Nach den Kommunalwahlen
Am vergangenen Sonntag gab es in Italien wieder Kommunalwahlen. Es war diesmal eine etwas kleinere Runde als vor einem Jahr, aber immerhin konnten 9 Millionen Menschen in über 1000 Gemeinden von Como bis Palermo neue Bürgermeister und Gemeinderäte wählen. Nach den Kommunalwahlen vor einem Jahr hatten schon manche geglaubt, die 5-Sterne-Bewegung stehe kurz vor der Machtübernahme, weil es ihr bei den Stichwahlen gelang, einen großen Teil der rechten Wähler zu sich herüberzuziehen: Von den 20 Gemeinden, in denen es zu Stichwahlen mit grillinischer Beteiligung kam, eroberte sie 19, auch wo sie zunächst – wie z. B. in Turin – nach der ersten Runde noch abgeschlagen schien. Ihren spektakulärsten Erfolg erzielte sie in Rom, wo Virginia Raggi im zweiten Wahlgang mit über 60 % zur römischen Bürgermeisterin gewählt wurde. Das faktische Wahlbündnis, das sich hier zwischen der traditionellen Wählerschaft der Rechten und der 5-Sterne-Bewegung herausbildete, machte Appetit auf mehr: Beim Referendum über die Senatsreform im Dezember reichte die Anti-Renzi-Koalition, die 60 % Nein-Stimmen erreichte, von Salvini über die 5SB bis zur extremen Linken. Das Ergebnis war Renzis Rücktritt.
Nach den jetzigen Kommunalwahlen sieht die Situation anders aus, obwohl die Stichwahlen noch ausstehen. Die 5-Sterne-Bewegung erscheint geschwächt, geschwächter noch als die PD, obwohl diese ebenfalls verlor. Der eigentliche Gewinner ist die Rechte.
Einbruch der 5-Sterne-Bewegung
Den Unterschied zu den Kommunalwahlen vor einem Jahr kann man schon jetzt, d. h. vor den Stichwahlen, so zusammenfassen: Während damals die 5SB abräumte, schafft sie es diesmal in den größeren Städten nicht einmal mehr bis zur Stichwahl. Spektakulär sind ihre Niederlagen in den beiden Regionshauptstädten Genua und Palermo, auf deren „Eroberung“ sie eigentlich große Hoffnungen gesetzt hatte: In Palermo siegte mit 46 % der Stimmen Leoluca Orlando, der dort schon mehrfach Bürgermeister gewesen war (als Kandidat einer unabhängigen, aber von der PD unterstützten Bürgerliste – für Bürgermeisterwahlen in Sizilien gilt die Sonderregelung, dass dort schon als gewählt gilt, wer im ersten Wahlgang über 40 % der Stimmen erhält). Und in Genua, Grillos „Heimatstadt“, ist es ein Kandidat der Rechten, der mit 38,8% in die Stichwahl kam, und zwar gegen einen Kandidaten von Mittelinks, der 33,4% bekam. Grillos Wunschkandidat, den er gegen den Willen der eigenen „Basis“ durchgesetzt hatte, kam nur auf 18,1%. Besonders peinlich für Grillo ist das Ergebnis in Parma, also der Stadt, in der die 5SB vor 5 Jahren ihren ersten großen Erfolg feierte, als ihr Kandidat Federico Pizzarotti, der nach dem ersten Wahlgang noch deutlich zurückzuliegen schien, die Stichwahl gewann. Aber Pizzarotti gehört noch zur ersten Generation der 5-Sterne-Bewegung, d. h. es fehlt ihm an Unterwürfigkeit, was Grillo bald mit seinem Ausschluss bestrafte. Pizzarotti blieb trotzdem Bürgermeister und besaß jetzt sogar die Dreistigkeit, auch ohne Grillos Logo wieder zu kandidieren. Er bekam 34,8 %, während Grillos Kandidat, den Grillo neu ins Rennen geschickt hatte, nur 3,2 % bekam. Pizzarotti geht jetzt gegen einen Konkurrenten von Mittelinks in die Stichwahl. In Parma hat Grillo seine Autorität verloren.
Warum schwächelt die 5SB? Die Ursache liegt nicht in der gewachsenen Stärke der politischen Konkurrenz, sondern in der eigenen Entzauberung. Der größte Fehler war die Entscheidung, Virginia Raggi vor einem Jahr für ein Amt mit hohem Symbolwert, nämlich die römische Oberbürgermeisterin kandidieren zu lassen. Seitdem hat sie sich als genauso skandalträchtig und inkompetent wie ihre Vorgänger erwiesen. Brachte dies schon die Methode in Verruf, mit der die 5SB „direktdemokratisch“ ihre Kandidaten auswählt, so waren es erst recht die autoritären Interventionen, zu denen seitdem der „Garant“ greift, wenn ihm die von der eigenen Basis gewählten Kandidaten nicht passen.
