Politik | Wahlen/Elezioni 23

„Als Beamter kann man Nein sagen“

Weg vom „Handaufheben“ hin zur Team-Arbeit. Das verlangt die Politik von heute, sagt Laura Nogler Nicolussi, die für Thomas Widmanns neue Liste kandidiert.
Laura Nogler Nicolussi
Foto: Privat
  • SALTO: Frau Nogler Nicolussi, Sie waren SVP-Gemeinderätin und kandidieren nun für die Liste „Für Südtirol mit Widmann“. Warum? 

    Laura Nogler Nicolussi: Ich habe zweimal für die SVP in der Gemeinde Ritten kandidiert und konnte dabei auf die Unterstützung meiner Fraktion Lengstein zählen. Für mich war es immer wichtig, die Angelegenheiten offen zu diskutieren. Nachdem es seinerzeit bei den Gemeinderatssitzungen üblich war, immer die Hand aufzuheben, bin ich mit meinem Nachfragen oft angeeckt. Ich habe gespürt, dass eine kritische Diskussion in dieser Struktur SVP nicht gewünscht war. Dennoch konnte ich einige Projekte umsetzen wie beispielsweise den Schulbau in Lengstein. Ich kann mich noch an einen Termin mit dem damaligen Landeshauptmann Luis Durnwalder erinnern, wo mir im Vorfeld erklärt wurde, dass man es hier mit einer Struktur zu tun habe, die man respektieren müsse. 

    Eine Bittgangprozession?

    (lacht) Es hatte ein wenig diesen Anschein. Vielleicht war ich damals schon zu offen mit meinen Ansätzen.

  • Werdegang

    • Seit 2018 Chief Financial & Administration Office der Infranet AG, Bozen
    • 2013 – 2018 Generaldirektorin der Südtirol Finance AG, Bozen
    • 2015 – 2018 Mitglied des Beratungskomitees des Strategie Fonds Trentino Südtirol
    • 2013 Koordinatorin des Wirtschaftsbereiches des Landesinstitutes für Statistik Astat
    • 2010 – 2020 Mitglied Gemeinderat Ritten, SVP
    • 2011 – 2013 Mitglied Verwaltungsrat Laborfonds
    • Seit 2000 Mitglied in Aufsichtsgremien von Privatunternehmen und öffentliche Einrichtungen
    • 1998 – 2012 Tätig bei der Finanzabteilung Autonome Provinz Bozen
    • 1994 – 1997 Rechnungsprüferin bei der Wirtschaftsprüfergesellschaft Revisa GmbH Bozen

    Kandidieren Sie deshalb für Thomas Widmann?

    Thomas Widmann hat drei gute Qualitäten: Er ist ein Team-Player, das heißt, dass er eine Mannschaft von 22 Personen hat, die Macher sind und in den Bereichen, in denen sie sich eingesetzt haben, die Sachen weitergebracht haben. Um eine gute Mannschaft zu formen, braucht es aber einen Leader. Thomas ist ein solcher Leader und nimmt sie alle mit. Zweitens kann er aus der Vergangenheit lernen, bleibt nicht stehen und schaut in die Zukunft. Drittens muss ein Politiker Visionen haben. Auch die hat er, was man am Beispiel Mobilität sehen kann. Diese Kombination ist die Voraussetzung, um Sachen voranzubringen. Es bringt nichts, in der Vergangenheit stehen zu bleiben. Wenn man Entscheidungen trifft, macht man Fehler – aber man muss aus ihnen lernen. Wir sind heute, was wir sind und wir müssen nach vorne schauen. 

    Sie beschreiben die Trennung Widmanns von der SVP und die Gründung der neuen Liste als einen Glücksfall.

    Ja, absolut. Unsere Liste ist eine Ergänzung zur SVP, weil sie eine Modernisierung und Öffnung ermöglicht, die dringend notwendig ist. Wir sind alles Kandidaten, die eine positive Grundhaltung mitbringen. Kurz gesagt: Wir machen das gerne, weil wir eine super Erfahrung mit diesem Team machen, in dem sich jeder respektiert und in dem wir uns ergänzen. In der Vergangenheit habe ich eine Politik kennengelernt, in der vor allem das „Ich“ zählte. Jeder hat die Entscheidungen für sich getroffen. Die Themen heute sind jedoch zu komplex und zu verzahnt, als dass man mit dieser Ich-Politik weiterkommen würde.

  • Können Sie ein Beispiel nennen?

