Kultur | Liebeswahn

Das Museum der Unschuld

Der türkische Literatur-Nobelpreisträger Orhan Pamuk hat einen der originellsten Museums-Kataloge verfasst: einen Liebesroman.

"Das Museum der Unschuld" gibt es wirklich. Es liegt fünf  Gehminuten entfernt von unserer Wohnung in Istanbul-Tophane in der Cukurcuma-Strasse. Ich habe es zu Weihnachten besucht, ohne den gleichnamigen Roman von Orhan Pamuk gelesen zu haben. Das war gut so. Denn ich wurde durch den Museumsbesuch derart neugierig auf das Buch, dass ich es gekauft und anschliessend auch gelesen habe. Was nicht selbstverständlich ist, was viele Museumsbesucherinnen wie ich nur zu gut wissen, die sämtliche Kataloge für teures Geld zusammenkaufen, ohne sie zu Hause jemals aufzuschlagen!!

600 Seiten stark ist der Liebesroman, der den Leser durch die Höhen und Tiefen einer herzzerreissenden Liebesgeschichte  führt. Sie spielt sich in den 70iger Jahren in Istanbul ab und ist somit auch ein wunderbares Sittengemälde der damaligen wohlhabenden und modernen Bürgerschicht. Die Geschichte geht so: Ein reicher Bürgersohn, verlobt mit einer schönen Istanbulerin aus bestem Hause, verliebt sich - wenige Wochen vor seiner Verlobung - in eine 18-jährige, arme, aber wunderschöne Verwandte namens Füsun. Um diese fürwahr "unsterbliche " und ebenso unglückliche Liebe kreist der Roman.

Der Held ist derart besessen von seiner Liebe, dass er alle Gegenstände sammelt, die von seiner Füsun berührt werden, inklusive der über 4.000 Zigarettenstummel aus dem Munde der Angebeten, die im Museum auf sehr originelle Weise ausgestellt werden. Mich persönlich hat das Museum und dann auch der Roman deshalb berührt, weil er sich in einer Zeit abspielt, in der ich erwachsen geworden bin.

Vieles kommt mir bekannt vor: die Lebensfreude und Lebenslust der 70iger Jahre, als Konsum und freizügigere Sitten die Gesellschaft veränderten.  Die vielen Partys und Feste, der grassierende Tabak- und Alkoholkonsum, das viele und andauernde Essen,  die Lockerung der Moral, das erwachende Selbstbewusstsein der Frauen -  alles scheint mir vertraut und zeigt, wie sehr sich in den 70iger Jahren die sogenannten "oberen Schichten"  in Istanbul, München oder auch Bozen ähnelten.

Viele Gegenstände des täglichen Gebrauchs:  Gläser, Aschenbecher, Flaschen, Kleider, Schmuck - sie kamen mir bekannt vor. Deshalb hat mir das kleine Museum so gut gefallen. Untergebracht ist es im klug renovierten, bescheidenen Haus, das die geliebte Füsun mit ihren Eltern bewohnt hatte.  Ein Museumsbesuch ist sehr zu empfehlen - nach der Visite der üblichen "Must" in Istanbul: der Moscheen und des Sultanpalastes Topkapi.