Max gegen Michl

Es war eine Auseinandersetzung, in der es um verfahrenstechnische und juridische Details ging. Am vergangenen Dienstag gingen in der großen Aula des Bozner Landesgerichts die Wogen hoch.
Dort geht derzeit das sogenannte „Stein an Stein 2“-Verfahren in seine entscheidende Phase. Angeklagt sind Maximilian Rainer, Michl Laimer, Franz Pircher und Klaus Stocker. Dem Quartett wird von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, den Wassernutzungsplan des Landes so abgeändert zu haben, dass – trotz Unterschutzstellung des Eisacks – eine Erweiterung des Mittewalder Stein-an-Stein-Kleinkraftwerkes möglich war.
Am Dienstag hat Oberstaatsanwalt Guido Rispoli nicht nur die Einbringung der bisherigen Urteile im ersten Stein-an-Stein-Verfahren gefordert, sondern auch die Akquisition eines Memorandums, das Maximilian Rainer zur Verteidigung eigenhändig verfasst hat. Vor allem gegen die Einbringung dieser schriftlichen Stellungnahme liefen die Verteidiger in der Aula Sturm. Am Ende aber vergeblich. Denn das Richterkollegium um den Vorsitzenden Stefan Tappeiner hat der Aufnahme des Memorandums – trotz der vehementen Proteste der Verteidiger – in die Prozessakten zugestimmt.
Maximilian Rainer hat am 11. April 2013 über seinen Verteidiger Carlo Bertacchi direkt bei Oberstaatsanwalt Guido Rispoli eine schriftliche Stellungnahme eingereicht. Auf 24 Seiten, die nicht etwa wie mehrere Medien behaupten, handgeschrieben, sondern mit Computer verfasst und perfekt mit Zwischentiteln und Hervorhebungen versehen sind, legt der ehemalige SEL-Generaldirektor seine Sicht der Dinge auf die Stein-an-Stein-Affäre dar.
Rainers Memorandum: Mit Zwischentiteln und Hervorhebungen
Maximilian Rainer leitet seine Stellungnahme mit einer Formulierung ein, die dem Verfasser alle Optionen offen hält:
„Sehr geehrter Herr Leitender Staatsanwalt,
mit dem vorliegenden Schreiben möchte ich die mir bekannten Informationen, Geschehnisse und Vorgänge zum Kleinwasserkraftwerk Mittewald dargelegt. Ich möchte aber vorausschicken, dass ich aus dem Gedächtnis nachvollziehe, zum Teil Ereignisse, die beinahe 7 Jahre (!) zurückliegen. Ich kann daher nicht ausschließen, dass ich die Dinge nicht vollständig, unzureichend oder sogar falsch nachvollziehe oder zusammenreihe, da ich über keine Unterlagen verfüge, auf die ich zur Kontrolle oder Wiederauffrischung meines Gedächtnisses zurückgreifen und auch keine involvierten Personen dazu befragen kann.“
Maximilian Rainer zeichnet dann detailliert die Verhandlungen mit Kraftwerksbesitzer Johann Breiteneder nach, seine erste Wienreise, die Bewertung des Kraftwerks durch die Gutachter, die Besichtigung des Kraftwerks mit Klaus Stocker, die Entscheidung im SEL-Verwaltungsrat und seine zweite Wienreise und den Verkauf des Kleinkraftwerks an die „Stein an Stein GmbH“.
Der rote Faden, der sich durch diese Schilderung zieht, ist eindeutig: Maximilian Rainers Memorandum ist der Versuch einer völligen Reinwaschung. Der langjährige SEL-Generaldirektor versucht in der Stellungnahme alle Vorwürfe der Staatsanwaltschaft zu widerlegen.
