Gesellschaft | Schule

Das Corona-Comic

Ein Comicheft, das das Land Schulen bereitstellt, sorgt für breiten Protest. Weil darin Grund- und Wertehaltungen über Bord geworfen werden, so die Kritik.
Corona-Comic
Foto: APB

Wie können Kindern die Corona-Maßnahmen, die sie an ihrer Schule einhalten müssen, spielerisch und verständlich vermittelt werden? Beim Land Südtirol setzt man unter anderem auf ein Comicheft. Darin wird ein Tag mit den Zwillingen Conny und Covy nacherzählt, den die beiden auf dem Weg zur Schule, in der Schule, in der Klasse, in der Pause und beim Sport verbringen. Das Comic wurde im Auftrag der Autonomen Provinz Bozen erstellt – als “Initiative zur Aufklärung über die Sicherheitsmaßnahmen zum Coronavirus an Südtirols Schule” – , ist in den drei Landessprachen erschienen und wurde bereits an Schulen verteilt.

Maske tragen – wenn notwendig, Abstand halten, Hände waschen/desinfizieren, Trinkflaschen nicht teilen, eigene Sachen nicht herumliegen lassen, direkten Körperkontakt vermeiden – das sind die Regeln, die Conny und Covy den Schulkindern nahelegen. Doch die Art und Weise, wie sie das tun, stößt nun auf breite Kritik.

Denn das Comic arbeitet mit einigen durchaus aggressiven Szenen – und stereotypen Rollenbildern. So wird etwa die Zwillingsschwester Conny als “braves” Mädchen dargestellt, das ihren widerspenstigen Bruder Covy andauernd belehrt. Als Covy einen Mitschüler um einen Schluck aus seiner Trinkflasche bittet, schreit ihn Conny an: “Covy!! Wir sollen nur aus unserer EIGENEN Flasche trinken!”

Eine weitere Szene zeigt einen Jungen, der auf dem Fußballfeld am Boden liegt, weint und sich sein Schienbein hält. Connys Kommentar: “Max tu nicht so! Covy hat dich nicht gefoult! Er hat den direkten Kontakt vermieden!”

Als Covy versucht, im Klassenzimmer seine Schulbank zu verrücken, kippt er mit seinem Stuhl um und fällt hin. “Abstand halten Covy…dann passiert so etwas nicht!”, die schadenfrohe Reaktion seiner Zwillingsschwester.

 

Scharfe Kritik

 

Einigen Eltern geht das Comic zu weit. Am Freitag Abend stellt eine Mutter aus Jenesien den Strip auf Facebook und schreibt: “Ich bin einfach nur traurig, richtig traurig und sprachlos. Wenn meinem Kind gelehrt wird, ein anderes weinendes Kind am Boden liegen zu lassen mit ‘stell dich nicht so an’; wenn mein Kind schadenfroh sein soll, mein Kind nicht teilen soll... Wenn das Ganze in der Schule gelehrt wird, dann läuft etwas gewaltig schief.”

Der Facebook-Post ruft ein großes Echo hervor, wird über 200 Mal geteilt und das Comicheft kritisch kommentiert. Unter anderem von Cornelia Brugger, Kindergärtnerin und Gewerkschafterin: “Was hat sich die Provinz eigentlich dabei gedacht? Wir bemühen uns tagtäglich in unseren Kindergärten um ein gewaltfreies, geschlechtergleiches, faires und kooperatives Miteinander und da wird alles mit einem Wisch zunichte gemacht: Mädchen (folgsam und belehrend) schreit Bub (rebellisch und uneinsichtig) an, damit er endlich kapiert. Werd ich sicher nicht verwenden. Auweia.”

“Mädchen gegen Jungs ausspielen, dem Jungen auch noch einen Namen geben, der an die neue Krankheit erinnert... Übelster Sexismus. Und leider auch nicht hilfreich, um die Regeln wirklich verständlich zu kommunizieren”, meint die Autorin Selma Mahlknecht. Eine weitere Userin schreibt auf Facebook: “Soll so eine Sensibilisierungskampagne ausschauen? Ist das der #NeustartSüdtirol, den wir uns für unsere Gesellschaft wünschen? Wo Kindern beigebracht wird, dass Egoismus besser ist als eine Gemeinschaft, sie nicht teilen sollen und bei Menschen, denen es schlecht geht, weggeschaut wird anstatt sie in ihren Gefühlen ernst zu nehmen? Sind das Werte und eine Moral, die wir unserer nächsten Generation vermitteln wollen?”

 

Offener Brief

 

Beim virtuellen Protest gegen das Comic wird es nicht bleiben. Es gibt bereits einen offenen Brief, der am Montag Vormittag auf der Seite der Initiative “Be a Reminder” veröffentlicht wird. Darin wird unter anderem gefordert, das Heft zurückzuziehen.

