Gesellschaft | Damit Familie bleibt

Scheidung auf europäischem Niveau

Die Debatte rund um den Gesetzesvorschlag von Senator Pillon verläuft genauso hitzig (und oft unsachlich) wie die Rosenkriege vor Gericht.
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Foto: upi

Das Gesetz von 2006 und die aktuelle Rechtssprechungspraxis ist nicht optimal (trotz der spürbarer Verbesserung am Landesgericht Bozen und auch an einigen anderen Gerichten Italiens) und wurde bei der Einführung ebenso kritisiert. Übrigens Großteils von den gleichen Personen, welche jetzt den Status Quo verteidigen.

1.) Italien ist schon mehrfach vom EUGH wegen Mängel im Scheidungsrecht verurteilt worden
2.) es gibt eine Resolution des Europarats (Nr. 2079 vom 2.10.2015), welche die Mitgliedsstaaten (darunter zählt auch Italien) auffordert in ihren Gesetzen, die Rolle der Väter bei der gemeinsamen elterliche Verantwortung nach Trennungen und Scheidungen besser zu berücksichtigen. 
3.) die im Gesetzesentwurf vorgeschlagenen Maßnahmen orientieren sich an bewährten Praktiken in anderen Ländern
- verpflichtende Beratung bzw. Mediation gibt es in Österreich, Deutschland, Großbritannien, USA). Das Familienmediationszentrum ASDI wurde von Rom beauftragt, einen Entwurf für verpflichtende Mediation bei Trennungen auszuarbeiten. In einem Interview der Tageszeitung erklärte Direktor Elio Cirimbelli, warum dadurch Trennungen weniger belastend wären. 
- einen Familienbeistand (coordinatore genitoriale) gibt es in der einen oder anderen Form in Österreich, Deutschland, Schweiz und 10 US Bundesstaaten
- einen Plan der gemeinschaftlichen elterlichen Verantwortung (Parental Plan) ist u.a. in Belgien, den Niederlanden, Großbritannien, Rumänien, Kanada, USA, Australien Pflicht
Die Erfahrungen mit diesen Maßnahmen sowie aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse wurden bei der 4. Konferenz des International Council of Shared Partenting im November letzten Jahres in Strassburg erörtert. Die obengenannten Maßnahmen sind auch im Faller innerfamiliärer Gewalt möglich wie z.B. der Sonderleitfaden des Amtsgerichts München zeigt.

Die Kosten der Mediation sind bei weitem geringer als die Kosten für eine Rechtsvertretung bei einem gerichtlich ausgetragenem Rosenkrieg. Für einkommensschwache Eltern ist eine Verfahrenshilfe vorgesehen. Auch der zeitliche Aufwand für eine mediative Lösung ist erheblich kürzer. Insofern ist die Kritik hier nicht nachvollziehbar.

Dass es zu Kontaktverweigerung, Kontaktabbruch und somit zu einer Entfremdung zwischen Kind(ern) und einem Elternteil (betrifft in einigen Fällen auch Mütter) kommt ist leider ein Faktum und keine wissenschaftlich umstrittene Theorie (beim Streit geht u.a. darum, ob daraus ein medizinisches Syndrom entsteht, ob es als Beweismittel zugelassen ist, wie man dieses diagnostizieren könnte und welche Therapiemöglichkeiten von Prof. Gardner vorgeschlagen wurden). Da die Folgen gravierend sein können ist es wichtig, in diese oft sehr komplexen Dynamiken als involvierte Dienste mit Sachverstand und weitgehender Neutralität zu agieren und sich nicht von einer der beiden Elternteile instrumentalisieren zu lassen (was leider auch häufig vorkommt). Vorbildliche Beispiele sind dafür das sog. Cochemer Modell oder der Elternkonsens.

Sehr sinnvoll ist der Vorschlag von Schir, Duschek und Augscheller einer Krisen-bzw. Übergangswohnmöglichkeit für Eltern bzw. Familien nach Trennungen und es ist zu begrüßen, wenn hier leerstehende Gemeindegebäude sinnvoll adaptiert und genutzt werden könnten.

Es gibt Verbesserungsbedarf an diesem Gesetzesvorschlag, welcher in einer demokratischen und sachlichen Debatte erarbeitet werden soll. Dabei sollen auch die Berufsvertretung der Familienmediator_innen (Medianda), die Vertretungen der Männer- und Väterorganisationen (Caritas Männerberatung, MIP - Männerinitiative Pustertal, figli per sempre, väter aktiv, u.a.), die Kinder- und Jugendanwältin, die Gleichstellungsrätin des Landtags u.a. einbezogen werden.