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Politik | Regierungskrise

Stürzt morgen die Regierung ?

Am Donnerstag stimmt das Parlament über ein Vertrauensvotum ab. Droht Draghis Kabinett ein abruptes Ende ?

Die von Italiens Medien in den letzten Tagen geschilderte crisi strisciante ist einer crisi reale gewichen. Das hat der einstündige Besuch des Premiers  Mario Draghi beim Staatspräsidenten vor aller Augen bewiesen. Auslöser der Krise war einmal mehr der politische Slalom der Fünf-Sterne-Bewegung, deren Parlamentarier bei der Abstimmung über das decreto aiuti den Sitzungsaal verlassen haben. Am Donnerstag  steht dazu ein Vertrauensvotum im Senat an. Die M5S-Parlamentarier haben bereits angekündigt, dabei den Sitzungssaal des Palazzo Madama zu verlassen.  Ein Akt beispielloser Verantwortungslosigkeit  im Schatten  des Krieges in der Ukraine und der Energiekrise. Aber auch ein deutlicher Hinweis darauf, dass keiner der M5S-Senatoren seine poltrona riskieren will. 

Einer der Gründe für den schwerwiegenden Schritt ist der offizielle Beschluss, in Rom endlich eine Müllverbrennungsanlage zu errichten, die von der Bewegung seit Jahren dezidiert abgelehnt wird. Der jüngste, beeindruckende Grossbrand in der Hauptstadt - ausgelöst durch illegale Sinti-Lager und ebenso ungesetzliche  Autoverschrotter - hat die Müllkatastrophe der Hauptstadt vor aller Augen und in unmissverständlicher Form offengelegt - mit gigantischen schwarzen Wolken über der Hauptstadt. Das freilich scheint Conte in seinem verbissenen, an Hysterie grenzenden  Kampf gegen Draghi nicht zu stören.  Draghis Umfragewerte sind zwar von gilt 60 auf 48 Prozent gesunken, übertreffen jedoch jene aller Parteien ganz klar.  Die bröckelnde Fünf-Sterne-Bewegung, die bisher 162 Parlamentarier verloren hat, zeigt deutliche Auflösungserscheinungen und liegt in Umfragen auf einem Tiefpunkt von 11 Prozent - rund einem Drittel des letzten Wahlergebnisses - Tendenz sinkend. Eine Regierungskrise kann sich Italien zu diesem Zeitpunkt freilich kaum leisten. 

Die Forderung nach vorgezogenen  Neuwahlen wird daher lauter. Die wären erst im Frühjahr nächsten Jahres fällig. Matteo Renzi: "Meglio andare alle elezioni." Forza-Italia-Chef Silvio Berlusconi: "Serve una verifica." Alles wie gehabt. Den Auslöser der Regierungskrise fasst das Tagblatt La Stampa in einem Satz treffend zusammen: "Conte è ostaggio dei pasdaran 5 stelle." Die "ala barricadera" der bröckelnden Bewegung wittert Morgenluft und lehnt jeden Kompromiss ab - eine irrationale Haltung angesichts des drohenden Debakels bei vorgezogenen Neuwahlen. Die will Draghi vermeiden und speilt den Ball gleichzeitig an die Fünf Sterne zurück: "Senza 5 stelle non ci sarà un bis".  Contes zerstrittener Bewegung droht nun eine neue Zerreissprobe. Und die Besorgnis vor dem Vertrauensvotum wächst. Forza Italia-Mitbegründer Tajani: "Se giovedi a Palazzo Madama i 5 stelle non votano la fiducia, non so dove finisce." Mit diesen Zweifeln steht er nicht alleine da. Doch zu den Ungewissheiten zählt auch eine andere, nicht unwesentliche  Frage: Wie viele M5S-Senatoren riskieren eine Regierungskrise im Zweifel, ob sie bei den massiv sinkenden Umfragewerten der Bewegung im Frühjahr erneut ins Parlament gewählt würden?