"Ich bin immer noch Arno"
Es ist kurz vor 20 Uhr, als am Dienstag Abend ein ganz besonderer Gast den Ost West Club im Meraner Steinachviertel betritt. Kein Geringerer als Landeshauptmann Arno Kompatscher ist gekommen, um sich mit Moderator Markus Lobis und dem anwesenden Publikum über “Zwei Jahre Landeshauptmann Kompatscher” auszutauschen. “Alles im Griff?”, so die Frage, unter der der Diskussionsabend im Rahmen des Zigori Clubs stattfindet. Bis auf den letzten Platz gefüllt, herrscht eine vielleicht etwas unerwartet lockere und humorvolle Stimmung im kleinen Vereinslokal. Was zum Teil auch der entspannten Art des Landeshauptmanns zu verdanken ist, der in der zweistündigen Diskussion kleine Anekdoten aus seinem Leben (“Im Dorf und für die Menschen bin ich immer noch ‘der Arno’”) ebensowenig auslässt wie große aktuelle Themen und Fragen.
Anders als der Luis
Des Landeshauptmanns Stellungnahmen zu Brennpunkten wie Brennercom (“Wir haben nicht mit Kanonen zurückgeschossen und schließlich erhalten, was wir ursprünglich wollten – die Infrastrukturen”), Flughafen-Befragung (“Die letzten Prognosen besagen, dass der Kompatscher damit baden gehen wird, aber ich bin nach wie vor überzeugt, dass die Argumente dafür die besseren sind”) oder Autonomiekonvent (“Es soll ein Statut werden, mit dem die Südtiroler zufrieden sind, kein Statut, mit dem die SVP zufrieden ist”) sind hinlänglich bekannt. Erfrischender sind da schon die Antworten auf die Frage nach den Erwartungshaltungen, die nach der Ära Durnwalder auf Kompatscher lasteten und immer noch lasten. Kritik an seinem Vorgänger lässt sich der Landeshauptmann keine abluchsen. “Der Regierungsstil Durnwalders hat dem entsprochen, was ein großer Teil der Bevölkerung von ihm erwartete. Wenn er die letzten Jahre, die er im Amt war, nicht so funktioniert hat, dann, weil sich die Zeiten und damit auch die Gesellschaft geändert haben”, so Kompatscher, den an Durnwalder speziell sein “physisches Leistungsvermögen” beeindruckt. Auch die “ethnische Entkrampfung” im Land sei zu hundert Prozent seines Vorgängers Verdienst. Doch die Anzeichen dafür, dass ein Wechsel notwendig geworden war, waren gegen Ende seiner Amtszeit nicht übersehbar. Die Aufregung um die Politikerrenten und der SEL-Skandal waren nur die letzten Symptome eines kränkelnden Systems, dessen Umgestaltung sich Arno Kompatscher als Landeshauptmann zur Aufgabe gemacht hat.
Was ihn von seinem Vorgänger unterscheidet, sind laut Kompatscher selbst die Methoden und die Art und Weise, wie unter seiner Führung Entscheidungen getroffen werden. An Entscheidungsfreudigkeit, wie es ihm häufig vorgeworfen wird, mangelt es dem Landeshauptmann nach eigener Aussage nicht: “Ich bin nicht jemand, der auf den Tisch haut und wo man dann sagt ‘Er hat entschieden.’ Sondern ich versuche, im Dialog zu überzeugen.” Viele Menschen hätten damit (noch) ein Problem und wünschten sich den “alten Stil” zurück. Das hat auch Kompatscher beobachtet. Doch will er sich von seinem eingeschlagenen Weg nicht abbringen und sich auch nicht verbiegen lassen. “Zu meiner Frau habe ich gesagt: ‘Wenn ich mich verändere, dann sag’s mir’.” Bislang habe er nichts gehört.
Arno Kompatscher mit Moderator Markus Lobis: “Der Spaßfaktor ist hier um einiges höher.” Foto: Sara Mostacci
Das Erbe von Skandalen und Skandälchen
Doch sie ist mühsam, seine (Überzeugungs-)Arbeit, gesteht der Landeshauptmann. Nicht zuletzt, weil er mit seiner Art, in allen Dingen die Grauzonen aufzuzeigen versucht, nicht in die Schwarz-Weiß-Malerei der Presse hineinpasse. “Jeden Tag wird das kleinste Problem zu einem Skandal hochgeschrieben. Und wenn ich manchmal offen eingestehe, dass es für ein Problem keine Lösung gebe, steht am nächsten Tag in der Zeitung: ‘Landeshauptmann ist unfähig’. Die Botschaft, die bei den Leuten dadurch ankommt ist: ‘Was ist denn das für ein Depp?’”, meint Kompatscher etwas verärgert. Dazu käme eine bereits vorherrschende falsche Vorstellung, dass Politiker einer Kaste angehörten und unantastbar seien. Gepaart mit Vorfällen wie den Politikerrenten oder SEL, “die das Vertrauen der Bevölkerung erschüttert haben” und einer ordentlichen Portion Sozialneid, den es nach wie vor gebe, sei es nicht verwunderlich, wenn das Ansehen der Politiker zunehmend leide und sich der Abstand zwischen Bürgern und Politik zusehends vergrößere.
