Textile Gemälde
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„Es sind sehr persönliche Motive und Arbeiten. Sie handeln zum einen vom Ankommen in Bozen, nachdem ich 10 Jahre in der Schweiz gearbeitet habe“, beginnt Kira Kessler ihre Erzählungen bei einem Rundgang durch die Bibliothek des Kunstsammlers Hans Oberrauch in Eppan. In den neu gestalteten Räumen im alten Schloss Gandegg, stellt Kessler ihr Stoffarbeiten zur Schau. Ihr beruflicher Werdegang – bevor sie sich den textilen Gemälden widmete –, umfasst Beiträge zu exklusiven Haute Couture- und Prêt-à-porter-Marken wie Chanel, Christian Dior, Maison Martin Margiela, Louis Vuitton, Valentino oder Vivienne Westwood, wo Kessler eine Schlüsselrolle bei der Kollektionserstellung und dem Design von maßgeschneiderten Textilien auf der Grundlage innovativer Techniken und Materialkombinationen spielte. „Dann bin ich hier in Südtirol angekommen und musste erstmal wahrnehmen, wo ich da angekommen bin... Das macht man hier ganz gut mit und in der Landschaft“, meint sie zu einem Bild, das ein sehr prägnantes Ankunfts-Moment zeigt.
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Die vielfach mühevoll angebrachten Pailletten auf den Gemälden – ob aus Leder, Federn, Holz, Postkarten oder sogar Kunstrasen –, fertigt Kessler in Eigenregie. „Ich habe eine Liebe zum Textilen und zur Gestaltung in meiner Spezifikation für Stickerei, für Paillettenstickerei“, sagt sie. Dieses Faible wurde zum Ausdruck ihrer Bilder und lassen die Einflüsse aus der Modebranche immer wieder durchschimmern. Sie werden zu (Mode-)Kunst, die nicht an Körper hängt, sondern an der Wand. „Ich finde, dass Stoff nicht immer am Körper getragen werden muss“, meint sie flapsig, „auch ein Teppich ist ein Bild, das am Boden liegt.“ In ihren Gemälden widmet sie sich verschiedenen Bereichen, „die sowohl den persönlichen Mikrokosmos als auch eine breitere globale Perspektive umfassen“.
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Kira Kessler zeigt in ihren Arbeiten – auch das ist eine Besonderheit – flüchtige alltägliche Momente nach einem kunstvoll zerstörerischen Ansatz. „Zerstören und wieder zusammensetzen finde ich spannend“, erzählt sie. Zudem mag sie auch, wenn die Leinwand „Teil des Bildes“ wird und es keinen Rahmen gibt, der für sie und die Betrachter*innen ihrer Bilder „nur eine Beschränkung“ darstellen würde. Kesslers Arbeiten stehen für eine fast magische „Verflechtung des Lebens“. Die Designerin erforscht in ihren Bildern die Dynamik zwischen Menschen, zwischen Mensch und Landschaft, aber auch zwischen Mensch und Maske.
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Kesslers Textilgemälde bauen Schicht um Schicht eine Geschichte auf. Sie lassen sich wie ein Tagebuch oder ein Fotoalbum der Künstlerin lesen oder bestaunen. Die detailreiche Kleinteiligkeit ihrer Arbeiten machen ihr Gesamtwerk zu etwas ganz Großem, zu lebendigen Erkundungen, die in die Tiefe gehen. Auf einem Bild sogar ins tiefe Wasser.