Die Parteienforscher warnen allerdings davor, in diesen Kommunalwahlen schon das Indiz für das nahende Ende der 5SB und für die Rückkehr zum guten alten „Bipolarismus“ zu sehen. Dafür sei die 5SB unter Jungwählern, Arbeitern und auch unter Unternehmern inzwischen zu fest verankert. Da ihr in den Kommunen noch markante Persönlichkeiten fehlen, ist es nicht das erste Mal, dass sie auf dieser Ebene einen Rückschlag hinnehmen muss, um dann bei nationalen Wahlen wieder kräftig aufzuholen. Zumindest solange sich die wirtschaftliche Lage nicht bessert und ihr die traditionellen Parteien durch ihre Skandale immer noch Protestwähler zutreiben.
Bröckelnde Linke
Renzi vergleicht sich gern mit Macron, aber sein geringeres politisches Format zeigt sich u. a. darin, dass er in der letzten Zeit immer häufiger das Niederringen der 5-Sterne-Bewegung zu seinem politischen Hauptziel erklärt (statt wie Macron darzulegen, welche Ziele er selbst verfolgt). In diesem Sinne zeigt er sich auch jetzt mit dem Ergebnis der Kommunalwahlen vor allem deshalb zufrieden, weil die 5SB vergleichsweise schlechter abgeschnitten habe. Womit er alle Analysen zudeckt, die dokumentieren, dass sich auch bei der PD das Wegbröckeln der eigenen Wählerbasis fortsetzt. Dass die Wahlbeteiligung diesmal auf 60 % fiel (7 % weniger als vor 5 Jahren), liegt daran, dass diesmal auch viele bisherige PD-Wähler zu Hause blieben: Obwohl die PD es noch mit Ach und Krach in viele Stichwahlen schaffte, sanken ihre Wähler z. B. in der „Arbeiterstadt“ Taranto (Stahl) von 50 auf 18 %. Wo sich die Linke noch durchsetzte, waren es in vielen Fällen (allerdings von der PD unterstützte) „Bürgerlisten“ mit unabhängigen Bürgermeister-Kandidaten (z. B. in Palermo), die sich gegen die Listen der Rechten oder der Grillini behaupteten und die Gesamtbilanz „schönten“. Ein Indiz nicht nur für die gewachsene „Bürgernähe“, sondern auch dafür, dass es nicht mehr unbedingt eine Empfehlung ist, sich unter dem PD-Logo zur Wahl zu stellen
Andererseits geben die Ergebnisse dieser Kommunalwahlen aber auch denjenigen Auftrieb, die nur einer vereinigten Linken die Chance geben, noch Wahlen zu gewinnen. Was sowohl Renzi als auch der von der PD abgespaltenen Linken zu denken geben müsste. Es gab nach den Wahlen einige nachdenkliche Äußerungen in dieser Richtung – ob ihnen Taten folgen, wird sich zeigen.
Wiedergeburt der Rechten?
Die Feststellung, dass man nur vereint stark sei, fand bei diesen Wahlen aber auch bei der Rechten neue Bestätigung – zum Beispiel im traditionell „roten“ Genua, in dem sich Berlusconis FI und die Lega um Salvini auf einen gemeinsamen Kandidaten einigten, der nun als Favorit in die Stichwahl geht. Die alte These, dass es in Italien eigentlich eine strukturelle rechte Mehrheit gibt, scheinen solche Ergebnisse zu bestätigen – weshalb ihre Politiker nicht müde werden, immer wieder die entsprechende Aktionseinheit zu fordern.
Der Spaltpilz ist allerdings die weiterhin ungeklärte Frage, wer bei dieser Aktionseinheit wen ins Schlepptau nimmt: der EVP-Mann Berlusconi den Le Pen-Anhänger Salvini oder umgekehrt. Ob und wie weit es unter diesen Umständen möglich ist, die italienische Rechte nicht nur wahlarithmetisch zu einen, bleibt die Frage Dahinter steht die viel grundsätzlichere Frage des Verhältnisses zu Europa und zum Euro, die man vielleicht auf kommunaler, aber nicht auf nationaler Ebene ausklammern kann.
Vom vielfach gelifteten und toupierten Berlusconi hört man, dass er davon träumt, auf seine alten Tage vielleicht doch noch einmal in die Rolle eines messianischen Erneuerers „wie Macron“ zu schlüpfen. Die Vorstellung ist ebenso grotesk, wie der Weg von Macron zu Le Pen (und ihrem italienischen Frontmann Salvini) weit ist.
Nachbemerkung aus aktuellem Anlass: Die 5-Sterne-Bewegung hat nur zwei Tage gebraucht, um eine Antwort auf ihren Dämpfer bei den Kommunalwahlen zu finden. Sie zeigt nun das Potenzial, das in ihr steckt. Die Roma-Lager müssen geschlossen, der Zustrom der Flüchtlinge gestoppt werden. Die Marketing-Experten von Casaleggio & Co. haben wohl signalisiert, dass die Bewegung so wieder bei ihren Wählern punkten kann. Salvini und Casa Pound jubeln. Die Fronten klären sich.