Gesellschaft | Unwürdige Greise

Ein Plädoyer für die Ofenbank

„Der alte Franz, der alte Franz versteht nicht ganz: Was ist geschehn mit seinem Heimatland? Früher war das Tal so grün, die Etsch so blau. Heute ist seine Welt so grau.“
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Ach ja, auch mein nostalgisch umflorter Blick schweift zurück in dieses lang verwehte „Früher“, als das urwüchsige Liedgut noch über die kompositorische Raffinesse und den sozialkritischenTiefgang verfügte, wie beide im oben angespielten Exempel anklingen. Denn mit den besseren Weisen sind auch die besseren Zeiten verklungen: Wurde doch damals ein alter Franz, der die Welt nicht mehr verstand, und zwar weil sie sich beständig weitergedreht hatte, während er, der ehedem adrett pomadisierte Kraftlackel zum tattrigen, desorientierten Oldtimer zusammenschrumpfte, von verständiger Hand so behutsam wie unnachgiebig auf die Ofenbank gesetzt, wo er dann die  überschaubare Zahl der ihm verbleibenden Tage damit zubrachte, zahnlos an der Pfeife zu nuckeln, sich am schrundigen Hinterkopf zu kratzen und ab und an sein alles und nichts meinendes „Jo jo…“ hervorzupressen.   

Der medizinische und soziale Fortschritt hat mit der gestiegenen Lebenserwartung auch dazu geführt, dass sich der schleichende Prozess der Vergreisung jetzt potentiell über Jahrzehnte erstreckt. Darüber könnte man sich als Betroffener still und würdevoll freuen. Zeitgenossen mit narzisstischen Persönlichkeitsmerkmalen - es mögen auch Frauen darunter sein, Männer werden jedoch unangenehm häufiger und häufiger unangenehm auffällig – missdeuten hingegen stilles und würdevolles Verhalten stets als verachtenswerte Schwäche. Und weil sie sich eigene Schwäche nie ein- und zugestehen würden, übersehen und übertönen sie lautstark jedes Signal, das sie wohlwollend zum eigenen altersbedingten Rückzug auffordern möchte. Zudem dulden sie aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur und ihres Machtgebarens in ihrem Umfeld nur Erfüllungsgehilfen ihrer eigenen Agenda und niemanden, der es ihnen unerschrocken klar machen würde, wenn aus Gründen des Selbstschutzes ein definitiver Abgang aus der Öffentlichkeit dringend angezeigt wäre. Und so muss der ungläubig staunende Betrachter in einer Mischung aus Schaulust und Ekel, Bedauern und Zorn mitverfolgen, wie sich teils auch verdientes Personal einer verflossenen Ära im ehedem schmeichelnden, jetzt aber gnadenlos offenbarenden Licht seiner medialen Omnipräsenz selbst demontiert und seine eigene historische Hinterlassenschaft beschädigt.

Drei Beispiele:

  • Der offensichtlich von allen guten Geistern dauerhaft verlassene Dalai Lama (88) nötigt in der frei flottierenden Enthemmtheit des schein-heiligen Lustgreises einem wehrlosen Zehnjährigen - getarnt als „unschuldig-scherzhafte Spielerei in der Öffentlichkeit“ - Küsse auf den Mund und zudringliche Umarmungen ab und fordert ihn zuletzt auf, die Zunge „seiner Heiligkeit“ zu lutschen.
  • Roger Waters (79), Bassist und Songwriter der epochalen Prog-Rock-Band Pink Floyd verirrt sich von der popkulturellen auf die vulgärpolitische Bühne und labert sich im Versuch, naheliegende Vorwürfe des Antisemitismus und des Pro-Putinismus zu entkräften, hyperventilierend und hypertonisierend um Rappelkopf und -kragen.  
  • Und unser hochalpiner Rumpelstilz R. Messner, Extrem-Experte für eh alles (78)? Der poltert mit ewig zornverhangener Stirn in jedes Mikrofon, das ihm entgegengehalten wird und weiß Bescheid, und zwar seit immer schon. Thema? Egal. Die weltfremden, undankbaren und verzogenen Klima-Gören sollen sich doch bitteschön irgendwo im Wald festkleben und den Boomern von dort aus für das schöne Leben im Wohlstand danken, das die ihnen ermöglicht haben. Die Problem-Wölfe, Problem-Bären und das ganze andere Problem-Gesocks? Abschießen, abschieben, abschließen. Den deutschen Wirschaftsbossen, die man dann wieder ungefährdet gegen teures Geld durch das Unterholz coachen kann, verkauft man danach zwar weiterhin „Mountain Wilderness“, jetzt aber wieder nach vertrauter Manier mit dem Homo alpinus vulgaris an der Spitze der Raubtier-Pyramide.

„Alles Unheil dieser Welt geht davon aus, dass die Menschen nicht still in ihrer Kammer sitzen können.“ (Pascal) Und zwar, wenn ihre Zeit gekommen ist, auf der Ofenbank und offline!

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Stefan S Mi., 10.05.2023 - 16:00

Antwort auf von Martin Daniel

Naja abgesehen davon das der Brief an die Heeresleitung gefühlt schon uralt (2018) ist sind vom Inhalt die normalen Positionen und Hinweise eines Ottonormalbürgers enthalten. Einfluß auf die Entscheidung der Variante wird er nicht haben und dient einzig und allein der Publizität des Verfassers.

Mi., 10.05.2023 - 16:00 Permalink