Politik | Aus dem Blog von Gerhard Mumelter

Die Schlammschlacht um den Quirinal

Der Kampf um die Nachfolge Giorgio Napolitanos entartet zu einer geschmacklosen Operette, die im Partito Democratico zu einer Zerreißprobe führt und in der Fünfsterne-Bewegung etliche Ungereimtheiten an die Oberfläche bringt.

Anna Finocchiaro?  Franco Marini? Stefano Rodotá? Der Kampf um den Einzug in den Quirinalspalast entartet immer mehr zu einer intrigenreichen Schlammschlacht, bei der offene Rechnungen beglichen werden. Im Partito Democratico dürfte die  Wahl zu einer Zerreißprobe werden. Der unglücklich agierende Parteichef Pier Luigi Bersani könnte im Machtkampf gegen seinen Rivalen Matteo Renzi politisch nicht überleben. Doch auch Grillos Fünfsternebewegung wurde bei ihren Quirinarie die Grenzen der Internet-Demokratie vor Augen geführt. Die Basiswahl hievte zwei politische Dinosaurier unter die ersten zehn: Romano Prodi und Emma Bonino. Prodi war bereits Minister, als noch Paul VI als Papst amtierte, Bonino stieg in die Politik ein, als Spanien noch eine Diktatur war. Doch die Basiswahl offenbarte weitere Pannen. Das Fußvolk konnte der Versuchungen nicht widerstehen, ihren Gründer Beppe Grillo zum Kandidaten zu küren - ein eklatanter Verstoß gegen das Statut der Bewegung, das Vorbestraften jede Kandidatur untersagt. Grillo wurde wegen eines von ihm verursachten Unfall mit drei Toten zu einer bedingten Hafstrafe verurteilt.

Unwillige Kandidaten

Die Ungereimtheiten sind damit nicht beendet. Denn die Parteibasis wählte auch zwei Persönlichkeiten zu Kandidaten, die unmißverständlich klargemacht hatten, daß sie am höchsten Staatamt nicht interessiert seien: Nobelpreisträger Dario Fo hatte einleuchtend unterstrichen, daß er sich nicht mit 86 Jahren in ein Amt wählen lasse, das erst 2020 ausläuft. Die Journalistin Milena Gabanelli hatte "totale Desinteresse" bekundet. Nun muß die Bewegung versuchen, im zweiten Wahlgang einen Sieg Boninos oder Prodis zu verhindern, der ein gewaltiges Eigentor darstellen würde. Damit wurde sofort begonnen. "Informatevi sulla Bonino e Prodi, che di aspetti negativi ne hanno moltissimi", fordert der stellvertretende Fraktionsvorsitzende  Riccardo Nuti. Die Wahl der beiden Uralt-Politiker offenbart die Widersprüche in der Bewegung. Mag sein, daß das Fußvolk für Prodi stimmte, weil der Ex-Premier für Silvio Berluconi ein rotes Tuch darstellt. Schwieriger zu begreifen ist die Wahl Boninos, die sich für die Privatisierung des Trinkwassers und für Gen-Food ohne Etikettierungspflicht stark machte.

Grillini bevorzugen Altherren

Nun hat die Basis im zweiten Wahlgang zur Kür des offiziellen Kandidaten eigentlich nur die Wahl zwischen den verbleibenden fünf Bewerbern - allesamt Altherren im Durchnittsalter von 74 Jahren - offenbar schafft es auch eine junge und alternative Bewegung nicht, der in Italien seit Jahrzehnten dominierenden Gerontokratie den Garaus zu machen. Daß sich unter den zehn Auserwählten nur zwei Frauen befinden, läßt nicht auf ein ausgeprägtes Emanzipationbedürfnis schließen. Dagegen demonstrierten die Quirinarie klar, daß die Basis der Bewegung links steht. Unter den fünf verbleibenden Männern hat Stefano Rodotá' gute Chancen, auch vom Partito Democratico gewählt zu werden.Auch er ist im Grunde ein politisches Urgestein, dem man seine Endlos-Laufbahn verzeiht, weil er Alternativer ist. Doch der 80-jährige war viermal Abgeordneter, einmal Europarlamentarier, Minister, Vizepräsident der Kammer, Präsident der Aufsichtsbehörde für die Privacy und Mitglied des Europarats - alles andere als ein Quereinsteiger. Nach einer facebook-Umfrage hat auch Gino Strada gute Chancen. Auf Stimmen aus anderen Lagern kann der  verdiente  Arzt  wegen seines kantigen Charakters kaum hoffen. Bleiben drei Juristen: Gustavo Zagrebelski, Ferdinando Imposimato und Giancarlo Caselli, dessen Wahl vor allem bei den mit Grillo verbündeten TAV-Gegnern auf Verärgerung stieß, von denen der Staatsanwalt einige verhaften ließ. Das Ergebnis der Quirinarie ist bescheiden, unter den Namen befindet sich keine einzige Überraschung. Absurd, daß die sonst so transparenzsüchtige Bewegung weder das Ergebnis mitteilte (die zehn Gewählten wurden nur in alfabetischer Reihenfolge bekanntgegeben) noch die Zahl der Wähler. Wahlberechtigt waren 48.000 eingeschriebene Mitglieder - 0,4 Prozent der M5S-Wähler. Alles andere als ein glorreiches Kapitel Internet-Demokratie.