Kultur | Brixen

“Zerstörer des Obstbaumgartens”

Ein offener Brief aus Deutschland erreicht André Heller. Der “dilettierende Gartengestalter” wird aufgerufen, sein Konzept für den Hofburggarten in Brixen zu überdenken.
André Heller in Brixen
Foto: LPA/Oskar Zingerle

Die Nachricht, dass und vor allem wie der bekannte österreichische Aktionskünstler und leidenschaftliche Gartengestalter André Heller den Brixner Hofburggarten neu gestalten will, schlägt Wellen über die Landesgrenzen hinaus. In Südtirol selbst gibt es nur vereinzelt kritische Stimmen. Die ersten Reaktionen nach der Präsentation des Exposés für den bischöflichen Garten Ende November waren überwiegend positiv.
Nun wendet sich Torsten Volkmann an André Heller. Volkmann ist Landschaftsarchitekt und Gartendenkmalpfleger in Potsdam (Brandenburg) – und in “Sorge um das gartenkulturelle Erbe in Brixen”. Daher hat Volkmann Heller einen offenen Brief geschrieben, “in der Hoffnung, dass dieser Sie zur Rettung dieses europaweit bedeutenden Gartens anregen kann”, so der deutsche Diplomingenieur. Vor allem den Erhalt des historischen Obstbaumgartens legt Volkmann Heller nahe, den er als dessen “Zerstörer” bezeichnet.

“Mag Ihr gegenwärtiger Entwurf, vermutlich in Unkenntnis des Wesens, des Wertes und des erforderlichen Umgangs mit diesem bedeutenden kulturhistorischen Zeugnis, von vielen ´gefeiert´ werden, Sie gehen damit als  sein Zerstörer in die Geschichte ein.”
(Torsten Volkmann, Potsdam)

Nachfolgend der gekürzte Brief (die vollständige Version gibt es hier nachzulesen), den Volkmann auch an den Bischof, den Landeshauptmann, seinen Kulturlandesrat und den Brixner Bürgermeister richtet:

“Sehr geehrter Herr Heller,

ich hatte das Glück vor einigen Jahren den vermutlich ältesten erhaltenen Obstgarten Europas gemeinsam mit anderen Fachleuten, darunter Archäologen, Denkmalpflegern, Geodäten, Kunsthistorikern und Landschaftsarchitekten, erforschen zu dürfen. Wir fanden einen Nutzgarten vor, dessen Apfelbäume der letzten ertragsorientierten Intensivkultur ihren Zenit schon überstanden hatten. Er beeindruckte uns aber immer noch tief mit seinen alten Einfassungsmauern, den gefassten Wassergräben, den beiden Eckpavillons im ´chinesischen´ und ´japanischen´ Stil, den flankierenden Rampenwegen und weinumrankten Laubengängen und dem kleinen Gartenhaus unter der alten Zeder. (…)

Wie so oft war ja die erste Begegnung die prägendste. Wir durchschritten den Garten durch die Pforte an der Hofburg und standen auf der Brücke, vor uns ein Wald aus Apfelbäumen, der einen in vergangenen Zeiten bestimmt hineingelockt hätte. (...)

Seit über vierhundert Jahren wird dieser Platz bewusst besucht; er ermöglicht die Wahrnehmung der Fürstbischöflichen Hofburg aus dem berühmten anderen Blickwinkel und regte (und regt) zum Denken und Nachdenken an. Das sollte auch noch vielen Generationen nach uns ermöglicht werden und deshalb möchte ich Sie mit diesem Schreiben auch noch einmal zum Nachdenken anregen.

Gewiss, der Obstbaumgarten erfordert mit seinem jetzigen obstbaumlosen Zustand eine Gestaltung. Die Bürger wünschen einen neuen erlebbaren Freiraum in einer neuen nutzbaren Qualität. (…)

Ein Hain aus Obstbäumen bietet mehr als nur Obst, er war und ist der Paradiesgarten. Machen wir wieder ein Paradies daraus! Was eigentlich ganz einfach sein müsste entwickelt sich in Brixen zum Problem. Viele konnten sich etwas wünschen und heraus kam ein gestalterisches, funktionales und zerstörerisches Chaos. Es kostete viel Mühe, Ordnung in den Prozess zu bringen. Der internationale Wettbewerb brachte viele gute Ideen und der auserwählte Entwurf sicherte bei allen neuen Gestaltungen auch die Qualität des Alten und Gewährleistete die Erhaltung der wertvollen Substanz, des prägenden Erscheinungsbildes und schuf Freiräume für eine öffentliche Nutzung.

Der ´Zeitgeist´ will offensichtlich jedoch mehr, vor allem Eventkultur. Und da erfahre ich von Ihrem Entwurf, der auch gleich den ´politischen und bischöflichen Segen´ erhält und damit einen notwendigen vernünftigen fachlichen Austausch vermutlich verhindert, zumindest jedoch deutlich behindert. Ich gratuliere Ihnen zu diesem Erfolg, der aber aus der Geschichte betrachtet ein Pyrrhussieg sein dürfte!

