Politik | Italiener

„Eine Kampagne des Alto Adige“

Landeshauptmann Arno Kompatscher über den zurückgekehrten Disagio der Italiener und seine Überzeugung, dass der Alto Adige damit nur seine Leser beruhigen will.
ak_d4c4323-neo2.jpg
Foto: SVP-Mediendienst
Salto.bz: Herr Kompatscher plötzlich ist der „disagio dei italiani“ in Südtirol wieder ein beherrschendes Thema. Trauen die Südtiroler Italiener Ihnen als Landeshauptmann nicht?
 
Arno Kompatscher: Nein, ich denke nicht, dass das der Fall ist. Ich bin überzeugt, dass es vor allem eine Zeitung ist, die dieses Thema jetzt in den Vordergrund spielt.
 
Sie meinen den Alto Adige. Die Frage aber ist: Warum?
 
Vielleicht um zu beweisen, dass man auch nach dem Wechsel der Eigentümer, die Fahne der Italianitá immer noch hochhält und der Alto Adige die Zeitung der Italiener bleibt.
 
Sie gehen von einer bewusst, gesteuerten Pressekampagne aus?
 
Ja. Denn beim Alto Adige war es schon öfters so, dass die Zeitung durchaus stolz drauf ist, nicht Journalismus im klassischen Sinne, sondern Kampagnen zu machen. Das war bei den Dolomitenpässen der Fall, wo man systematisch und bewusst Druck auf die Politik gemacht hat. Und das ist auch jetzt wieder der Fall. Denn es gibt jeden Tag mindestens einen Artikel zu diesem Thema.
„Vielleicht um zu beweisen, dass man auch nach dem Wechsel der Eigentümer, die Fahne der Italianitá immer noch hochhält und der Alto Adige die Zeitung der Italiener bleibt.“
Demnach gibt es Ihre Meinung nach den declino der Italiener in Südtirol gar nicht?
 
Den decilino gibt es sicher nicht. Dass es gegebenenfalls ein Unbehagen gibt, das ist eine anderes Thema. Man kann sicher nicht die Gefühle und Befindlichkeiten der Menschen außer Acht lassen. Wie weit das aber berechtigt ist, steht auf einem anderen Stern.
 
Der Verkauf der Alto Adige an die Familie Ebner macht aber deutlich, dass die italienischen Hochburgen in diesem Land kaum mehr standhalten?
 
Ich würde die Befindlichkeit der Italiener in Südtirol nicht daran festmachen. Der Verkauf einer Zeitung von einer Verlagsgruppe an eine andere, wäre an und für sich ein normaler Vorgang. Natürlich ist auch mir klar, dass es ein besonderen Fall ist. Eine deutsche Verlagsgruppe kauft die italienische Zeitung und es finden sich keine italienischen Unternehmer, die dagegen halten.
 
Das zeigt, dass die Italiener in diesem Land nichts mehr zählen?
 
Nein. Ich glaube, dass die italienische Sprachgruppe in dieser Phase einfach den Mangel an Leitfiguren feststellt und bemängelt. Ganz gleich ob in der Wirtschaft oder in der Kultur. Wobei diese Diagnose so nicht stimmig ist, denn es gibt diese Leitfiguren durchaus. Nur haben sich diese bisher noch nicht etabliert.
 
Die Schwäche der italienischen Politik ist aber doch augenscheinlich. Oder wollen Sie behaupten, dass Christian Tommasini oder Roberto Bizzo politische Leitfiguren sind?
 
Das selbe wird auch auf deutscher Seite behauptet. Man sagt, dass die Opposition extrem schlecht sei, dass die Mehrheit, sprich die SVP extrem schlecht sei. Wenn man sagt, dass auch die Italiener schlecht sind, dann ist die gesamte Politik schlecht. Dann müssen halt jene endlich kommen, die es besser können.
 
Wo aber bitte sind diese italienischen Leitfiguren?
 
Ich möchte diese Aussage nicht auf die Politik beschränken. Es geht hier auch um die Kultur, die Wirtschaft, die Wissenschaft und allgemein die Gesellschaft. Es gibt in diesem Land sehr, sehr viel italienischsprachige Südtiroler die Führungspositionen innehaben und die auch Leitfiguren sind. Nur werden sie sehr oft, bewusst nicht als solche dargestellt und wahrgenommen.
 
Italiener werden in diesem Land meistens nur Vize?
 
Schauen Sie, ich werde von der konservativen Seiten in meiner Partei und von der deutschsprachigen Rechten immer wieder kritisiert, dass es zu viele Nominierung in einflussreichen Positionen von Italienern gegeben habe. Ich bin deshalb schon überrascht, dass die andere Seite jetzt behauptet, es seien zu wenige. Ich denke, es muss darum gehen, dass die richtigen Leute am richtigen Ort sitzen.
 
Der ehemalige Oberstaatsanwalt Guido Rispoli befürchtet, dass die Italiener vor allem in den ländlichen Gegenden aussterben?
 
Ich denke, das ist auch eine dramatisierte Leseart und Darstellung. Schaut man sich die Daten der Volkszählung an, so gibt es einen ganz leichten Rückgang der italienischen Sprachgruppe. Von einem Aussterben kann deshalb sicher nicht die Rede sein.
 
Müssten Sie als Landeshauptmann nicht mehr tun, damit sich die Italiener in Südtirol mehr beheimatet fühlen?
 
Plötzlich wird wieder etwas zum Thema, das man glaubte bereits in den 1980er und 1990er Jahren überwunden zu haben. Das Heimatrecht aller drei Sprachgruppen in Südtirol. Besonderen interessant dabei ist, dass es auf allen Seiten den Vorwurf plötzlich wieder gibt, die eigene Sprachgruppe würde ihre Identität verlieren. Das hört man von der deutschen Sprachgruppe auch. Ich denke, das ist ein Ausdruck der allgemeinen Unsicherheit, die es weltweit gibt. In Südtirol wird diese Situation dann zusätzlich noch auf die ethnische Ebene projiziert
.„Ich denke, das ist ein Ausdruck der allgemeinen Unsicherheit, die es weltweit gibt. In Südtirol wird diese Situation dann zusätzlich noch auf die ethnische Ebene projiziert.“
Sie sehen keinen Handlungsbedarf der Politik, wenigsten einige symbolische Akte gegen dieses Unwohlsein zu setzen?
 
An symbolischen Akten hat es in der letzten Zeit eine ganze Menge gegeben. Etwa was die gemeinsame Aufarbeitung der Geschichte betrifft. Nehmen wir das Beispiel Siegesdenkmal. Das ist durchaus ein Erfolg der italienische Sprachgruppe und er wurde auch als solcher empfunden. Für mich ist das Wichtigste die Tatsache, dass die Entwicklung einer gemeinsamen Zukunftsvision stattfindet. Dieses gemeinsame Entwickeln passiert, nur müsste es besser und effektiver aufgezeigt werden. Das Positive wird auch hier von den Sorgen und Ängsten der Globalisierung, der Krise und der Migration verdrängt. Dieser Mechanismus führt weltweit zu populistischen Tendenzen. Die Aufgabe der Politik muss es deshalb sein, aufzuzeigen, dass diese Sorgen unberechtigt sind und dass wir gemeinsamen auf den richtigen Weg in eine positive Zukunft sind.
 
Zurück zum Alto Adige: Will man mit der Disagio-Kampagne vom eigenen Versagen ablenken?
 
Es geht darum den Lesern das Signal zu geben, dass sich mit dem Eigentümer-Wechsel nichts geändert habe. Das ist der Grund, warum man jetzt dieses italienische Thema so stark spielt.