Wann werden wir gefragt?
„Voraussetzung für eine nachhaltige Entwicklung ist für uns eine ehrliche und transparente Politikführung …“. Mit diesen Worten ging die „Lista Unica“ 2020 für die Gemeinderatswahlen in St. Ulrich ins Rennen. Die Wähler*innen stimmten für eine fortschrittliche und nachhaltige Politik. Sätze wie „Es muss eine bestimmte Form und Qualität des Tourismus gewährleistet sein, damit das Tal für die einheimische Bevölkerung lebenswert bleibt“, klangen aus den Mündern der neuen, jungen, motivierten Kandidat*innen zunächst auch glaubwürdig.
Auf die Begeisterung folgte jedoch sehr bald die Ernüchterung. Am 27.09.2022 stimmte der Gemeinderat St. Ulrich für die Mitfinanzierung der Kandidatur Grödens zur Austragung der Ski-WM 2029. Die „Lista Unica“ stimmte mit sieben Stimmen dafür und mit zwei Stimmen dagegen. Sprachlos, enttäuscht und zornig fühlten sich viele Wähler*innen. Durch die Mitfinanzierung werden 250.000 € für Reisen des WM-Komitees sowie 60.000 € für fragliche Geschenke mit öffentlichen Geldern bezahlt. Gelder, die bei Kleinkinderbetreuung, Schulmensa und Turnhallen, Wohnbauförderung usw. fehlen. Zudem stehen mit den zwei weiteren Kandidaten Andorra und Narvik (Norwegen) durchaus konkurrenzfähige Skigebiete zur Auswahl. Was, wenn Gröden nicht gewinnt? Dann hätten die der Grödner Gemeinden 1,1 Millionen € in den Sand gesetzt. Wenn Gröden aber im Mai 2024 in Reykjavik als Sieger hervorgeht, wird ein Vielfaches mehr an Steuergeldern spendiert werden. Als netter Nebeneffekt wird das Tal noch überlaufener und jeder Quadratmeter noch teurer werden. Und wer profitiert davon?
Man kann sich gerne dadurch rechtfertigen, dass diese (unsere) Gelder endlich zu einer Lösung des Verkehrsproblems führen. Dass das Tal zusammenhalten muss. Dass die WM „nachhaltig“ und vor allem „grün“ gestaltet wird. Effizientere Mobilität muss aber auch ohne WM gehen. Und der Zusammenhalt im Tal ist so groß, dass Wolkenstein ohnehin von Anfang an klargestellt hatte, notfalls auch alleine teilzunehmen, mit oder ohne Nachbardörfer. Eventuell würde die Gemeinde den Beitrag sogar alleine stemmen, denn Geld spielt keine Rolle. Und grün kann solch ein Megaevent niemals sein, außer man glaubt an Märchen.
Gäbe es in Ladinien nicht ein Nachbartal, welches sich vorbildlich und bürgernah verhalten hat, würden wir jede Hoffnung für eine gerechtere und klimafreundliche Zukunft verlieren. Was in Gröden insgesamt fehlten, waren öffentliche Stellungnahmen und Debatten. Partizipation seitens der Bürger*innen hat nicht bzw. sehr einseitig stattgefunden. Der Vorschlag einer Bürgerbefragung wurde abgelehnt, wo doch 1990 70% der Bevölkerung von St. Ulrich gegen eine WM gestimmt haben. Vor über 30 Jahren gab es anscheinend noch eine Mitbestimmung vonseiten der Bevölkerung.
Wenn wir diese Wahnsinns-WM auch nicht mehr aufhalten können, so hoffen wir in Zukunft auf Gemeinderäte, die das Vertrauen ihrer Wähler*innen nicht auf diese Art missbrauchen und auf Menschen, die zeitgemäße Zukunftsvisionen haben und sich nicht von einigen profitorientierten Lobbys treiben lassen.
Es gibt mehrere Möglichkeiten
Es gibt mehrere Möglichkeiten. Es gibt eine ehrliche Volksbefragung. Dann gibt's eine scheinbare Volksbefragung (Flughafen Bozen), oder man verzichtet darauf, ist auch wieder ehrlich. Was das dann mit Demokratie und Partizipation zu tun hat, boh. Die Grödner können sich trösten, wegen der Winterolympiade wurde die Bevölkerung auch nicht befragt. Und die SVP wird sich auch freuen, zeigt sich doch, dass es andere auch nicht viel besser machen.
Ausgezeichnet geschriebenes
Ausgezeichnet geschriebenes Statement der Artikel die das ganze auf den Punkt bringt. Bravo!