In einem solchen Umfeld sei es auch schwierig, sich über die “wirklichen Skandale” aufzuregen, stellt Kompatscher fest. Zu denen zählt er neben der SEL (“Ich bin überzeugt, dass wir ordentlich aufgeräumt haben”) auch die jüngst öffentlich gewordenen Vorgänge in und um die Südtiroler Sparkasse. “Ich bin der Ansicht, dass der Fall mittel- und langfristig enorme Konsequenzen haben wird und dazu führen muss, dass sich im System einiges ändert. Etwa bei den Praktiken der Kreditvergabe”, so der Landeshauptmann, der hofft – und verlangt –, dass die Botschaft der Veränderung auch in den Vorstandsetagen angekomme. “Häme oder gar Spott” habe er für die Sparkasse allerdings nicht übrig, “Kritik sehr wohl”.
Stolz auf sein Land
Weniger Kritik als vielmehr Enttäuschung kommt bei Arno Kompatscher auf, wenn er daran denkt, wie Südtirol anfangs mit dem Thema Flüchtlinge, die im Land aufgenommen werden sollten, umgegangen ist. “Da haben Menschen ernsthaft Angst, ihre kleine Welt gehe unter, weil Leute mit einer anderen Hautfarbe in ihrem Dorf einziehen”, zeigt Kompatscher Unverständnis. Umso erfreuter und stolz sei er heute, weil er gesehen habe, wie schnell vor allem die kleinen Gemeinden sich der Flüchtlinge angenommen hätten. “Man muss sehr wohl versuchen, die Menschen mit ihren Sorgen und Ängsten ernst zu nehmen. Doch das Treten nach unten und außen bringt niemanden weiter”, ist er überzeugt. Vor allem ein Land wie Südtirol, das eine “nicht immer positive Geschichte” vorzuweisen habe, müsse in der Flüchtlingsfrage eine “besondere Verantwortung” übernehmen, “gerade weil es uns so gut geht”.
Der Landeshauptmann ließ es sich nicht nehmen, seine Mitgliedschaft im Ost-West-Club zu erneuern. Foto: Sara Mostacci
Mehr Verantwortung, geknüpft an mehr Freiheiten, will der Landeshauptmann auch an die Bevölkerung abgeben. Eines seiner großen Anliegen ist es, das Bewusstsein dafür zu schaffen, dass ein jeder die Möglichkeit hat, mitzugestalten – “wenn man will”. Nicht zuletzt die Befragung zum Flughafen sei eine Chance dafür. Von Gerüchten, ihn umgebe ein “böses Netzwerk”, das “dunkle Machenschaften” ausübe und die dafür sorge, dass die Volksbefragung “eh manipuliert” sei, will Kompatscher nichts wissen und weist sie entschieden zurück: “Mein Anliegen ist es, Transparenz, Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit zu erzeugen.” Er ist überzeugt, mit der Volksbefragung einen “mutigen” Schritt getan zu haben. Und wichtiger als das Ergebnis sei “für unser Land, dass sie überhaupt stattfindet”. Dann ist da noch die Autonomie, für den Landeshauptmann “eines der spannendsten Themen überhaupt”, und der dazugehörige Konvent. Seine Vision? “Südtirol als Land mit starken Wurzeln in einer Welt der Globalisierung und als Brücke und Vermittler zwischen Nord und Süd. Das soll im Statut festgehalten werden”, wünscht sich der Landeshauptmann gegen 22.15 Uhr am Dienstag Abend im Ost West Club.
24 Stunden zuvor war er noch in Bozen, auf dem Unternehmerempfang am Flughafengelände. Krasser könnte der Unterschied zwischen zwei Welten wohl nicht sein. Doch wo fühlt sich der Landeshauptmann wohler? Mit einem Schmunzeln kommt die Antwort: “Es sind zwei ganz unterschiedliche Anlässe, der eine formell und steifer, der andere lockerer. Ich habe mich beide Male wohl gefühlt. Doch der Spaßfaktor ist hier doch um einiges größer.”
Anstatt im ost-west seine PR
Anstatt im ost-west seine PR-show abzuliefern, hätte er sich mal den Fragen der Anrainer der Trasse der Meraner Nordwest-Umfahrung stellen können. Denn ab 2017 beginnen für die geplante Dauer von fünf Jahren und zwei Monaten die Arbeiten. Längs der Trasse der Meraner Nordwest-Umfahrung werden von 6.00 morgens bis nachts um 22 nachts Sprengungen vorgenommen - mit allen möglichen Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen und deren Hab und Gut im Radius von drei Kilometern.
http://salto.bz/article/23072014/tunnel-politik-der-nordwest-umfahrung