternehmen in Südtirol Exportquoten gewonnen haben. Wenn man die Daten aber nominal anschaut, sieht man, dass die Exporte sich abgeschwächt haben. Das Nominalwachstum beträgt nämlich 3,2 Prozent, letztes Jahr waren es 7,5 Prozent. Wie auch schon im Jahr zuvor wurden die Exportzahlen von der Branche der Elektrogeräte getragen. Wenn man diese herausnimmt, kommt man nur auf einen leicht positiven Zuwachs.
„Wahrscheinlich stehen wir vor Umbruchszeiten.“
Aus dem Bericht geht hervor, dass unsere Nachbarprovinz, das Trentino, eine höhere Innovationsbereitschaft aufwies. Woran liegt das?
In den letzten Jahren ist die Wertschöpfung in Südtirol viel stärker gewachsen als in Italien und lag sogar über dem europäischen Durchschnitt. Bis heute hatte Südtirol eine sehr positive Entwicklung der Wirtschaft, aber wahrscheinlich stehen wir vor Umbruchszeiten. Die Frage ist also, wie nachhaltig die aktuelle Entwicklung ist. Können wir so weitermachen? Die Antwort ist höchstwahrscheinlich nein. Vielleicht ist dieses Entwicklungsmodell erschöpft, vielleicht brauchen wir etwas Neues, das beispielsweise auf Innovation basiert. Wir haben dieses Thema untersucht und haben versucht, Südtirol zu positionieren und mit dem Trentino und Italien zu vergleichen. Dabei entsteht ein Bild, das nicht ganz so günstig ist. Zum Beispiel liegt unsere Provinz im sogenannten Regional Innovation Scoreboard der Europäischen Kommission nur im Mittelfeld, unter dem nationalen Durchschnitt und auch hinter dem Trentino. Südtirol hat außerdem geringere Ausgaben für Forschung und Entwicklung als das Trentino und Italien, sowohl bei den privaten als auch bei den öffentlichen Ausgaben. Zudem weist die Bevölkerung in Südtirol im Durchschnitt eine niedrigere Bildungsrate auf. Unser Arbeitsmarkt ist von Vollbeschäftigung geprägt, bedeutet, die Menschen finden leichter eine Beschäftigung, auch wenn sie geringer qualifiziert sind. Wir haben weniger junge Menschen, die sich zum Beispiel für wissenschaftliche und technische Studien entscheiden. Und viele junge Menschen, die studieren, tun das im Ausland und kehren nicht mehr zurück. Das sind alles Faktoren, die die lokale Innovationskraft beeinflussen. Das Trentino hat zudem eine stärkere Forschungs- und Entwicklungsförderung sowie eine bessere Vernetzung zwischen den Unternehmen und der Universität. Die Innovationsdynamik wird dadurch erhöht.
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Hat die Banca d’Italia untersucht, wie zukunftsfähig Südtirols derzeitiges Wirtschaftsmodell ist?
In der Vergangenheit hat aus wirtschaftlicher Sicht alles sehr gut funktioniert. Wir haben eine Wirtschaft, die sehr stark auf Tourismus und Dienstleistungen basiert. Aber überfüllte Orte, Umweltprobleme, eine Verschärfung der Lebensqualität für die Einheimischen, Verkehrsprobleme, steigende Kosten oder steigende Immobilienpreise sind Faktoren, die Südtirol weniger attraktiv für Menschen, aber auch für Arbeitskräfte machen. Wir sprechen dahingehend oft vom Fachkräftemangel. Es ist notwendig, attraktive Beschäftigungsmöglichkeiten und attraktive Bedingungen für die Menschen zu schaffen.
Die Immobilientransaktionen in Südtirol haben abgenommen, während sie im Trentino zugenommen haben.
Das stimmt. In Südtirol haben die Immobilientransaktionen um ungefähr zwei Prozent abgenommen. Letztes Jahr waren es noch über 16 Prozent. Gleichzeitig sind die Immobilienpreise weiter gestiegen, unseren Berechnungen nach um 5,2 Prozent. Das sind praktisch zwei Prozentpunkte mehr als im nationalen Durchschnitt. Der Unterschied in den Immobilienpreisen beträgt mittlerweile fast 120 Prozent zum nationalen Durchschnitt.
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... der robuste Arbeits-Markt von Südtirol ist im Dienstleistungs-Bereich, von kaum bis zum 30./31. reichenden Entlohnungen betroffen. Dazu kommen die zu hohen Steuer-Abzüge, die aus der Zeit stammen, als der derzeitige "Hunger-Lohn" ein mittleres GEHALT war.
Gleichzeitig wird die gehätschelte Wirtschaft, "mit Steuer-Abschreibe-Modellen überfüttert + zu den Abendteuer-lichsten unsinnigen Investitionen verleitet!!!"
Die klügsten Köpfe sollten sich Gedanken über das derzeitige NEO-LIBERALE Entlohnuns-SYSTEM machen, das ganz ungeniert "die viele nicht entlohnte Arbeit" von der Gesellschaft fordert!