Wirtschaft | Stimmungsbild

Das AFI-Sommer-Barometer

Die meisten Sorgen bereiten den Südtiroler Arbeitnehmer*innen die eigene Rente, die Zukunft der Kinder und die hohe Inflation. Es bleiben unsichere Zeiten.
Die Antworten auf die Fragen im Sonderteil der Sommerausgabe des AFI-Barometers sprechen Klartext: In Bezug auf die Zukunft herrscht große Ungewissheit. Die Südtiroler Arbeitnehmer*innen sind vor allem um ihre Rente und die berufliche Zukunft ihrer Kinder und weniger um ihren Arbeitsplatz besorgt. Zudem befürchten sie, die eigenen Ersparnisse könnten an Wert verlieren oder gar schwinden. Offensichtlich setzen die hohe Inflationsrate der letzten Monate und die stagnierenden Löhne zu. „Die Angst um die Renten sollte zu denken geben. Die aktuelle Bevölkerungsentwicklung und das Beitragssystem sind Anlass zur Sorge, da die Renten nicht mehr für ein würdevolles Leben ausreichen könnten“, sagt AFI-Präsident Andreas Dorigoni.
Was bereitet den Südtiroler Arbeitnehmer*innen Kopfzerbrechen und was sind zurzeit die wichtigsten Themen im Land? Auf diese zwei Fragen geht das AFI | Arbeitsförderungsinstitut in der Sommerausgabe des Barometers ein. Was die Sorgen betrifft, wurden den Befragten bei der Erhebung dieselben Fragen wie 2015 gestellt, als das AFI eine ähnliche Umfrage gestartet hatte. Um die bedeutendsten Themen zu ermitteln, hat man sich hingegen an die Erhebung des Wiener Forschungsinstituts Demox Research angelehnt. Diese wurde im März 2023 als repräsentative Stichprobe der gesamten Südtiroler Bevölkerung ab 18 Jahren durchgeführt.
 

Die Sorgen Nummer Eins

 
Aus der Erhebung geht eine große Besorgnis der Südtiroler Arbeitnehmer*innen um ihre Rente hervor: 82 Prozent erklären, sehr oder eher besorgt zu sein, in Zukunft keine angemessene Rente zu erhalten.
An zweiter Stelle folgt die Sorge um die berufliche Zukunft der eigenen Kinder oder der Jugend im Allgemeinen (75 % der Befragten). Dabei sei wahrscheinlich nicht so sehr die Arbeitssuche an sich, die laut anderen Statistiken kein Problem zu sein scheint, Anlass zur Sorge, sondern vielmehr die Möglichkeit, eine stabile und gut bezahlte Arbeit zu finden.
 
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Auf dem dritten Platz finden wir die Angst vor einem Wertverlust der eigenen Ersparnisse, die fast zwei von drei Arbeitnehmer*innen Kopfzerbrechen bereitet. Dazu AFI-Forscherin Maria Elena Iarossi: „Die Inflation und die steigenden Zinsen der Darlehen bereiten den Familien große Schwierigkeiten: Die Sparfähigkeit sinkt und oft muss auf Erspartes zurückgegriffen werden.“
71 Prozent der Befragten befürchten, im fortgeschrittenen Alter die eigene Arbeit nicht mehr zu schaffen. „Damit es nicht so weit kommt, ist es besonders wichtig, für eine hohe Arbeitsqualität zu sorgen, zum Beispiel durch Minimierung der Stressfaktoren und Aufbesserung des Arbeitsklimas. Andererseits muss aber auch die eigene Beschäftigungsfähigkeit beibehalten werden. Hier spielt wiederum die lebenslange Fortbildung eine große Rolle", fügt Iarossi hinzu.
Rund zwei von drei Arbeitnehmern*innen sind „sehr“ oder „eher“ besorgt, nicht genügend Geld zum Leben zu haben bzw. in Notsituationen nicht genügend finanzielle Hilfe oder Betreuung von der öffentlichen Hand zu erhalten.
 

