Feuerprobe für den Konvent
Lange schwirrte er als Schlagwort durch das politische Geschehen. Ab morgen wird es konkreter mit dem Autonomie-Konvent oder Südtirol-Konvent, wie er mittlerweile genannt wird. 32 Personen aus Wissenschaft, Verbänden, Politik und der Zivilgesellschaft sollen ab Herbst ein Jahr lang beraten, wohin die Reise für Südtirols Autonomie gehen soll und wie sie an die veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen angepasst werden kann. So wird der Inhalt des Gesetzesentwurfes von PD und SVP auf den Punkt gebracht, der ab Donnerstag im Landtag diskutiert werden soll. Erneuerung und Partizipation heißen – ganz im Zeitgeist - die zwei wesentlichen Steckenpferde. Erneuert werden soll ein im Geiste der Sechziger Jahre entstandenes Statut. Mitwirken darf dabei dank dem auch von den EU-Verträgen empfohlenen Konvent auch die Zivilgesellschaft: 100 BürgerInnen sollen dabei laut dem Gesetzesvorschlag im sogenannten „Forum der 100“ mitreden, acht von ihnen werden stellvertretend auch im entscheidenden Organ selbst mitwirken. „Wichtig ist aber auch eine intensive Beteiligung von Mehrheit und Opposition bei der Reform des Autonomiestatutes“, betonte SVP-Fraktionssprecher und Erstunterzeichner Dieter Steger im Vorfeld. Seine Hoffnung? Dank des Beteiligungsprozesses soll „ein bestmöglicher Konsens hinsichtlich einer positiven gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Weiterentwicklung Südtirols gefunden werden.“
Ein Wunsch, den auch einer der Väter des Autonomiekonvents hegt: Francesco Palermo, Senator und Präsident der Sechser-Kommission hatte bereits vor fünf Jahren einen ersten Entwurf für einen regional angelegten Konvent vorgelegt, der jedoch nie den Weg in die gesetzgebenden Organe fand. Dennoch zeigt sich der Verfassungsrechtler im Vorfeld der Landtagsdebatte wenig nachtragend. Vielmehr ruft er Mehrheit und Opposition dazu auf, sich ihrer Verantwortung bei diesem „Schritt von historischer Tragweit" bewusst zu sein. Denn: Wenn solch partizipative Prozesse einmal in Gang gesetzt worden sind, wird unsere Gesellschaft nicht mehr dieselbe sein, verkündet er am Mittwoch feierlich in den italienischen Tageszeitungen. Voraussetzung dafür sei aber die Öffnung der Mehrheitsparteien für die Beiträge aller Teilnehmer des Konvents, erklärt Palermo gegenüber der Tageszeitung Alto Adige.
„È la prima volta che si esce dal principio di maggioranza. Questo comporta una responsabilità sia da parte di Svp e Pd, che da parte delle opposizioni. Sarebbe un errore grave se la maggioranza andasse avanti con una propria proposta blindata, a quel punto la Convenzione sarebbe solo una perdita di tempo. La maggioranza deve essere aperta al contributo di tutti i partecipanti alla Convenzione. Le opposizioni e i loro rappresentanti dovranno avere la responsabilità di non arroccarsi in posizioni pregiudiziali.“
Doch es braucht noch nicht einmal die Stimmen der italienischen Vertreter im Südtiroler Landtag, um zu erkennen, wie schwierig es werden wird, diesen Ansprüchen Genüge zu tun. Es reicht beispielsweise sich vor Augen zu führen, wie Grüne sowie Freiheitliche und Südtiroler Freiheit am Donnerstag in die Diskussion starten, um wieder auf dem Boden der Tatsachen zu landen. „Ich sehe einige Gründe, an denen der Konvent scheitern kann“, bestätigt Grünen-Co-Sprecherin Brigitte Foppa, „und wenn er jetzt nur von der Mehrheit eingesetzt wird, legt er schon einmal einen denkbar schlechten Start hin.“
Um dies zu vermeiden, müssten SVP und PD am Donnerstag sowohl nach rechts wie auch nach links noch einige Zugeständnisse hinlegen. 51 Änderungsanträge haben allein die Grünen vorbereitet, die im Vorjahr auf Basis eines Konzeptpapiers des Netzwerks Partizipation bereits drei Monate vor dem SVP-PD-Text einen eigenen Gesetzesvorschlag für den Konvent eingebracht haben. Der liegt mittlerweile wieder auf Eis; doch zumindest ihre wichtigsten Anliegen will die Grüne Fraktion berücksichtigt wissen. Dazu gehört allem voran eine stärkere Berücksichtigung der Bevölkerung bei den Arbeiten. „Acht BürgerInnen gegenüber einem Haufen BerufspolitikerInnen haben einfach keine Kraft“, sagt Foppa. Ein Ja zum Konvent-Gesetz machen die Grünen deshalb von einer Verdoppelung der Abgesandten der Zivilgesellschaft abhängig.