Dabei geht es vor allem um den zentralen Vorwurf, dass die Käuferin Petra Windt nur eine Treuhänderin für Maximilian Rainer sei:
Maximilian Rainer schreibt:
„Hinter Frau Windt steht niemand außer sie selbst. Auch nicht der Unterfertigte, wie ich schon mehrmals unterstrichen habe. [...] Es steht außer Zweifel, dass Frau Windt mir vertraut hat und auch mein Urteil für ihre Einschätzungen wichtig war. Ich hatte ihr ja die Informationen für diese Investition gegeben. Eine Vereinbarung oder Abmachung über eine Beteiligung oder Abtretung von Anteilen an mich hat es aber nie gegeben und stand auch nie im Raum und wurde durch die Beteiligung Dritter auch zusehends relativ, da sie ja auch eine eigene Beteiligung halten wollte. Frau Windt hat mir auch nie Geld oder andere Entschädigungen angeboten, ich habe dies auch nie verlangt. Es war somit auch keine Gegenleistung im Gespräch, die man ohne Beteiligung erhalten konnte.“
Belastende AngabenBis hierhin wäre das Memorandum von Maximilian Rainer auch eine Art Entlastung für seine Mitangeklagten Michl Laimer, Klaus Stocker und Franz Pircher. Eine Entlastung, die auch dem laufenden Stein-an-Stein 2-Prozess durchaus gelegen kommen würde.
Dass sich die Verteidiger aber so vehement gegen die Aufnahme der 24-Seiten-Stellungnahme gewehrt haben, liegt an der Tatsache, dass Maximilian Rainer sich in seinem Memorandum zwar selbst entlastet, seine drei Mitangeklagten aber schwer belastet.
So schreibt Rainer unter dem Zwischentitel „Beteiligung von Stocker und Pircher“:
„Ich habe den beiden Präsidenten vom Ankauf des Kraftwerks durch Frau Windt erzählt. Ich kann mich nicht erinnern, ob gleichzeitig oder zu zwei verschiedenen Anlässen. Beide Herren haben dies positiv aufgenommen und nähere Informationen gewünscht. Dies betraf vor allem die Person von Frau Windt und die Umstände des Ankaufs und die Pläne, was sie mit dem Kraftwerk vorhabe. Ich habe ihnen die Informationen nach meinem Wissensstand geliefert und auch mitgeteilt, dass sie dies als Investition betrachte und auch für lokale Partner aufgeschlossen ist, wie sie behauptet hat. Prinzipiell war Frau Windt der Auffassung, dass ein lokaler Partner Sicherheit biete und auch beim Betrieb mitwirken konnte, um ihr Arbeit und Tagesgeschäft abzunehmen. Ich hatte ihr klar signalisiert, dass ich oder jemand in meinem Umfeld dies aus den bekannten Gründen nicht sein konnten.
Die beiden Präsidenten haben die Gelegenheit für eine mögliche Beteiligung an einem Kraftwerk, die ansonsten schwer zu erreichen war, erkannt. Sie haben Interesse an einer Beteiligung gezeigt und nachgefragt, ob eine solche möglich wäre. Dazu habe ich aber nicht Vermittler gespielt, denn für die Kontakte habe ich sie direkt an Frau Windt verwiesen.
Herr Stocker sagte, er werde seinen Bruder informieren und nachfragen, ob Interesse besteht. Von Präsident Klaus Stocker ging somit nur die Initiative aus, aktiv wurde aber Rudi Stocker. Herr Pircher zeigte sich ebenfalls interessiert, hat aber keine Einzelheiten mitgeteilt, vor allem auch keine, wie er gegebenenfalls eine Beteiligung vornehmen würde. Er hat aber schon angedeutet, dass er überlegen wird, selbst eine Beteiligung zu erwerben oder einem befreundeten Kollegen zu empfehlen.“
Weil die zuständigen Ämter 2009 die Erweiterung des Mittewalder Kleinkraftwerkes ablehnen, rekurrieren die Besitzer bei der Landesregierung. Vorher aber taucht ein Vermerk auf, den Landeshauptmann Luis Durnwalder an die zuständigen Ämter weiterleitet.
Lange war nicht klar, wer diesen Vermerk geschrieben hat. In seinem Memorandum enthüllt Maximilian Rainer, dass er der Autor dieses Vermerkes ist:
„Einen Entwurf für den Vermerk für den Landeshauptmann habe ich geschrieben. Herr Pircher hat sich an mich gewandt und darum gebeten, ich möchte einen solchen verfassen. An den Zeitpunkt kann ich mich nicht mehr exakt erinnern, aber es ist wahrscheinlich nach der negativen Behandlung des Projekts zur neuen Konzession durch die Amtsdirektorenkonferenz gewesen.
