Nicht nur leere Worte
Treibende Kraft war Eleanor Roosevelt, die sich bei der Schaffung der Vereinten Nationen große Verdienste erworben hat. Die Erklärung selbst ist ein anzustrebendes Ziel und ist vom beginnenden Kalten Krieg geprägt, hat sie doch laut Völkerrecht keinen verbindlichen Charakter. Sie stellt aber einen annehmbaren Kompromiss dar und ist bewusst so formuliert, dass sie unterschiedliche Interpretationen zulässt, was zu jener Zeit sicherlich als ein großes Ergebnis einzustufen ist.
Italien hat 1955 die Erklärung ratifiziert. Nach 70 Jahren kann man sicherlich ein Resümee über die erreichten Ziele ziehen. Hierfür ist es nützlich, das Grundrecht der jeweiligen Staaten zu betrachten. Die italienische Verfassung steht in diesem Zusammenhang sicherlich nicht schlecht da. Als Gewerkschaft betrachten wir natürlich vor allem den Bereich Arbeit und die soziale Sicherheit. So spricht man etwa in Artikel 22 der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von den sozialen Sicherheiten und im Artikel 23 von dem Recht auf Arbeit. Besonders dieses Recht ist auch in der italienischen Verfassung zu finden. So wird in Artikel 4 der Verfassung allen Bürgern das Recht auf eine Beschäftigung zuerkannt, wobei es Aufgabe des Staates ist, dies zu gewährleisten. Andere Artikel sprechen von gleichen Rechten für Frauen und Männer, von einer gerechten Entlohnung, vom Recht auf Ruhezeiten und Ferien, die unverzichtbar sind und vom Recht der Bediensteten, sich frei in Gewerkschaften zu organisieren. Wer sich in Schwierigkeiten befindet, hat Anrecht auf angemessene finanzielle Unterstützung. Dies gilt insbesondere bei Invalidität, Unfall, gesundheitlichen Probleme, Arbeitslosigkeit und Ähnlichem. Von großer Wichtigkeit ist in der Menschenrechtserklärung der Mutterschaftsschutz und der Schutz der Minderjährigen. Ebenso das Recht auf Aus- und Weiterbildung, da sie eine der wichtigsten Maßnahmen darstellt, die gesellschaftliche und soziale Position zu garantieren oder zu verbessern.
Man sollte allerdings bei der Beurteilung der Ergebnisse nicht nur die westliche Welt betrachten, sondern auch die anderen Kontinente. 147 Länder, also eine große Mehrheit, haben die Erklärung unterzeichnet. Die Interpretationsmöglichkeiten sehr jedoch sehr weitläufig. Zwischen der Unterzeichnung und deren Umsetzung öffnet sich in vielen Ländern ein scheinbar unüberwindbarer Graben. Besonders in der dritten Welt gibt es große wirtschaftliche und soziale Hürden, deren Überwindung für eine konkrete Umsetzung unabdingbar sind. Die Welt steht derzeit vor einem politischen und technologischen Umbruch, deren Ausgang noch nicht klar definierbar ist.
Rassismus, Abschottung und Ausbeutung sind im Vormarsch, man denke hier nur an die Kinderarbeit in den unterentwickelten Ländern. Die Globalisierung hat die sozialen und gesellschaftlichen Probleme zwischen den reichen und armen Ländern nicht verringert, im Gegenteil. Die Kluft hat sich noch weiter geöffnet und hat mittlerweile auch hochentwickelte Staaten erfasst.
Menschenrechte dürfen aber nicht zu einem Lippenbekenntnis verkümmern, sondern müssen bekräftigt und durchgesetzt werden. Ein erkämpftes Recht hat leider nicht für immer Gültigkeit, sondern muss immer wieder an die gesellschaftliche Entwicklung angepasst werden. Dies gilt auch für Italien, wo man in einigen Bereichen von der Grundidee der gleichen Rechte für alle Abstand zu nehmen scheint. Es setzt sich zunehmend die Ansicht durch, dass die eingesessene Bevölkerung bei der Inanspruchnahme bestimmter Leistungen bevorteilt werden soll.
Natürlich sind wir von Menschenrechtsverletzungen, wie sie in vielen Staaten stattfinden, meilenweit entfernt, aber bereits unsere Vorfahren kannten den Spruch: "Wehret den Anfängen". Gerade in diesem Sinne ist der Tag der Menschenrechte am 10. Dezember jeden Jahres ein wichtiger Termin, der nicht zur üblichen Routine verkümmern darf.