    Es braucht in der Politik eine Vision, dann müssen die Ziele gesteckt sowie Lösungsmöglichkeiten gefunden und ein Zeitrahmen vorgegeben werden. Nehmen wir das Beispiel Klimawandel, wo das Ziel die Klimaneutralität ist. Der Weg dahin führt über die öffentlichen Verkehrsmittel und dafür müssen die entsprechenden Maßnahmen gesetzt werden. Diese bestehen in einem flexiblen Angebot, das leistbar sein muss. Ebenso muss die Sicherheit gewährleistet sein. Es nützt nämlich nichts, wenn ich das Angebot erhöhe, die Sicherheit aber nicht gegeben ist. Bei diesem Beispiel sind vier verschiedene Bereiche involviert: Mobilität, öffentliche Sicherheit, soziale Maßnahmen und schlussendlich muss dieses Angebot auch finanziert werden. Das bedeutet, dass vier Landesräte zusammenarbeiten müssen. Politik funktioniert nur, wenn gemeinsam an solchen Visionen gearbeitet wird. 

  • „Die Themen heute sind jedoch zu komplex und zu verzahnt, als dass man mit dieser Ich-Politik weiterkommen würde.“

  • Was derzeit nicht der Fall ist?

    Es ist verloren gegangen. Weil jeder versucht, Maßnahmen in seinen eigenen Bereichen zu setzen. Das funktioniert aber nicht, weil alles zusammenhängt: Tourismus und Verkehr. Es bringt nichts, wenn die Einheimischen die öffentlichen Verkehrsmittel benutzen, die Gäste aber mit dem Auto anreisen. So kann ich das Ziel Klimaneutralität nicht erreichen. Vor diesem Hintergrund spielt die Effektivität bzw. die Frage, ob die Ziele erreicht wurden, eine entscheidende Rolle. 

    Die Kontrolle über die Ergebnisse?

    Ja, ein Politiker muss dahingehend bewertet werden, ob die Ziele erreicht wurden.

    Wie würde Ihre Bewertung der vergangenen zehn Jahre aussehen?

    Eine Bewertung wäre ungerecht, weil ich nicht alle Daten kenne. Es wurden sicher Projekte umgesetzt, andere wiederum nicht. Tatsache jedoch ist, dass die Herausforderungen heute sehr komplex sind und eine andere Art von Politik verlangen. Kompetenzen müssen gebündelt werden und vor allem muss gemeinsam gehandelt werden. Nicht die individuellen Besonderheiten dürfen im Vordergrund stehen, sondern das Gesamte muss gesehen werden. Deshalb spielt auch die Kohärenz eines Politikers eine entscheidende Rolle. 

    Das bedeutet?

    Ich sage, was ich denke und setze um, was ich sage. Das erwarte ich mir persönlich von einem Politiker. Nach fünf Jahren können die Wähler dann bewerten, ob das Versprochene umgesetzt wurde oder nicht und anschließend in der Wahlkabine erneut entscheiden. 

  • Laura Nogler Nicolussi mit Thomas Widmann (li.): „Ich sage, was ich denke und setze um, was ich sage.“ Foto: Für Südtirol mit Widmann

    Der Landtag gleicht bisweilen allerdings eher einem Kampfplatz verschiedener Interessensgruppen, wo jeder versucht, seine Vorstellungen durchzusetzen. 

    Es braucht immer eine Gesamtvision und einen Team-Player, der fähig ist, die verschiedenen Gruppen unter einem gemeinsamen Interesse zu vereinen. Man muss nämlich aufpassen: Wenn zwei sich streiten, profitiert gewöhnlich ein Dritter. Und dieser Dritte teilt vielleicht nicht dieselben Werte und Traditionen. Es liegt in der Verantwortung der Politiker, dass eine sachliche Politik betrieben wird. Nehmen wir das Beispiel Innovation. Innovation beschränkt sich nicht nur auf den Bau von Gebäuden, sondern beinhaltet auch beispielsweise Software. Damit die jungen Leute im Land bleiben und wir neue Fachkräfte dazu gewinnen können, müssen die Rahmenbedingungen wie leistbares Wohnen passen. Es ist mir unverständlich, weshalb Südtirol, das in dieser Hinsicht eine Vorreiterrolle spielen könnte, nicht Projekte auf Euregio-Ebene voranbringt. Wir haben unterschiedliche Bestimmungen hinsichtlich von Start-Up-Unternehmen, die augenscheinlich dazu dienen, sich gegenseitig Konkurrenz zu machen. Siehe beispielsweise die Erleichterungen bei der IRAP-Steuer. Dieses gegenseitige Abwerben macht aber überhaupt keinen Sinn, dafür ist der Raum einfach zu klein. Sinnvoller wäre es, in der gesamten Euregio dieselben Bedingungen zu schaffen, dann könnte ein Mehrwert für alle geschaffen werden. 

