Wirtschaft | Sonderfall

Bauernland Südtirol?

“Die SVP kümmert sich immer mehr nur um die Belange der Bauern”, kritisiert Andreas Pöder. Er fordert eine gerechtere Verteilung der Förderungen, Steuern und Lasten.
Bauer
Foto: Südtirolfoto/Helmuth Rier

“Ich weiß, dass damit eine heilige Kuh geschlachtet werden müsste”, ist sich Andreas Pöder bewusst. Doch nach dem “gigantischen Auflauf im Landtag” vor einem Monat hat der Landtagsabgeordneten der Bürgerunion die Nase voll. Auf Antrag der SVP-Bauernvertreter Sepp Noggler, Maria Hochgruber Kuenzer und Albert Wurzer hatte am 8. November eine Generaldebatte über “die Lage des Bergbauernwesens in Südtirol und die Maßnahmen zur Verbesserung derselben” stattgefunden. Unter regem Interesse von Landwirten und Südtiroler Bauernbund hatte der Landtag mehrere Stunden über die Belange der Bergbauern diskutiert. “Damals waren wir alle Bergbauern”, meint Pöder wenige Wochen später etwas zynisch. Auf einer Pressekonferenz am heutigen Montag, 12. Dezember, fordert er gemeinsam mit dem Wirtschaftssprecher seiner Partei, Dietmar Zwerger, und dem Jugendsprecher Stefan Taber: “Mehr Gerechtigkeit im Bauernland Südtirol.”

Besondere Bauern

“Die Südtiroler Volkspartei wird immer mehr zu einer Bauern(bund)partei, die sich vorwiegend um die Belange der Bauern und immer weniger um Arbeitnehmer und kleine Selbstständige kümmert”, wirft Pöder der Mehrheitspartei vor. Die jüngste Debatte im Landtag, steht für ihn fest, sei auf Druck des Bauernbundes zustande gekommen, “vor allem um die SVP-Führung unter Druck zu setzen, Landwirtschaftslandesrat Schuler anzugreifen und den Bauernbund – allen voran dessen Direktor (Siegfried Rinner, Anm. d. Red.) – für die kommenden Landtagswahlen in Stellung zu bringen”. Wie berichtet, ist Rinner als Nachfolger von Arnold Schuler im Gespräch. Doch es sind weniger die internen Machtspielchen und Postenschacher, die Andreas Pöder interessieren, sondern vielmehr “die große Ungleichheit”, die in seinen Augen zwischen der Landwirtschaft und anderen Wirtschaftszweigen im Lande herrscht.

“Für die Landwirtschaft gibt es vergünstigten Treibstoff. Warum erhalten wir als Handwerker für unsere Dienstfahrten keinen Beitrag dafür?”
(Dietmar Zwerger)

“In Südtirol gibt es rund 60 Sonderförderungen und spezifische Steuerentlastungen für die verschiedenen Bereiche der Landwirtschaft”, berichtet Pöder, “Förderungen und Entlastungen, die nicht gleichzeitig für andere Wirtschaftsbereiche gelten”. Als Beispiele führt der Landtagsabgeordnete die IRAP-Befreiung für Landwirte und die Erschwerniszulage für Bauern in abgelegenen beziehungsweise strukturschwachen Gebieten an. Demgegenüber stünden “gerade einmal 10 Förderungsbereiche” für alle anderen Wirtschaftsbereiche – Handwerk, Handel, Industrie, Gastgewerbe, Freiberufler – , die nicht gleichzeitig auch für die Landwirtschaft gälten. “Dabei gibt es auch andere Wirtschaftstreibende und Bevölkerungsteile, die Probleme haben, nicht nur die Bauern”, zeigt Pöder auf und nennt unter anderem kleine Geschäfte, Privatzimmervermieter oder Handwerker in Bergdörfern. “Warum sollte man Familien, Arbeitnehmer und Unternehmen in solchen Gebieten nicht gleich wie Bauern fördern und dafür ’belohnen’, dass sie dort ausharren?”, fragt sich die Bürgerunion.

Gerechtigkeit im “Bauernland”

Eine weitere Tatsache führen die Vertreter der Oppositionspartei am Montag Vormittag ins Feld, um die Sonderrolle, die der Landwirtschaft in Südtirol beigemessen wird, zu belegen: “Allein in dieser Legislaturperiode (seit Herbst 2013, Anm. d. Red.) hat es bisher 19 einzelne Gesetzesmaßnahmen spezifisch für die Landwirtschaft gegeben.” Dabei stehe außer Frage, wird während der Pressekonferenz mehrmals betont, dass die Landwirtschaft, und insbesondere die Berglandwirtschaft eine wichtige Rolle spiele. “Bauern sind Landschaftspfleger, Familienerhalter, erzeugen gesunde Lebensmittel und sind auch Arbeitgeber sowie Auftraggeber für andere Unternehmenszweige”, listet Pöder, der selbst aus einer Ultner Bergbauernfamilie stammt, auf. Daher sei die Unterstützung der Landwirtschaft wichtig, “aber: Arbeitnehmer und andere Selbstständige fühlen sich benachteiligt”. “Nicht bei den Bauern streichen, sondern auch andere Bereiche fördern”, ist auch für Dietmar Zwerger die Lösung.

“Die steuerliche Entlastung muss künftig Arbeitnehmer und kleine Selbstständige auf denselben Stand bringen wie die Landwirtschaft.”
(Bürgerunion)

Eine “Erschwerniszulage auch für Lohnabhängige und Selbstständige” sowie eine “gerechtere Verteilung der Steuern, Lasten und Förderungen zwischen Arbeitnehmern, Selbstständigen und Bauern”, fordern Oppositionspolitiker der Bürgerunion deshalb am Montag Vormittag. Und verlangen mehr Solidarität, auch innerhalb der Landwirtschaft. “Wer mehr Einkommen erzielt, soll auch mehr Steuern zahlen”, bekräftigt Pöder und meint damit die Tal- und Obstbauern, die es im Vergleich zu den Bergbauern um einiges leichter hätten. Die bevorstehende Haushaltsdebatte im Landtag wird der Abgeordnete nutzen, um einen Tagesordnungspunkt einzubringen, in dem der Landtag dazu aufgefordert wird, in die von der Bürgerunion vorgeschlagene Richtung tätig zu werden. Weder eine “Neiddebatte” anstoßen noch “Bauern-Bashing” betreiben wolle man mit der Diskussion, unterstreichen Pöder & Co. auf der Pressekonferenz am Montag: “Denn die Bauern können ja nichts dafür, dass sie eine so agile und mächtige Lobby im Landtag haben, die ihre Anliegen besser vertritt als jene der Arbeitnehmer und der Selbstständigen.”