Doch auch sonst sehen die Grünen bereits in dem „Prozedur-Gesetz“, wie es Landeshauptmann Arno Kompatscher nennt, vieles von dem verschwommen, was ihnen für den Konvent vorschwebte. „In unserem Entwurf war beispielsweise klar vorgesehen, dass der Konvent einen Gesetzesentwurf ausarbeitet, nun ist nur mehr von einem Dokument die Rede“, macht Foppa ein Beispiel. Worüber sie selbst diskutieren möchten, ist für die Grünen jedenfalls klar: Von der Frage, ob Südtirols Schulen immer noch einen starren Artikel 19 brauchen bis hin zur Rolle der Gemeinden gegenüber dem Land. „Wir glauben, dass die innere Ausgestaltung der Autonomie noch nicht ausgereift ist“, meint Foppa. „Bisher hat man ständig einen äußeren Feind aufgebaut, um nicht im Innern die Sachen anzugehen, die wir schon lange machen müssten.“
Schutz dem Proporz, Schluss mit der Zweisprachigkeit bei Ortsnamen
Doch wieviel inhaltlichen Spielraum dafür gibt es im Südtirol-Konvent? Und welche Ergebnisse des beratenden Organs haben überhaupt die Chance, auch Eingang in ein überarbeitetes Statut zu finden? Fragezeichen, die nicht nur mit den möglichst unverbindlich gehaltenen Formulierungen im Gesetzesentwurf im Zusammenhang stehen, sondern vor allem mit den realen politischen Vorstellungen im Südtiroler Landtag. Einen Vorgeschmack darauf hat die Dauer-Kritik von Südtiroler Freiheit und Freiheitlichen am Autonomiekurs der Volkspartei gegeben, die erst nach der SVP-Landesversammlung in Meran einen neuen Höhepunkt erreicht hatte. „Die Ergebnisoffenheit ist einer der entscheidenden Punkte für unsere Zustimmung“, sagt der Freiheitliche Fraktionssprecher Pius Leitner. Denn welchen Sinn macht ein Autonomie-Konvent, wenn darin nicht einmal die Möglichkeit für eine Diskussion über die Thematik Sezession, Unabhängigkeit und Selbstbestimmung möglich ist, fragen die Freiheitlichen.
Die Antwort, die sie sich selbst geben? „Die SVP möchte den Pakt mit dem PD auf breiter Ebene absegnen lassen“, so Pius Leitners Vorwurf. In anderen Worten: „Es geht darum, wie man den Menschen verklickern kann, dass Themen wie Proporz oder die Ansässigkeit aufgeweicht werden, wie es Grüne, PD und mittlerweile auch der Movimento 5 stelle fordern“, sagt der Freiheitliche Fraktionssprecher. Die Losung, unter der er und seine Fraktionskollegen deshalb in die morgige Diskussion ziehen, lautet deshalb: Wehret den Angriffen auf die Grundsäulen der Autonomie. Doch die Bedingung, dass diese unbeschadet bleiben, wird nicht die einzige Forderung der Freiheitlichen bleiben. So findet sich unter ihren Tagesordnungsanträgen unter anderem die Forderung nach einer auf fünf Jahre angelegten Wirtschaftlichkeitsrechnung, die aufzeigt, was ein Freistaat gegenüber der aktuellen Autonomie kostet und bringt. Für Diskussionsstoff gesorgt ist zweifelsohne auch mit dem Antrag, die Zweisprachigkeit bei Ortsnamen abzuschaffen. „Wir wollen dass die Einnamigkeit festgestellt wird, aufgrund von völkerrechtlichen Grundlagen“, sagt Pius Leitner.
Wie sieht die Autonomie von morgen aus, und wer bestimmt ihr Gesicht? Ob das aktuelle Gesetz tatsächlich ein neues Kapitel in Südtirols Autonomiegeschichte aufschlägt, ist noch zu sehen. Sicher ist: die Diskussion darüber, wird uns so schnell nicht wieder loslassen.