Die wichtigsten Themen in Südtirol

 
Bei der zweiten Frage des Sonderteils wurden die Befragten gebeten, bestimmten aktuellen Themen eine Punktezahl zwischen 0 (vollkommen unbedeutend) und 10 (sehr bedeutend) zuzuteilen. „Zunächst ist hervorzuheben, dass allen Themen eine recht hohe Punktezahl zugeteilt worden ist: Die Durchschnittswerte gehen von einem Mindestwert von 7,9 bis zu einem Höchstwert von 9,0 Punkten. Kein Thema kann daher als unbedeutend eingestuft werden“, betont Iarossi.
Bei einer genaueren Betrachtung der höchsten Punktezahlen (zwischen 8 und 10 Punkten) wird deutlich, dass vor allem Gesundheit, Sanität und Hausärztemangel als Problem empfunden werden: 89 Prozent der Südtiroler Arbeitnehmer*innen haben diesem Thema zwischen 8 und 10 Punkten zugeteilt. Hier seien ganz klar die Folgen der Pandemie und des Mangels an angemessenen Lösungen für die Verbesserung der Dienste, die eigentlich am Ende der Corona-Zeit zu erwarten gewesen wäre, zu spüren.
 
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Wiederum 89 Prozent, allerdings mit einigen Zehntelprozenten weniger, nennen den Klimawandel als bedeutendes Thema, über das in letzter Zeit auch in den Medien heiß diskutiert wird. An dritter Stelle steht die Sorge um die steigenden Lebenshaltungskosten, unter denen die Arbeitnehmer*innen in den letzten Monaten direkt gelitten haben und denen 88 Prozent der Befragten zwischen 8 und 10 Punkten zuordnen. Es lasse sich nicht leugnen, dass die ungewohnt hohe Lebensteuerungsrate konkrete Auswirkungen auf den Alltag hat – von den jüngsten Erhöhungen der Darlehens- und Kreditkosten ganz zu schweigen, zu denen es infolge der steigenden Zinsen gekommen sei.
In einem gewissen Abstand folgen schließlich noch die anderen Themen wie Arbeitsmarkt, Bildung, (Massen)-Tourismus, Bürokratie, Verkehr und Wohnen. Das Schlusslicht bilden hingegen die Themen der Zuwanderung und Sicherheit. In beiden Fällen macht der Teil der Antworten mit mehr als 8 Punkten rund 66 Prozent aus.
 

Das AFI-Barometer

 
Das AFI-Barometer wird viermal im Jahr erhoben (Frühjahr, Sommer, Herbst und Winter) und gibt das Stimmungsbild der Südtiroler Arbeitnehmer wieder. Die Erhebung besteht aus einer telefonischen Umfrage von 500 Südtiroler Arbeitnehmer*innen vor und ist für Südtirol repräsentativ. Die Telefonbefragung für die Sommerausgabe des AFI-Barometers wurde vom 1. bis 20. Juni 2023 durchgeführt.
 
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Andreas Thanei Do., 13.07.2023 - 15:07

Italien ist leider das neue Billiglohnland, die Löhne und Gehälter wurden schon seit 20 Jahren nur homöopatisch angepasst. Aber zum Glück hat Südtirol die weltbeste Autonomie und die beste Arbeitnehmervertretung im Landtag, die werden das schon machen ...

Do., 13.07.2023 - 15:07 Permalink
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G. P. Do., 13.07.2023 - 16:28

Wer zahlt eigentlich immer diese "Barometer", Umfragen, Erhebungen von AFI, EURAC usw. Die sind doch das Papier nicht Wert, auf dem sie gedruckt sind.
Erstens, um zu den Ergebnissen zu kommen, bräuchte es meistens keine Umfrage oder dergleichen, sondern einfach Hausverstand. Und zweitens, welche effektiven Schlüsse zieht man aus den Ergebnissen, außer Blablabla und dass die Medien etwas zum Schreiben haben?

Do., 13.07.2023 - 16:28 Permalink
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Dietmar Nußbaumer Do., 13.07.2023 - 21:23

Der Artikel ist interessant und gibt ziemlich genau die Stimmung des Mittelstandes wieder. Wer die Sinnhaftigkeit solcher Umfragen anzweifelt gehört wohl zu den wenigen Bevorteilten, für die Geld keine Rolle spielt.

Do., 13.07.2023 - 21:23 Permalink
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MAYR Karl Do., 13.07.2023 - 22:42

Nehme an, daß man sich bei der Telefonbefragung an Personen mit Fixtelefonen wendet. Sollte dies der Fall sein, zweifle ich deren qualitative Repräsentativität an, da die jüngeren Jahrgänge wohl kaum über Festnetztelefone erreicht werden können.

Do., 13.07.2023 - 22:42 Permalink