Kultur | Salto Afternoon

Jean-Luc Godard

Der große französische Regisseur und Drehbuchautor ist tot. Doch mehr als das war er einer der wichtigsten Erneuerer des Weltkinos. Ein Nachruf.
Godard
Foto: Godard

Die Veränderung kam unerwartet und in schlichter Form. Als eine Handvoll junger, französischer Filmkritiker es Anfang der 1960er Jahre für nötig hielten, das Kino zu reformieren, war unter ihnen der kaum dreißig-jährige „Cahiers du Cinema“-Redakteur Jean-Luc Godard. Nach einigen Gehversuchen im Dokumentarkurzfilm verfilmte er 1960 ein Drehbuch seines Wegbegleiters und Freundes François Truffaut. Der Film parodierte amerikanische Hard Boiled-Streifen, spielte mit Klischees wie dem Antihelden und der Femme Fatale des Film Noir, und trug den Titel „Außer Atem“. Für die Zeit beinahe dokumentarisch mit Handkamera gedreht, ohne Rücksicht auf Kontinuität oder Logik geschnitten, wie ein Gedankenstrom, oder ein Traum, dem der Film als Medium ja generell ähnelt. Der in seinem Inhalt schlichte Film, der formal aber Grenzen aufbrach und es dem alteingesessenen Hollywood mal so richtig zeigte, hatte einen enormen Einfluss auf das Weltkino. Plötzlich waren Filme nicht nur Studio-Produktionen, Godard zeigte, dass man als junger Kreativer eine Kamera in die Hand nehmen, und seine eigene Stimme auf Zelluloid bannen konnte. Man brauchte nicht länger die Erlaubnis der Großen, um zu spielen. Im Laufe der 60er Jahre politisierte sich Godard immer mehr, liebäugelte mit dem Kommunismus, und entsprechend politischer wurden seine Filme. Er forderte vom Kino, hemmungslos politisch zu sein, was letztlich auch zum Bruch mit Truffaut führte, dem er Anbiederung an das (amerikanische) Kino vorwarf. Durch seine ideologische Ausrichtung, die weiterhin immer in seine Filme einfließen sollte, provozierte er viele. Dennoch konnten ihm selbst seine Gegner nicht die große künstlerische Leistung absprechen, und den Einfluss, den sein Werk auf das Medium hatet und bis heute hat. Vielen gilt Godard als pseudo- intellektuell, als Blender, doch kaum ein Regisseur verließ sich weniger auf die blendende Wirkung cineastischer Bilder. In seiner Radikalität war Godard stets schlicht. Formal brach er jede erdenkliche Regel, was dazu führte, dass sie heute wiederum als neue, filmische Regeln gelten, und nur selten gebrochen werden. Er drehte Filme über das Kino, Filme, die sich stets bewusst waren, eben das zu sein. Die Illusion, die andere Regisseure zu erschaffen versuchen, gab es bei Godard nie. Seine Figuren sprechen zum Publikum, brechen die vierte Wand, ein Stilmittel, welches heute zum Grundkonzept ganzer Serien (siehe House of Cards) zählt. Im Laufe der Jahrzehnte entfernte sich Godard immer weiter vom klassischen Erzählen. Seine Filme wurden zunehmend experimenteller, bis hin zu einem Spätwerk, das sich komplett von der Geschichte löst, und das Medium Film zum Thema nimmt. Essayistisch untersuchte Godard in seinen letzten Filmen das Kino, montierte Historie und schuf neuen Kontext. Es waren Werke, die es schwer hatten, regulär im Kino zu laufen, doch es sei empfohlen, sie auf anderen Wegen nachzuholen.

 


Bis heute gilt Godard in Frankreich, aber auch international als Wegbereiter. Er war zunächst Filmkritiker, der das Medium verstanden hatte, und es nur deshalb verändern konnte. Er war Regisseur mit Mut und Willen zur Revolution. Er war Drehbuchautor, von dem man sagen kann, Literat mit philosophischem Charakter zu sein. Er war ein durch und durch politischer Mensch, nicht scheu, dies in seiner Kunst zu zeigen. Er war bis zuletzt das Gesicht des französischen Kinos, einer der Väter der Auteur-Theorie, einer, der stets frei von Trends war, und sich niemals anpasste. In den 60er Jahren war er für den Film das, was Bob Dylan für die Musik war. Wer das zeitgenössische Kino verstehen möchte, dem seien seine Filme ans Herz gelegt. Jean-Luc Godard starb am 13. September im Alter von 91 Jahren in Paris.
 

Wer nun Lust auf Godard hat, dem sei folgende Auswahl empfohlen:

Außer Atem

Masculin Feminin

Die Außenseiterbande

Elf Uhr Nachts

Die Verachtung

Détective

Bildbuch

 

Viele von Godards Filmen finden sich auf der Streaming-Plattform des amerikanischen Labels Criterion. In diesem Trailer erhält man einen guten Eindruck von Godards filmischer Vielfältigkeit.