Auf meine Frage hin, welches Ziel der Vermerk verfolge, antwortete Dr. Pircher mir, dass dem Landeshauptmann die Sachlage umfassend und verständlich erläutert werden sollte. [...] Ich habe den Entwurf für den Vermerk an Dr. Pircher ausgehändigt, mich dann um nichts mehr in diesem Zusammenhang gekümmert. Die Inhalte haben wir mündlich besprochen. Den endgültigen Vermerk sollte Herr Pircher verfassen. Es war im Übrigen Pircher, der am Schluss angefügt hat, die Angelegenheit sollte wohlwollend bzw. positiv behandelt werden.“
Im laufenden Stein an Stein 2-Verfahren könnte Maximilian Rainers schriftliche Stellungnahme aber prozessentscheidend sein.
Das liegt an dem Hauptbeweis, den die Anklage in Händen hält und der den ehemaligen SEL-Generaldirektor schwer belastet. Es sind die originalen Seiten 59 und 60 aus dem ursprünglichen Wassernutzungsplan. Darin ist die Passage zur Unterschutzstellung des Eisacks „bis zum Stausee von Franzensfeste“ mit rotem Filzstift durchgestrichen und handschriftlich jene Unterscheidung zwischen Groß- und Kleinkraftwerken am Eisack eingefügt, die es für die Stein an Stein Italia braucht. Die Handschrift ist jene von Maximilian Rainer.
Korrigierter Wassernutzungsplan: Rainers Handschrift.
Der ehemalige SEL-Generaldirektor gibt auch zu, dass er diese Änderungen geschrieben hat, doch er dreht in seinem Memorandum an den Staatsanwalt die Rollen um. Maximilian Rainer belastet direkt Michl Laimer:
„Ich weiß sehr wohl – da sie beide mir von den Treffen selbst erzählt haben – dass sich Laimer und Pircher zur Angelegenheit Stein an Stein getroffen haben. Dies lässt mich gegebenenfalls vermuten, dass LR Laimer vielleicht doch etwas wusste oder Informationen besessen hat und ein Ausbau auch im Gewässernutzungsplan abgesichert werden sollte. In diesem Fall hat er mich benutzt, denn ich habe auf seinen Hinweis und seine Intervention hin diese handschriftliche Formulierung auf das Arbeitspapier gesetzt (als Mitschrift des Telefonates mit Laimer) und in unserem Entwurf diese Formulierung als von der Arbeitsgruppe beschlossene Abänderung vorgesehen und eingefügt.“
Rainer erklärt an einer anderen Stelle seiner Sachverhaltsdarstellung:
„Die nun vorgehaltene Abänderung stammt nicht aus unserer Feder und wurde auch nicht von uns angeregt! LR Laimer hat sie mir telefonisch durchgegeben und wir haben sie eingearbeitet.“
Deutlicher könnte Maximilian Rainer seinen langjährigen Vorgesetzten Michl Laimer wohl kaum belasten.
Im laufenden Verfahren wird das Gericht klären müssen, ob Rainers Behauptung die Wahrheit ist oder nur ein geschickter Versuch von der eigenen Verantwortung abzulenken.
„Rainers Angriff könnte dazu führen, dass die Büchse der Pandora geöffnet wird. Und davor haben nicht nur die Verteidiger die größte Angst.“
Gleichzeitig könnten diese Anschuldigungen zwischen den langjährigen Weggefährten aber etwas viel Gefährlicheres bewirken. Rainers Angriff könnte dazu führen, dass die Büchse der Pandora geöffnet wird.
Und davor haben nicht nur die Verteidiger die größte Angst.
Ich weiss das sind schon olle
Ich weiss das sind schon olle Kammellen aber es bleibt unfassbar dass diese Gauner mit so einer Gschicht' davonkommen:
- Ein öffentliches Unternehmen erwägt ein Kraftwerk zu kaufen.
- Die Führungsspitze tut alles um das Kraftwerk NICHT zu kaufen.
- Schliesslich kauft eine vollkommen branchenfremde Freundin des Geschäftsführers eben dieses Kraftwerk, sie verlegt hauptberuflich Pflastersteine, die öffentlichen Manager unterstützen sie bei der Kreditaufnahme.
- Dannach nimmt der Geschäftsführer massiven Einfluss auf die öffentliche Verwaltung um möglichst günstige Bedingungen für die neue Eigentümerin, seine Studienfreundin schaffen.
Man muss sich das wirklich auf der Zunge zergehen lassen.