Kultur | Salto Afternoon

Mörderische Mutterliebe

Mit ihrer eigenen Emanzipation kam der Tod: Der Film „Hildegart oder Projekt: Superwoman“ erzählt die Geschichte einer krankhaften Mutter-Tochter-Beziehung.
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Foto: Quelle: Waystone Film

„Erst durch Mord wird mein Projekt wieder ein Teil von mir“, erklärte Aurora Rodriguez im Gerichtssaal den Mord an ihrer Tochter Hildegart. Hildegart sollte die größte Feministin ihrer Zeit werden, doch als sie den Ansprüchen der Mutter nicht mehr genügt, musste sie sterben. Die Geschichte von Aurora und Hildegart Rodriguez scheint auf den ersten Blick fiktiv zu sein, ist sie doch in ihrer Abstrusität kaum zu übertreffen: Im Jahr 1914 wird das Lebensprojekt von Aurora Rodriguez geboren: Hildegart. Die radikale Feministin Aurora, die in einer Welt aufwuchs, in der kein Platz für die Bildung von Frauen war, will eine Superfrau erziehen. In Anlehnung an Nietzsches Übermenschen soll diese Frau die Urmutter aller Feministinnen sein, um so die Welt vom Patriarchat zu befreien. Deshalb wird Auroras Tochter mit unglaublich viel Bildung versorgt – nur Liebe gibt es keine, würde Liebe die kleine Hildegart doch nur verweichlichen. Diese strenge Erziehung trägt auch Früchte: Hildegart legt eine unglaubliche akademische Bildung hin, schreibt mit 13 Jahren bereits sozialistische Pamphlete über eine neue sexuelle Moral und der Freiheit der Frau. Doch es kommt, wie es kommen musste: Die Tochter will sich aus dem goldenen Käfig der Mutter befreien. Auroras Lebenswerk gilt als ruiniert, was für sie nur einen Ausweg bedeutet: Die Zerstörung des Projekts.

Hildegart oder Projekt: Superwoman Trailer Deutsch/German 2016 / Quelle: Filmclub/Youtube

Die Grazer Regisseurin Barbara Casper schafft es, die so irreal wirkende Geschichte der Hildegart in einen größeren Kontext einzupacken. Zwischen Graphic Novel-Szenen, die die Geschichte von Aurora und Hildegart in düsterer Weise erzählen, kommen immer wieder Femen-Aktivistinnen und Expertinnen zu Wort.  Sie liefern aktuelle Bezüge zur Thematik des Feminismus und setzen die Geschichte von Hildegart in die heutige Umgebung: „Aurora war vielleicht sehr intelligent und fortschrittlich. Doch am Ende verwendete sie ihre Tochter auf dieselbe Art, wie es das Patriarchat tut“, beschreibt beispielsweise eine FEMEN-Aktivistin.

„Hildegart oder Projekt: Superwoman“ läuft im Rahmen der Filmreihe female views des Filmclubs Bozen. „Der Film greift ein unglaublich spannendes Thema auf, das noch immer von gesellschaftlicher Relevanz ist: Wie werden wir freie Menschen? Dies wird mit einer Mischung aus Comic und Dokumentation sehr aussagekräftig aufgearbeitet“, erklärt Ulrike Spitaler von female views. Die Reihe will Filmemacherinnen in den Mittelpunkt stellen: „Wir behalten uns vor besondere Kostbarkeiten, die es sonst nicht ins laufende Programm schaffen, einzubauen, um so einen anderen Blick auf gesellschaftliche Themen zu liefern.“

Diesen anderen Blick liefert Casper mit ihrem Film zweifellos. Die Idee der krankhaften Mutter-Tochter-Beziehung wird ausnahmslos hinterfragt und dabei so faszinierend dokumentiert, dass selbst Elfriede Jelinek, Fachfrau für diese Thematik, von einem „einzigartigen Film“ spricht.