  • Sind die beiden Bücher „Freunde im Edelweiß“ und „Geschäft mit der Angst“ ein Thema in Ihrer Bewegung?

    Man lernt und wird besser – und bleibt vor allem nicht stehen. Als Außenstehende ist es natürlich schwierig, eine Bewertung vorzunehmen. Aber was den SAD-Skandal betrifft, muss man meiner Meinung nach zwischen der politischen Verantwortung und der Verantwortung der zuständigen Beamten unterscheiden. Der Politiker muss die Ziele vorgeben, die Umsetzung liegt jedoch bei den Beamten, welche die Gesetzeslage kennen und auf dieser Grundlage eine Entscheidung treffen. Ein Beamter kann ja oder nein sagen. 

    Tatsächlich? 

    Ich habe in der Vergangenheit öfters nein gesagt. 

    Und die Konsequenzen?

    Keine dramatischen. Man macht vielleicht nicht so schnell Karriere. Wie bereits gesagt, muss man mit sich selbst kohärent sein. Probleme und Skandale entstehen auch dadurch, wenn bestimmte Leute nicht nein sagen. Das Management bzw. die Beamtenschaft muss gemäß seiner Professionalität handeln. Als 2016 die Südtirol Finance AG und die BLS in einer Landesgesellschaft zusammengelegt werden sollten, hat Christoph Franceschini in seinem Bericht darüber geschrieben, dass mancher in der Landesverwaltung keine Manager will, sondern lieber Befehlsempfänger. Dadurch entstehen die Probleme. 

    Was macht ein kompetenter Manager, wenn er einen unfähigen Politiker vor sich hat.

    Es gibt keine unfähigen Politiker, es gibt unerfahrene Politiker. Jeder Politiker will Ziele erreichen und er weiß, dass das zwar ein langfristiger Prozess ist, aber jede Wahl einer Bewertung gleichkommt. Wenn er die gesteckten Ziele nicht erreicht, wird er abgewählt. Also sollte jeder Politiker froh sein, wenn er ein gutes Team um sich weiß. Der Manager zeigt dem Politiker schließlich wie er seine Ziele erreichen kann. Ich erreiche diese Ziele aber nicht, wenn ich Marktverzerrung betreibe und um nichts anderes ging es im SEL- oder SAD-Skandal. Ein Manager weiß, was Marktverzerrung und Governance ist und weiß, wie man auf dem Markt vorgeht. Er kennt auch den Unterschied zwischen einer Inhouse-Gesellschaft und einer frei auf dem Markt operierenden Gesellschaft. Ein Politiker muss das nicht unbedingt wissen, auch wenn er es wissen sollte. 

  • „Will ein Politiker Ja-Sager?“

  • Als Mitarbeiterin in der Finanzabteilung der Autonomen Provinz Bozen hatte ich mit Fernando Bettega einen großartigen Vorgesetzten, der mit viel Hausverstand an die Lösung von Problemen heranging. Als Techniker schließt man die nicht machbaren Lösungen aus und legt dem Politiker jene vor, die umsetzbar sind. Auf dieser Basis kann der Politiker entscheiden. Mir stellt sich aber die Frage, ob der Politiker heute alle Informationen bekommt, um die richtige Entscheidung treffen zu können. Oder wurde die Entscheidung bereits im Vorfeld von den Beamten getroffen?

    Das hört sich so an, als wäre die Beamtenschaft der wahre Entscheidungsträger im Land.

    Man muss sich die Frage stellen, ob die Ziele der Beamten und der Politiker dieselben sind. Man muss sehen, ob das tatsächlich zutrifft bzw. sollte jeder seine Rolle erfüllen. Wenn der Beamte, Manager und Politiker seine Rolle kennt und gemäß dieser handelt, dann ist es ein Miteinander. 

    Insbesondere im Sanitäts-Ressort war über die vergangenen Jahre hinweg von Machtkampf die Rede.

    Die Frage lautet: Will ein Politiker Ja-Sager? Oder schlimmer vielleicht noch, selbst die Funktion des Managers ausüben. 

    Etwas, das auch Thomas Widmann vorgeworfen wurde.