(…) Die Obstbäume aber dürfen sich nur noch am Rande Ihres Eventgartens aufstellen in seltsamer Anordnung der Morsezeichen – wenn die Bäume könnten würden sie sich in SOS-Stellung pflanzen lassen.

Die Obstkultur ist sehr eng mit der Geschichte und Landschaft Südtirols verbunden. Der Obstbaumgarten der Fürstbischöflichen Hofburg in Brixen ist DAS historische Zeugnis dieser jahrhundertealten Kultur. Sein Schutz muss deshalb das Anliegen aller sein, die eine Verantwortung für ihn tragen oder Einfluss auf seine Entwicklung nehmen können: der Bischof als Grundeigentümer und in Tradition eigentlicher Hauptnutzer dieses ´geistigen´ Ortes, der Landeshauptmann als gewählter Vertreter der Südtiroler Bürger, der Landesrat der Landesregierung für Kultur und Bildung in seiner Verantwortung zur Vermittlung des historischen Kulturerbes, der Bürgermeister als gewählter Vertreter seiner Stadtbevölkerung und Sie, der als ´auserwählter´ dilettierender Gartengestalter dieses nunmehr seit einigen Jahren sehr hilfsbedürftige Gartendenkmal instandsetzen und um eine neue Zeitschicht bereichern darf.

Sehr geehrter Herr Heller, Sie schreiben die Geschichte dieses bedeutenden Gartens fort und stehen damit in der Verantwortung. Mag Ihr gegenwärtiger Entwurf, vermutlich in Unkenntnis des Wesens, des Wertes und des erforderlichen Umgangs mit diesem bedeutenden kulturhistorischen Zeugnis, von vielen ´gefeiert´ werden, Sie gehen damit als sein Zerstörer in die Geschichte ein, und die hat länger Bestand als Ihr Garten. Wenn Sie den Garten jedoch erhalten und seinem Wesen und Wert entsprechend angemessen weiterentwickeln wollen biete auch ich Ihnen meine Hilfe an.

Überdenken Sie bitte Ihr Konzept und helfen mit, einen wertvollen alten Garten behutsam zu retten. Auch die zukünftigen Generationen werden es Ihnen danken und Sie schaffen es bestimmt, den illusionierten Bürgern dies zu vermitteln – wer sonst, wenn nicht Sie!”

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Hartmuth Staffler Mi., 13.12.2017 - 21:21

Nachdem die Gemeinde Brixen bereits einem gewissen Herrn Steiner 80.000 Euro für eine nicht zu verwirklichende Idee gezahlt hat, dann für einen Wettbewerb, der eine zwar nicht umwerfende, aber immerhin akzeptable Idee erbracht hat, 120.000 Euro ausgegeben hat, weitere ca. 150.000 Euro für die Miete einer nicht genutzten Immobilie, sind die 40.000 Euro für den Herrn Heller wirklich nur eine Kleinigkeit. Der nächste Ideengeber wird sicher wieder mehr bekommen. Wir haben es ja.

Mi., 13.12.2017 - 21:21 Permalink
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Brele Alex Fr., 15.12.2017 - 17:48

Was ich nicht ganz verstehe, momentan gibt es nicht einen einzigen Obstbaum, nur ein Maislabyrinth mit Elefant aus Holz.
Es sollen doch alte Obstbäume gepflanzt werden auch in diesem vorgestellten Plan des Herrn Heller. Wo ist denn die Zerstörung? Wenn doch nichts da ist zu zerstören?

Fr., 15.12.2017 - 17:48 Permalink
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Torsten Volkmann Do., 21.12.2017 - 21:32

Es gehört zum Wesen alter Obstgärten, dass seine Obstbäume immer wieder kontinuierlich nachgepflanzt wurden (und werden), weil sie abgestorben waren oder ihr Ertrag nicht mehr den Erwartungen entsprach. Die anderen prägenden Bestandteile des Gartens (einfriedende Mauern, Pavillons, Bewässerungsanlagen, seitliche Wege usw.) bleiben erhalten. Das Erscheinungsbild des Gartens und seine daraus resultierende Wirkung veränderten sich innerhalb dieses definierten Rahmens über Jahrhunderte nicht. Das macht den Obstbaumgarten der Fürstbischöflichen Hofburg in Brixen so wertvoll.
Erst der traurige Elefant Soliman im Hanflabyrinth und noch viel stärker der zukünftige Eventgarten zerstören den ganz eigenen jahrhundertealten Zauber des Obstbaumgartens. Seine zentrale Fläche erfährt eine für das ganze Ensemble prägende Veränderung, u.a. mit neuen großen Waldbäumen, Hügeln, Wasserbecken und Heckenwänden, welche nichts mehr mit einem Obstgarten zu tun haben. Die neuen Obstbäume am Rand können das auch nicht mehr ändern.
Neue Nutzungen für die Bevölkerung und die erhofften zusätzlichen Touristen (die müssen übrigens ihre Autos abstellen und das hoffentlich nicht in den angrenzenden Gärten!) sind auch auf einer Obstbaumwiese möglich, und das nachhaltig und bezahlbar.

Do., 21.12.2017 - 21:32 Permalink