Armes Südtirol: Caritas warnt vor sozialer Spaltung
„Armes Südtirol“ betitelt die Caritas ihren Wirkungsbericht 2013. Und signalisiert damit unmissverständlich, dass das gemeinhin als reich und wohlhabend geltende Land auch eine andere Realität kennt. „Die Armut nimmt zu, mehr als uns lieb ist. Wenn wir nicht imstande sind, dieser Entwicklung gegenzusteuern, wird die Kluft zwischen Arm und Reich auch hier immer größer und wir werden ein wirklich armes Land“, sagen die Caritas-Direktoren Heiner Schweigkofler und Paolo Valente.
Beobachtet wurde die drohende soziale Spaltung der Südtiroler Gesellschaft in den über 30 Fachdiensten der Caritas. Als besonders prekär hoben die beiden Caritas-Direktoren die Bereiche Arbeit und Wohnen hervor. Vor allem für Geringqualifizierte habe sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt zuletzt deutlich verschärft. Das wiederum verschlechtere die Situation jener Menschen, die bereits davor Schwierigkeiten auf dem normalen Arbeitsmarkt hatten – ob Wohnungslose, Menschen mit Behinderung, psychisch Kranke, Menschen mit Suchtproblemen, Zuwanderer oder Haftentlassene.
Immer häufiger aber würden Menschen aber auch trotz Beschäftigung mit ihrem Einkommen nicht mehr über die Runden kommen. 2013 wurde deutlicher denn je, dass Teile der Mittelschicht regelrecht verarmen, sagen Schweigkofler und Valente. „Diese Frauen und Männer haben Schwierigkeiten, ihre Mietspesen und Stromrechnungen zu bezahlen.“ Bei der Schuldnerberatung der Caritas stieg die Zahl der Erstgespräche im Vorjahr deshalb erneut um elf Prozent an.
Wut und Ohnmacht steigen
Das andauernde Unsicherheits- und Ohnmachtsgefühl führt oftmals auch zu psychischen, gesundheitlichen und familiären Problemen. Eine steigende Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung registrierte man auch bei der Caritas Telefon-Seelsorge. „Immer mehr Menschen kommen mit den Herausforderungen der heutigen Gesellschaft nicht mehr zurecht, viele fühlen sich alleingelassen oder ungerecht behandelt“, berichtet Leiterin Silvia Moser. Tiefes Misstrauen, oft auch Wut, gegenüber öffentlichen Institutionen oder Personen, die Wahrnehmung, nur vertröstet oder „als Nummer“ behandelt zu werden: All das kam im Vorjahr bei der Telefonseelsorge zum Ausdruck, wo die Zahl um 16 Prozent gestiegen ist.
Reagiert hat die Caritas auf den steigenden Bedarf unter anderem mit der Einrichtung einer neuen Beratungsstelle für Menschen in Not im Bozner Stadtviertel Don Bosco. Doch während im Land die Armut steigt, wird sie auch in den jenen Teilen der Welt nicht kleiner, in denen die Not seit jeher zum Alltag der Menschen gehört. „Besonders das Problem des Hungers verschärft sich zusehends“, berichtet Fabio Molon von der Caritas Auslandsarbeit: Dank der über 12.000 Spenderinnen und Spendern aus Südtirol konnten 2013 verschiedene Projekte gegen den Hunger in Afrika und anderen Kontinenten der Erde unterstützt werden. Einige weitere wichtige Hilfsmaßnahmen des vergangenen Jahres galten den Opfern des verheerenden Taifuns auf den Philippinen, den syrischen Kriegsflüchtlingen sowie den Opfern des Hochwassers in Mitteleuropa und des Unwetters auf Sardinien.