Auf Stimmenfang im Neuland
Tobe Planer ist spät dran. Am heutigen Samstag Abend lädt die Nummer 5 der Grünen Landtagskandidaten ins Cafè Il Toro im 1. Wiener Bezirk. Er will um die Stimmen der Auslandssüdtiroler in Wien werben. Dazu hat sich Planer ein besonderes Wahlzuckerl einfallen lassen: Der gelernte Konditor serviert selbst gedrehte Marillenknödel. Als Beilage gibt es “die neuesten Informationen aus der Heimat, rund um Politik, Gesellschaft Kultur & Gossip” und “die brandaktuellen grünen Give-aways zum Landtagswahlkampf”. So steht es in der Einladung.
Ob der Aufwand Früchte tragen wird, ist fraglich. Denn die Deadline für die Wahlberechtigten im Ausland, die ihre Stimme für die Landtagswahlen per Brief abgeben können, ist Freitag, der 19. Oktober. Nur die Stimmzettel, die innerhalb dieses Datums bei der Landeswahlbehörde in Bozen eintreffen, sind gültig. Jene, die später eintreffen, werden nicht zum Endergebnis dazugezählt.
Daher hat das Generalsekretariat des Landes den Briefwählern empfohlen, die Wahlzettel “möglichst bald auf dem Postweg” zu versenden – auch weil diese einen Umweg über das Verteilerzentrum der italienischen Post in Venedig nehmen müssen. Wer als Südtiroler im Ausland seine Stimme also noch nicht abgegeben hat, muss sich sputen, um sicher zu gehen, bei den Landtagswahlen ein Wort mitzureden. Falls er oder sie will.
Briefwähler als Zünglein an der Waage?
Nicht nur die Grünen haben ein Auge auf die Auslandssüdtiroler geworfen. Unzählige Briefkästen sind in den vergangenen Wochen von Wahlwerbung der Parteien und Kandidaten regelrecht überschwemmt worden. Die können dabei auf Adressen aus dem AIRE-Register zurückgreifen, die gegen Bezahlung etwa über den Verband der Gemeinden bezogen werden können.
Das AIRE-Verzeichnis ist das Melderegister der im Ausland lebenden italienischen Staatsbürger. 34.300 Südtiroler sind derzeit im AIRE-Register eingetragen und somit am 21. Oktober wahlberechtigt. Dazu kommen rund 700 Anträge auf Briefwahl von jenen Südtirolern, die sich am Wahltag nicht im Land befinden. Ergibt unterm Strich 35.003 Briefwähler – das sind 8,25 Prozent der insgesamt 424.184 Wahlberechtigten und 7.092 mehr als 2013, als 27.908 ihre Stimme per Brief abgeben konnten. Nur knapp 8.000 Wähler (28,6 Prozent) machten 2013 von der Briefwahl Gebrauch. Das entsprach in etwa jener Stimmenanzahl von 8.200, die damals für ein Vollmandat notwendig war.
7.010 Briefwahlzettel sind bis Freitag (12. Oktober) schon bei der Landeswahlbehörde eingetroffen. Das entspricht einem Fünftel der stimmberechtigten Briefwähler.
Ausland für Grün und konservativ
Die Tatsache, dass die Anzahl der Wahlberechtigten im Ausland im Vergleich zu 2013 massiv zugenommen hat, eröffnet den kandidierenden Parteien einen extra Pool an Stimmen, in dem sie fischen können. Doch wer profitiert von den zusätzlichen 7.092 Briefwählern – und von den Briefwählern generell?
Eifrig Briefmarken geklebt hat in den vergangenen Wochen die SVP, ebenso die Süd-Tiroler Freiheit. Und dass es auch die Grünen nicht ohne Grund nach Wien gezogen haben dürfte, bestätigt Hermann Atz im Gespräch mit RAI Südtirol.
Der Politologe teilt die Briefwähler in zwei unterschiedliche Gruppen ein: Einmal, junge, gut ausgebildete Menschen bzw. Studierende, die zu liberalen politischen Haltungen tendieren. Davon profitieren unter anderem die Grünen. In der anderen Gruppe verortet Atz “ziemlich konservative” Wähler: Südtiroler, die aus wirtschaftlichen Gründen ausgewandert sind, zum Beispiel nach Deutschland und in die Schweiz. Die Stimmen dieser Gruppe kommen laut Atz eher traditionellen Parteien zugute, etwa der SVP oder der Süd-Tiroler Freiheit.
Neue Wähler für italienisch und konservativ
Doch die “neuen” Briefwähler machen nur einen Teil der Neuwähler aus, unter denen Parteien und Kandidaten auf Stimmenfang gehen können. Heuer gibt es 16.131 in Südtirol ansässige Wahlberechtigte mehr als 2013. Das sind 4,14 Prozent der 389.181 der in Südtirol ansässigen Wahlberechtigten. Ein Großteil der Neuwähler sind eingebürgerte Zuwanderer, die in den vergangenen fünf Jahren die italienische Staatsbürgerschaft erlangt haben. Dazu kommen die Erstwähler, die in den vergangenen fünf Jahren volljährig geworden sind. Und als dritte Gruppe zählen die aus anderen Regionen zugezogenen italienischen Staatsbürger, die nach vierjähriger Ansässigkeit in Südtirol wahlberechtigt sind, zu den Neuwählern.
Wem könnte die veränderte Zusammensetzung der (neuen) Wählerschaft zugute kommen?
“Wenn es zutrifft, dass die Zuwanderer in Südtirol mehrheitlich zur italienischen Sprache (und Sprachgruppe) tendieren, dann könnten ausgerechnet sie dazu beitragen, das erschreckende Schrumpfen der italienischsprachigen Vertretung im Landtag zu stoppen”, analysiert Chefredakteur Christian Pfeifer in der jüngsten Ausgabe der Südtiroler Wirtschaftszeitung.
Hermann Atz bestätigt: Über die Hälfte der Einwanderer in Südtirol fühlten sich der italienischen Sprachgruppe näher als der deutschen. Sie dürften eher bei italienischen Parteien das Kreuz machen. Eingebürgerte Migranten tendierten unabhängig von der Sprachgruppe, zu der sie sich zugehörig fühlen, “Mitte bis leicht rechts” zu wählen, so Atz. “Hintergrund für dieses Wahlverhalten ist ihre Herkunft aus zumeist traditionellen, konservativen Ländern.”
Zusammenfassend: 23.223 Wahlberechtigte mehr als 2013 gibt es bei den Landtagswahlen am 21. Oktober. Die 35.003 Briefwählerstimmen könnten vor allem den Grünen zufließen – insbesondere die gut 7.000 neuen, die zum Großteil Studierende im Ausland ausmachen –, aber auch der SVP und Süd-Tiroler Freiheit. Die 16.131 neuen in Südtirol ansässigen Wahlberechtigten setzen sich vor allem aus eingebürgerten Zuwanderern zusammen, deren Stimmen zum Großteil konservativ ausgerichteten italienischen Parteien zufließen könnten.
Immer davon ausgehend, dass die Wahlberechtigten auch wählen gehen.
Eine Überschwemmung habe ich
Eine Überschwemmung habe ich in München nicht mitgekriegt - nur die SVP hat zwei Mal postalisch angeklopft...