    Nein! Thomas Widmann ist ein Politiker. Als er das Mobilitäts-Ressort geleitet hat, hat er den Beamten nicht vorgeschrieben, wie sie was zu machen haben. Er hat die Entscheidungen mitgetragen, aber sicher nicht die einzelnen Entscheidungen getroffen – auch nicht in der Sanität. Er unterscheidet sehr wohl zwischen Politik und Verwaltung. Natürlich muss man dafür auch kompetente Verwalter haben. Viele Beamte in unserem Land machen eine hervorragen Arbeit und deshalb ist es immer sehr gefährlich, wenn man alles in einen Topf wirft. Wenn ich in die Politik gehe, bringe ich als ehemalige Verwaltungsbeamtin im Landesdienst ein großes Fachwissen in den Belangen Finanzen, Verwaltung und Infrastrukturen mit, ich weiß aber, dass Verwaltung und Politik zwei vollkommen unterschiedliche Jobs sind. 

    Laut Umfragen der Dolomiten und der SWZ werden der Liste Widmann zwei Sitze zugetraut. Wieviel rechnen Sie sich aus?

    Das Potential liegt zwischen zwei und vier Mandaten. Die Entscheidung treffen jedoch die Wähler und derzeit beschäftigen wir uns nicht mit Spekulationen, sprich es wird intern nicht thematisiert. Aber natürlich wollen wir mehr als zwei Sitze.  

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Josef Fulterer Fr., 13.10.2023 - 20:31

Mehrmals die SVP-Parteikasse bis zur Zahlungsunfähigkeit leer greräumt,
den Gatterer gemästet,
bei der Sanität nichts weiter gebracht,
große Klappe und nichts dahinter,
daben Sie als Verwaltungsbeamtin, wohl nicht auf das richtige Pferd gesetzt Frau Laura Nogler Nicolussi.

Fr., 13.10.2023 - 20:31 Permalink
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Factum Est Sa., 14.10.2023 - 12:51

Frau Kandidatin und Ex Mitglied des Verwaltungsfonds Laborfond kann sicher erklären wieso ein öffentlicher Angestellter im Gegensatz zum Privaten nicht umgehend für die Auszahlung eines Teils des Laborfonds zugreifen kann. in Beiden Fällen handelt es sich um persönlich eingezahltes Kapital.

Sa., 14.10.2023 - 12:51 Permalink
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Klemens Riegler Mo., 16.10.2023 - 22:47

Zitat: "Der Politiker muss die Ziele vorgeben, die Umsetzung liegt jedoch bei den Beamten, welche die Gesetzeslage kennen und auf dieser Grundlage eine Entscheidung treffen. Ein Beamter kann ja oder nein sagen. "
Mehrere diesbezügliches Probleme auf der aktuellen Verwaltungsbühne:
- "... kann ja oder nein sagen" ... passt, solange Beamte und Manager laut Gesetz operieren und nicht dagegen arbeiten, weil sie die politischen Vorgaben aus welchen Gründen auch immer nicht mittragen wollen.
- Ich möchte nie ein Beamter sein und einem Widmann "NEIN" sagen müssen.
- Auf höheren Positionen (Amtsdirektoren, Ressortchefs ...) in der Landesverwaltung finden sich inzwischen freilich auch Leute verschiedenster Couleur, Ausrichtung und Parteiangehörigkeit. Nicht alle machen dabei wirklich "ihren" vom Arbeitsvertrag vorgesehenen Job. Oder arbeiten sogar gegen die politische Linie ... oder auch gar nicht.
- Was macht ein Landeshauptmann namens Kompatscher, Knoll, Widmann, Foppa usw. wenn ihre Verwaltung- und Managerebene nicht zu ihren jeweiligen "Teams" gehören?
JEDENFALLS ... das ist eine bisher kaum aufgeworfene Situation oder ein kaum ausgesprochenes Thema. Und des gibt auch Beamte und Manager, die "Politiker spielen" ...

Mo., 16.10.2023 - 22:47 Permalink
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Peter Gasser Di., 17.10.2023 - 08:45

Zitat: „Als Beamter kann man Nein sagen“:
Das ist, mit Verlaub, etwas wirklichkeitsfern...
.
„Ein (einfacher) Beamter, der nein sagt“ bekommt zuerst eine Dienstanweisung;
sagt er dann noch immer „nein“, folgt das Disziplinarverfahren.

Auf jeden Fall ist seine „Karriere“ vorbei.

Di., 17.10.2023 - 08:45 Permalink