Auch einige Organisationen, die der Allianz für Familie angehören, werden den Brief mit unterzeichnen, bestätigt deren Sprecherin Christa Ladurner: “Unglaublich, mit welchen Geschlechterstereotypen und Wertehaltungen hier gearbeitet wird – die Botschaft hinter dem Comic ist nicht ok. Wir dürfen ob der Krise nicht vergessen, dass es gewisse Grund- und Wertehaltungen gibt, wie mit Kindern umzugehen ist und für den Umgang von Kindern untereinander. Diese dürfen durch einen Gesundheitsnotstand nicht außer Kraft gesetzt werden.”

Bild
Profil für Benutzer Martin Senoner
Martin Senoner Mo., 14.09.2020 - 12:15

Wasserflasche oder Halbmittag teilen ist tatsächlich (leider) zur Zeit nicht machbar, Bänke verrücken dürfen die Kinder in der Schule auch nicht, aber wie immer gilt: der Ton macht die Musik (In der Sache mag alles stimmen, aber die Umsetzung ist mangelhaft

Mo., 14.09.2020 - 12:15 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Manfred Klotz
Manfred Klotz Di., 15.09.2020 - 07:51

Die Gegen-Alles-Fraktion schlägt wieder zu. Dass Comics seit jeher aus Hyperbeln leben, dürfte nicht angekommen sein. Ob sie wohl auch die Asterix- oder Marvel-Comics kritisieren? Die leben von Stereotypen und alle finden sie lustig oder spannend.

Di., 15.09.2020 - 07:51 Permalink
Bild
Profil für Benutzer gorgias
gorgias Di., 15.09.2020 - 13:13

Antwort auf von Manfred Klotz

Ich glaube Sie verstehen nicht um was es geht. Eigentlich habe ich es mir schon gedacht als ich Ihren schiefen Vergleich gelesen habe.

Ein Comic kann auch eine Form von Lehrmaterial sein. Es gibt auch Schulbücher in denen Comics vorkommen.

Was wäre gewesen, wenn der Junge dunkelhäutig gewesen wäre oder anstatt eines Jungen ein Mädchen mit Kopftuch? Erkennen Sie nun das Problem?

Dieses pädagogische Material ist problematisch. Und das Setting ist auch nicht irrelevant. Würde man in der Schule Asterix oder Marvel-Comics benutzen, würde spätestens heutzutage gleich eine Polemik starten.

Di., 15.09.2020 - 13:13 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Manfred Klotz
Manfred Klotz Sa., 19.09.2020 - 18:16

Antwort auf von gorgias

Sie vermischen in Ihrem schiefen Kommentar wieder themenfremde Aspekte, die keinen Mehrwert in der Diskussion darstellen.
Es ist also offensichtlich, dass Sie nicht verstehen um was es geht.
Ihnen ist schon klar, dass die Polemik, die hier vom Zaun gebrochen wurde eine ganz klare Absicht hat, die mit dem Comic an sich gar nichts zu tun hat?

Sa., 19.09.2020 - 18:16 Permalink
Bild
Profil für Benutzer gorgias
gorgias So., 20.09.2020 - 09:00

Antwort auf von Manfred Klotz

Für den Medienkonsum zu Hause sind die Eltern verantwortlich. Wenn in der Schule bestimmtes Lehrmaterial verwendet wird, das als problematisch angesehen wird, dann macht es Sinn es öffentlich zu thematisieren.

Es macht einen Unterschied ob Stereotype im Lehrmaterial vorkommen oder in Inhalte zur Unterhaltung. Kinder ordnen diese unterschiedlich ein.

Deswegen hinkt Ihr Vergleich mit Asterix und Marvel.

So., 20.09.2020 - 09:00 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Manfred Klotz
Manfred Klotz So., 20.09.2020 - 18:29

Antwort auf von gorgias

Frau Garber kann sehr wohl alleine antworten, wie Sie unmissverständlich erkennen können.
Hinter der Kritik steht absolut keine pädagogische Absicht, sondern es ist eine Breitseite gegen die Politik. Der ich nicht die Generalabsolution erteilen will, aber in diesem Fall ist die Empörung lächerlich.
Besonders wenn man sich vor Augen hält, welches Material die Kinder sonst zu sehen bekommen, das die Eltern kritiklos hinnehmen. Um es vorweg zu nehmen: Nein es macht keinen Unterschied, ob im Privaten oder in der Schule. Imprinting findet immer statt.

