Neue Horizonte in Südtirols Partyszene
Und die Menge vibriert. Körper an Körper tanzen sie zum Beat der Musik und lassen sich fallen. Dabei ist ihr Blick immer nach vorne gerichtet. Nach vorne auf ihre Helden, die Götter der Plattenteller, die den Sound der Nacht produzieren. Das Aufgehen in der Musik wird dabei nur durch ein kurzes Selfie unterbrochen: Die Nacht soll in Erinnerung bleiben – oder man will seinen Instagramfollowern zeigen, wie viel Spaß man hat.
Am Mittwoch, den 12. April hat das Kick Off für das Love Electro Festival stattgefunden. Unter dem Motto „Love Electro presents: Future Bass vs. Trap“ soll im Club Max ein Vorgeschmack auf das alljährlich stattfindende Event geliefert werden. Dass Love Electro mittlerweile zu einer festen Größe der Südtiroler Partyszene gehört, zeigt die Tradition des Events: Bereits seit sieben Jahren findet es statt.
„Wir wollen Abwechslung nach Südtirol bringen, eine Alternative zum kommerziellen EDM (=Electronic Dance Music) bieten und zeigen, dass auch Musikrichtungen abseits vom Kommerz Platz in der Südtiroler Szene haben“, erklärt Arno Parmeggiani, einer der Gründer der Love Electro-Events.
Deshalb liefert das Love Electro-Team rund um Karim Dhouibi, Pietro Giuliani, Lorenz Jocher und Stefan Malfertheiner als Kick Off für das Festival im Sommer neue Musikrichtungen, wie Future Bass und Trap, die unter dem jungen Publikum schon als Favoriten gelten. Denn die Zielgruppe ist ein junges Partypublikum, bewegt man sich durch die Menge liegt der Altersdurchschnitt geschätzt zwischen 16 und 19 Jahren – was sich auch im Enthusiasmus des Publikums niederschlägt: Man feiert als gebe es keinen Morgen, der Großteil steht auf der Tanzfläche, die Theken im Club Max sind für eine Party dieser Größe relativ leer. Ob dies am strikten Alkoholverbot für die unter 18-Jährigen oder am nicht sparsam eingesetzten „Vorglühen“ rund um den Club liegt, steht nicht zweifellos fest. Doch nicht nur in Bezug auf Alkoholverbote greift der Club hart durch. Vermehrt erzählen Partygänger vom zweifelhaften Verhalten seitens der Security: Von unbegründeten Einlassverboten bis hin zu Gewalt der Security gegenüber den Feierenden ist die Rede, was sich auch in den Facebook-Bewertungen des Clubs wiederspiegelt.
Dies hält die Partymeute allerdings nicht davon ab zahlreich nach Brixen zu pilgern, denn das Line Up scheint die Menge zu überzeugen: Neben internationalen Acts wie Mike Cervello aus Holland und NOT YOUR DOPE aus Deutschland, heizen insbesondere die Lokalmatadoren Subsurface dem Publikum ein. Besonders hier drängen sich all die jungen Partygänger näher an die DJs und headbangen zum Sound der beiden Südtiroler. Die Energie, die dabei entfesselt wird, ist für das sonst oft schüchterne Südtiroler Publikum beispielslos.
„Für einen Mittwoch ohne darauffolgenden Feiertag ist die Stimmung außergewöhnlich. Die Acts halten, was sie versprechen“, so Parmeggiani. Nichtsdestotrotz zeigen das internationale Lineup, sowie die Visuals und das Stagedesign, wie sehr sich die Love Electro Events mit internationalen Größen messen wollen. Unter den abstrakten Animationen, die sich auf die Farben Schwarz und Weiß beschränken, fügt sich das Südtiroler Publikum perfekt ein: Der Trend zur durchwegs schwarzen Kleidung, den die Techno-Metropole Berlin seit Jahren prägt, scheint auch in Südtirol angekommen zu sein. Dazu noch Sneakers und Rucksack und das Outfit des gemeinen Love Electro – Gängers ist komplett. Dennoch trifft die Südtiroler Partygänger im Vergleich zu denen in den Metropolen ein hartes Los: Die Sperrstunde wird klar nach vorne geschoben. Bereits um 3.30 Uhr gehen die Lichter aus – außerhalb von Südtirol füllen sich jetzt normalerweise die Clubs. Das Bewusstsein für dieses alternative Feiern fehle in Südtirol noch, so Parmeggiani: „Wir haben zwei große Probleme in Südtirol: Einerseits ist die Bürokratie unglaublich mühsam und teilweise auch willkürlich, und andererseits herrscht zu wenig Akzeptanz für Festivitäten, die eine neue Richtung einschlagen wollen. Teile der Bevölkerung, aber auch die Politik und somit die Entscheidungsträger, sind sehr skeptisch. Hier müssen die Veranstalter eingreifen, durch professionelles Auftreten und Befolgen der Regeln zeigen, dass Feiern auch ohne das Entstehen von Problemen möglich ist.“
Doch die Einschränkungen der Politik lassen die junge Partymeute kalt: Man will feiern, man will etwas erleben, man will die Sorgen des Alltags vergessen. Die Menge verschmilzt, jeder tanzt und gibt sich der Musik hin. Dies bleibt auch nicht dem Headliner Mike Cervello verborgen. „I heard stories from Italy, came all the way from Amsterdam, now make the biggest moshpit ever!“, heizt er das Publikum an. Dies lässt sich die Aufforderung nicht zweimal sagen, die Menge trennt sich und im Blitzlicht von Snapchat und Instagram stürzen sich die jungen Hungrigen aufeinander, so als würden sie all die Konventionen, all die Auflagen und all die Monotonie des Alltags durch das Aufeinanderprallen der Körper lösen.