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Arbeitsmarkt unter Druck

In den nächsten 15 Jahren gehen in Südtirol 70.000 Menschen in Pension. Der Arbeitsmarktbericht des vergangenen Winterhalbjahres offenbart durchwachsene Aussichten.
Arbeitsmarktbericht Juni 2025
Foto: LPA/Fabio Brucculeri
  • Zwar nicht mitten im Gewitter, aber von dunklen Wolken gezeichnet – so beschreibt der Direktor des Arbeitsmarktservice, Stefan Luther, die derzeitige Situation des Südtiroler Arbeitsmarktes. Zusammen mit Landesrätin Magdalena Amhof präsentierte er heute den Arbeitsmarktbericht des Halbjahres November 2024 bis April 2025.
    Zunächst kam Luther auf die Arbeitslosigkeit in der Provinz Bozen zu sprechen. Dabei erklärte er, dass der von ASTAT herausgegebene Wert zur Südtiroler Arbeitslosigkeit – das Statistikamt hatte diese mit zwei Prozent betitelt – aus arbeitspolitischer Sicht wenig Bedeutung habe. Der Wert sei nämlich das Resultat einer Bevölkerungsumfrage des ISTAT mit einer anschließenden Hochrechnung. Durch die Art der Fragestellung sei in die errechnete Quote von zwei Prozent nur ein kleiner Teil aller Arbeitslosen hineingefallen. „In Wirklichkeit hat unsere Provinz deshalb eine Arbeitslosigkeit von sieben Prozent“, so Luther.

  • Arbeitslosigkeit und Beschäftigung

    Der späte Ostertermin und die verhaltene Lage in der Industrie hätten mit +1,3 Prozent zu einem leichten Anstieg der registrierten Arbeitslosen geführt, analysierte Luther. Im Bereich der sofort vermittelbaren Arbeitslosen und der Langzeitarbeitslosen sei bedingt durch die Tätigkeit der Arbeitsvermittlungszentren hingegen ein Rückgang von knapp 14 Prozent zu verzeichnen. Südtirols Erwerbstätigenquote von etwas unter 80 Prozent sei hingegen noch ausbaufähig. „85 Prozent wären der Idealwert“, kommentierte Luther. 

    Das Wachstum der abhängig Beschäftigten zeige sich mit 1,7 Prozent, verglichen mit dem Zeitraum November 2023 bis April 2024, moderat, liege im Durchschnitt der vergangenen 15 Jahre und sei das niedrigste seit 2015 (ausgenommen Pandemiezeitraum). Während das Gastgewerbe und das unterbringungsfreie Sozialwesen stark gewachsen seien, gebe es im Handel ein eher geringes Wachstum. Einen Rückgang verzeichne das verarbeitende Gewerbe, bedingt vor allem durch die Entwicklungen in der Automobilindustrie (Automotive). „Was die Vertragsformen betrifft, so ist eine Zunahme der unbefristeten Verträge zu verzeichnen. Insgesamt waren im Beobachtungszeitraum 23 Prozent der Verträge befristet. Bereinigt um die Sektoren Landwirtschaft und Gastgewerbe beträgt der Anteil dieser Vertragsform noch 15,1 Prozent“, stellte Luther fest.

  • Stefan Luther: „In Wirklichkeit hat unsere Provinz eine Arbeitslosigkeit von sieben Prozent.“ Foto: LPA/Fabio Brucculeri
  • Bevölkerung im Wandel

    Auch der demografische Wandel kam zur Sprache. Wie Luther erklärte, seien mittlerweile 34,7 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer über 50 Jahre alt, 3,7 Prozent mehr als noch im Winterhalbjahr 2023/24. „Im Vergleich zu 2014/15 verzeichnen wir sogar eine Steigerung von 65 Prozent“, so Luther. Vor der Herausforderung, dass die Baby-Boomer-Generation das Rentenalter erreicht, während die nachfolgenden Generationen zahlenmäßig kleiner seien, stünde aber  nicht nur Südtirol. Viele EU-Länder seien von dieser Entwicklung betroffen. In den kommenden 15 Jahren, so Luther, müsse der Südtiroler Arbeitsmarkt bis zu 70.000 Pensionierungen verkraften. 

    Auch Amhof beteuerte, dass Südtirol mit seinen Problemen nicht allein sei. „Der demografische Wandel und der zunehmende Anteil älterer Arbeitnehmender sind in all unseren Nachbarländern festzustellen“, so die Landesrätin. Auch der Rückgang der Beschäftigung im Automobilsektor in Südtirol sei Ausdruck des Strukturwandels, der viele europäische Industrien erfasst. Um demografische Lücken zu füllen, unterstütze man die zunehmende Beteiligung der Menschen vor Ort am Arbeitsmarkt, doch auch Zuwanderung spiele dabei eine wichtige Rolle.

     

    „Wir müssen alle Wege nutzen, um Südtirol als Arbeitsstandort attraktiv und wettbewerbsfähig zu erhalten.“

     

    Zu letzterem Thema äußerte sich auch Luther, der erklärte, dass Südtirols Beschäftigungszuwachs stark auf Arbeitskräftezuzug aus anderen Provinzen Italiens und insbesondere Nicht-EU-Staaten beruhe und vor allem durch Einbürgerungen bedingt sei. Laut Arbeitsmarktbericht kommen drei von vier Neuangestellten in der Provinz aus dem Ausland. Zu verbessern seien deshalb die Rahmenbedingungen für einheimische Arbeitskräfte, um das bereits in der Provinz vorhandene Arbeitskräftepotential auszuschöpfen. Luther bekundete, dass Südtirol eher geringqualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland anziehe. So würde nur einer von sechs sogenannten „Neubürgern“ eine hochqualifizierte Arbeit ausüben. Zudem habe Südtirol 30 Prozent der ausländischen Arbeitskräfte, die seit 2007 im Land arbeiteten, verloren.
    „Wir müssen alle Wege nutzen, um Südtirol als Arbeitsstandort attraktiv und wettbewerbsfähig zu erhalten“, meinte Amhof. Gemeinsam mit dem Arbeitsmarktservice und den Sozialpartnern arbeite man dementsprechend an einer Arbeitsmarktstrategie zum Jahr 2030 und darüber hinaus.

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Herta Abram Fr., 13.06.2025 - 20:25

Wendepunkt? Die geburtenstarken Jahrgänge kommen ins Rentenalter und die damit einhergehenden demografischen Veränderungen stellen das Land vor Herausforderungen.
Doch die junge Generation, die demnächst Verantwortung übernehmen soll, ist eine Minderheit, deren Lebensrealität geprägt ist von Bildungsungleichheit, Dauerkrisen und dem stetigen Gefühl, politisch und gesellschaftlich übersehen zu werden. Es braucht ein Umdenken: Kinder müssen aus ihrer Außenseiterposition ins Zentrum gerückt werden, nicht nur als moralische Verpflichtung, sondern als essenzielle Notwendigkeit für eine lebenswerte Zukunft.
Soll heißen: Kinder in den Fokus zu nehmen. Staatlich, gesellschaftlich und eben auch gesetzlich.(Generationengerechtigkeit!)
Davon hängt auch die Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft ab.
- Aufwertung des Lehrerberufs, KindergärtnerInberufs, Tagesmutter/Vater, Kitapersonal, und sowieso alle die Kinder gut begleiten wollen gehört dazu!

Fr., 13.06.2025 - 20:25 Permalink