So., 20.09.2020 - 18:29 Permalink
Bild
Profil für Benutzer gorgias
gorgias So., 20.09.2020 - 18:41

Antwort auf von Manfred Klotz

Nein es macht keinen Unterschied, ob im Privaten oder in der Schule. Imprinting findet immer statt.

Vieleicht von einem pädagogischen Standpunkt, nicht aber von einem sozialpolitischen bzw. bildungspolitischen.

Aber bitte klären Sie mich auf wer da politisches Kleingeld hier sammeln möchte und auf welchen Kosten.

So., 20.09.2020 - 18:41 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Manfred Klotz
Manfred Klotz So., 27.09.2020 - 10:55

Antwort auf von gorgias

Ihre Ansicht ist falsch, in jederlei Hinsicht. Die Inputs, die Kindern in Familie, Schule und Freizeit gegeben werden, betreffen alle drei von ihnen zitierten Ebenen.
Es geht nicht darum politisches Kleingeld FÜR zu sammeln, sondern GEGEN zu argumentieren. Es macht da gar keinen Unterschied, welches politische Couleur gerade Entscheidungen trifft. Dazu ist jedes Mittel recht, auch ein solch lächerliches wie in diesem Fall.

So., 27.09.2020 - 10:55 Permalink
Bild
Profil für Benutzer gorgias
gorgias So., 27.09.2020 - 12:07

Antwort auf von Manfred Klotz

Es ist POLITISCH gesehen einen Unterschied ob man etwas kritisiert das in der Öffentlichkeit stattfindet oder im privaten, weil für Politik das öffentliche und das private zwei unterschiedliche Sphären sind. So ist es auch nicht widersprüchlich, Dinge zu kritisieren, die in der Öffentlichkeit stattfinden, es aber nicht tut, wenn es im Privaten stattfindet.

Nur in totaliltären Systemen wird die Unterscheidung zwischen privater und öffentlicher Sphäre gänzlich aufgehoben. In einer freiheitlichen Gesellschaft werden Dinge im privaten geduldet, die in der Öffentlichkeit zum Politikum werden.

So., 27.09.2020 - 12:07 Permalink
Bild
Profil für Benutzer gorgias
gorgias Di., 15.09.2020 - 15:05

Antwort auf von Elisabeth Garber

Auf Kinder hat laut Ihnen also kein Einfluß in welchem Setting Sie mit Inhalten konfrontiert werden? Gestehen Sie also Kindern nicht zu dass sie dementsprechend Informationen auch einordnen können? Ist es nicht pädagogisches Grundkonsens dass Beziehung für das Lernen Beziehung eine relevante Rolle spielt?

Di., 15.09.2020 - 15:05 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Manfred Klotz
Manfred Klotz Di., 15.09.2020 - 11:47

Leitgeb, haben Sie verstanden, um was es geht? Können wir uns darauf verständigen, dass Sie sich bemühen einen Sachverhalt zu verstehen, bevor Sie Verzichtbares kommentieren? Danke.

Di., 15.09.2020 - 11:47 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Martin Sitzmann
Martin Sitzmann Di., 15.09.2020 - 14:59

Gut, wenn wir nix Wichtigeres zum Aufregen haben...

Ich kann mir nicht vorstellen, dass Lehrpersonen beim Konzept, beim Lektorat und/oder in der Beratung mitgearbeitet haben. Es sind ein paar gehässige Sachen drin, die wirklich nicht in eine offizielle Broschüre gehören. Und dass der Junge Covy heißt, ist ganz schön daneben!
Nebenbei finde ich diese Broschüre so was von überflüssig: Die Zielgruppe ist die Grundschule, da werden die Regeln den Kindern durch die Lehrpersonen super erklärt. Da braucht es gar nichts, schade ums Papier und die Tinte.

In der Mittelschule hingegen ist das "Regeln austesten" ein größeres Problem. Da könnte man sich mal was Cooles einfallen lassen. Aber bitte nicht wieder so was Dümmliches. Und dann bitte von Testlesern der Zielkategorie bewerten lassen und Kritik der Kids und Lehrpersonen ernst nehmen.

Di., 15.09.2020 - 14:59 Permalink
Bild
Profil für Benutzer rotaderga
rotaderga Mi., 16.09.2020 - 11:41

Früher waren es Märchenzeichnungen und blieben es auch, heute will man aus Comics die Wahrheit erzählen.

Mi., 16.09.2020 - 11:41 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Peter Gasser
Peter Gasser Mi., 16.09.2020 - 13:52

Gorgias (alias Elsa Leitgeb) bestätigt sich selbst?
Das finde ich bemerkenswert, und erlaube mir, diese meine Meinung hier kund zu tun,
da hier Meinungsfreiheit herrscht.

Mi., 16.09.2020 - 13:52 Permalink