Politik | Neue Gentechnik

"Neue Gentechnik" an Landeshauptmann

Bioland, Verbraucherzentrale Südtirol und Dachverband für Natur- und Umweltschutz übergeben "Neue Gentechnik" Dokument an LH Arno Kompatscher.
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Walter Steger (Bioland), Anja Matscher (Bioland), Silke Raffeiner (Verbraucherzentrale Südtirol), Elisabeth Ladinser (Dachverband für Natur- und Umweltschutz), Landeshauptmann Arno Kompatscher
Foto: Greta Stuefer/LPA
  • Am Freitag, 31. Mai 2024 haben Vertreter und Vertreterinnen der drei Verbände dem Landeshauptmann Arno Kompatscher das gemeinsame Positionspapier zur Neuen Gentechnik (NGT, New Genomic Techniques) übergeben. Der Dachverband für Natur- und Umweltschutz, die Verbraucherzentrale Südtirol sowie Bioland Südtirol wollen damit einmal mehr die Notwendigkeit unterstreichen, sich der Auswirkungen einer vielleicht schon bald veränderten Gesetzeslage in Europa zur Neuen Gentechnik bewusst zu werden.

    Bisher sorgte das strenge EU-Gentechnikrecht dafür, dass gentechnisch veränderte Organismen gekennzeichnet und auf Risiken geprüft werden sowie rückverfolgbar sind. Damit war garantiert, dass BürgerInnen und ProduzentInnen jederzeit wussten, wo Gentechnik eingesetzt wurde, und sie konnten selbst --darüber entscheiden, ob sie Gentechnik nutzen oder nicht.
    Mit dem aktuellen Vorschlag der EU-Kommission sollen Pflanzen, die mithilfe neuer gentechnischer Verfahren wie der Genschere CRISPR/Cas gezüchtet wurden, künftig nicht mehr oder weniger streng reguliert werden. Risikoprüfung sowie Kennzeichnungspflicht wären nicht mehr garantiert, eine Wahlfreiheit für gentechnikfreien Anbau in der EU nicht mehr möglich. 
    Das Europäische Parlament stimmte in der Plenarsitzung am 7. Februar 2024 über den Vorschlag der EU-Kommission ab. Eine Mehrheit der Abgeordneten im Parlament stimmte für die Deregulierung von NGT-Pflanzen, unter ihnen auch Herbert Dorfmann, EP-Abgeordneter der Südtiroler Volkspartei. Der Rat der AgrarministerInnen konnte sich noch nicht auf eine mehrheitlich getragene Position einigen. Der gemeinsame Trilog zur Verhandlung eines neuen Gesetzes zwischen dem Parlament und dem Rat hat daher noch nicht begonnen und wird wohl nicht vor dem Herbst 2024 starten.

    Silke Raffeiner, die Ernährungsexpertin der VZS, betonte die Wichtigkeit des Vorsorgeprinzips für den Schutz von Mensch und Umwelt: „Das Vorsorgeprinzip muss erhalten bleiben. Alle Pflanzen und Tiere, bei denen gentechnische Methoden, einschließlich der Neuen Gentechnik, zum Einsatz kommen, und die daraus hergestellten Lebensmittel sollen weiterhin gemäß dem bestehenden Gentechnikrecht ein Zulassungsverfahren und eine Risikoprüfung durchlaufen, rückverfolgbar sein und am Endprodukt als „genetisch verändert“ gekennzeichnet werden.“ Elisabeth Ladinser vom Dachverband für Natur- und Umweltschutz forderte: „Damit Ernährungssysteme resilient, klimaangepasst und biodiversitätsfreundlich werden, brauchen wir einen Systemwandel und eine ganzheitliche Ökologisierung der Landwirtschaft statt einer weiteren bloßen Symptombehandlung mit Hilfe der Gentechnik.“ Bioland-Vorsitzender Walter Steger setzte sich für den Schutz der gentechnikfreien Produktion ein: „Die biologische Landwirtschaft und andere gentechnikfreie Produktionssysteme müssen durch klare Regeln zur Koexistenz und Haftung sowie durch das Verursacherprinzip wirksam und zuverlässig vor Kontamination mit gentechnisch veränderten Pflanzen bzw. GV-Saatgut geschützt werden.“ Auf die drohende Abhängigkeit der Bauern und Bäuerinnen von multinationalen Agrarkonzernen machte Anja Matscher, Bio-Bäuerin und Mitglied in der Bioland-Arbeitsgruppe Gentechnik, aufmerksam: „Die zu erwartende Flut an Patenten auf NGT-Saatgut und NGT-Pflanzen wird den freien Zugang von Pflanzenzüchtern, Landwirten und Landwirtinnen zu Saatgut und zu den genetischen Ressourcen monopolisieren und damit massiv einschränken.“

    Landeshauptmann Kompatscher zeigte sich bestens informiert und sehr interessiert an der Thematik. Technischer Fortschritt sei wichtig und unverzichtbar, jedoch müssten die Techniken stets kontrolliert werden. Die Vertreter und Vertreterinnen der Verbände würden mit ihren Bedenken offene Türen bei ihm einrennen. Er befürwortete zudem eine offene Diskussion in der Gesellschaft, besonders auch in der Landwirtschaft, und den Dialog mit der Politik.

    Das Positionspapier geht detailliert auf die sozialen, ökonomischen und ökologischen Auswirkungen einer Liberalisierung der Neuen Gentechnik ein. Insgesamt unterstützen rund 50 Verbände, Vereine und zivilgesellschaftliche Organisationen aus Südtirol das Positionspapier und die darin enthaltenen Forderungen.