Marillen: Vom Obstgarten auf den Teller

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Kaum eine Frucht steht so sehr für den Sommer in Südtirol wie die Marille. Ursprünglich aus Zentralasien stammend, gelangte sie über Armenien in den Alpenraum – und fand im Vinschgau ihr perfektes Zuhause.
In den sonnigen Lagen des Vinschgaus entwickelt sie ein besonders intensives Aroma: zart in der Größe, doch voller Geschmack. Ihr feines Spiel aus Süße und Säure macht sie unverwechselbar. Seit dem 19. Jahrhundert wird sie hier angebaut – meist in kleinbäuerlichen Betrieben, mit viel Handarbeit und Herzblut. Tagsüber heiß, nachts kühl – genau das lieben Marillen.
Südtiroler Marillen gelten heute als besonders geschmackvoll. Sie werden von Hand geerntet, mit Sorgfalt und Erfahrung. Die Erntezeit beginnt – je nach Wetter – Anfang Juli und dauert nur wenige Wochen.
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Zwischen Tradition und Trend
In der Südtiroler Küche ist die Marille längst ein Star – ob als Marmelade oder in flaumigen Knödeln, die Kindheitserinnerungen wachrufen. Doch sie kann noch viel mehr.
Das harmonische Zusammenspiel von Süße und Säure macht sie auch in herzhaften Gerichten zum besonderen Genuss. Ein Marillen-Chutney zu würzigem Almkäse oder zartem Grillfleisch? Unbedingt ausprobieren – es lohnt sich.
Auch in der modernen Küche zeigt sie Charakter. In Bowls bringt sie frische Leichtigkeit, fermentiert überrascht sie mit feiner Säure, und als Sauce über geröstetem Gemüse sorgt sie für aromatische Tiefe.
Gerade die vegetarische Sommerküche profitiert von ihrer Vielseitigkeit:
- Im Salat mit Ziegenkäse
- Als Topping auf einem knusprigen Flammkuchen
- Oder fein püriert als Basis für ein raffiniertes Dressing
Tipp: Marillen lieben Gegensätze – kombiniere sie mit Pfeffer, Kräutern oder mildem Käse und entdecke neue Geschmackskombinationen.
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Praktische Tipps zur Verarbeitung
Marillen sind empfindlich – ein kühler Platz oder schnelle Verarbeitung sind Pflicht. Überreife Früchte nicht wegwerfen! Sie lassen sich wunderbar zu Kompott, Sorbet oder Fruchtleder verarbeiten.
Wer den Stein sauber lösen will: Frucht entlang der Naht einschneiden, leicht drehen – wie bei einer Avocado. Funktioniert besonders gut bei reifen Exemplaren.
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Marillen-Ricotta-Galette mit Thymian und Honig
Zutaten (für 4 Personen):
- 150 g Dinkelmehl (Type 630)
- 100 g kalte Butter, gewürfelt
- 1 Prise Salz
- 2 EL kaltes Wasser
- 250 g reife Marillen, entsteint, in Spalten
- 150 g Ricotta
- 1 TL Zitronenabrieb
- 1 EL Honig (alternativ: Ahornsirup)
- Frischer Thymian
- 1 Eigelb (zum Bestreichen)
- Etwas brauner Zucker zum Bestreuen
Zubereitung:
- Mehl, Butter und Salz rasch zu einem Mürbeteig verkneten. Bei Bedarf Wasser zufügen. In Folie wickeln und 30 Min. kaltstellen.
- Backofen auf 200 °C (Ober-/Unterhitze) vorheizen.
- Ricotta mit Zitronenabrieb und Honig verrühren. Teig rund ausrollen (ca. 30 cm Durchmesser) und auf ein Backpapier legen.
- Ricotta auf dem Teig verteilen, dabei 3 cm Rand lassen. Marillenspalten fächerförmig darauflegen. Thymian darüberzupfen.
- Teigrand nach innen klappen, mit Eigelb bestreichen, mit braunem Zucker bestreuen.
- Ca. 30 Minuten goldbraun backen. Lauwarm servieren.
Tipp:
Ein Klecks griechischer Joghurt oder eine Kugel Vanilleeis passt hervorragend dazu. Für eine herzhaftere Variante Ricotta mit etwas Ziegenkäse mischen.Weinbegleitung:
Diese Galette schmeckt besonders gut zu einem Glas Südtiroler Gewürztraminer oder einem leicht gekühlten Rosé. -
Saisonale Rituale
In vielen Südtiroler Familien hat das Einkochen der Marillenmarmelade fast schon rituellen Charakter. Wenn in der Küche Marillen eingekocht werden, liegt dieser unverwechselbare Duft in der Luft – süß, fruchtig, voller Sommer.
Meine Mutter hat das jeden Juli gemacht. Ich sehe uns noch: Gläser bereit, Holzlöffel im Topf, klebrige Finger. Am liebsten mochte ich die Omelettes danach – mit einem dicken Klecks Marillenmarmelade. Mein Lieblingsfrühstück damals wie heute. Und sie schmecken noch immer genauso gut. Auch das Knödelrollen gehört dazu – Hände im Teig, Lachen am Küchentisch. Solche Momente halten Rezepte und Erinnerungen lebendig.
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Marillen in aller Welt
Was bei uns die Marille ist, kennt man anderswo als Aprikose – und sie spielt weltweit eine köstliche Rolle.
In der türkischen Küche wird sie gern getrocknet und zu süßem Reis oder Fleischgerichten kombiniert. Im Iran ist sie Teil jahrhundertealter Eintöpfe, wo ihre Fruchtigkeit wunderbar mit Safran und Zimt harmoniert.
In China, wo die Frucht ursprünglich beheimatet ist, gelten Aprikosenkerne als Heilmittel. Marillenkompott findet man dort kaum – dafür fermentierte Varianten, die als Snack oder Gewürz verwendet werden.
Frankreich macht sie zur Kunst: In der Provence verfeinert man Tartes mit frischen Aprikosen, manchmal in Kombination mit Lavendelhonig.
In Marokko gibt es Tajines mit Huhn, Zimt und getrockneten Aprikosen – eine süß-herzhafte Kombination, die auch bei uns Nachahmer findet.Ob orientalisch, mediterran oder alpin: Die Marille passt sich an, bleibt aber immer sie selbst – süß, fruchtig, sonnengereift.
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Gesund und vielseitig
Sie enthalten viel Beta-Carotin, Vitamin C und Kalium. Neben dem hohen Gehalt an Antioxidantien unterstützt die Marille mit ihren Ballaststoffen die Verdauung – und das bei nur rund 40 Kalorien pro 100 Gramm.
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