Gesellschaft | Tourismus

Werbung für Südtirol

Vor rund einer Woche wurde die neue digitale Gästekarte vorgestellt. Was der Lenkung der Touristenmassen dienen soll, hat offenbar auch einen (gezielten?) Werbeeffekt.
Tourismus und Vekehr in Südtirol
Foto: Seehauserfoto
  • Unter großem medialen Andrang haben die Interessensvertreter aus Wirtschaft und Politik vor Kurzem die neue digitale Gästekarte als den großen Wurf präsentiert. Statt 20 verschiedener Karten – bei denen sich niemand auskannte und der Gast erst recht nicht – wird es zukünftig nur mehr eine geben, und zwar für das gesamte Landesgebiet. 

  • Der neue digitale Gästepass: Für den Gast wird alles einfacher. Foto: Mobilitätskonsortium

    Die Gäste sollen es damit einfacher haben: Während in der Vergangenheit der Südtirol Guest Pass als vorgedruckte Karte ausgehändigt wurde, wird er künftig an das Smartphone gesendet. Mit der Anmeldung im Beherbergungsbetrieb wird der Gast digital erfasst und anschließend ein personifizierter Pass generiert. Dieser wird ihm per Mail zugeschickt, der ihn dann entweder ausdrucken oder im Wallet, der digitalen Brieftasche auf dem Smartphone, speichern kann. 

    Doch wozu betreibt das Land so viel Aufwand? Bis dato hat sich nämlich noch keine andere Tourismusregion an ein Projekt dieser Größernordnung gewagt. Ein „riesengroßes Thema“, wie Ambros Hofer, Präsident Landesverband der Tourismusorganisationen, kürzlich SALTO gegenüber erklärte, ist der Verkehr. Ein ebenso großes Thema der Over-Tourism, der nicht nur auf den Kanarischen Inseln für eine sinkende Tourismusgesinnung sorgt, sondern auch in Südtirol. Das führt soweit, dass Einheimische bestimmte Gebiete zur Hochsaison regelrecht meiden oder sich nur mehr zu bestimmten Tages- und Uhrzeiten in die Städte wagen. 

  • Urlaubszeit: Während der Ferienzeit werden die Tourismus-Hotspots in Südtirol regelrecht gestürmt. Foto: Othmar Seehauser
  • Mit dem „Südtirol Guest Pass“ soll den Touristen nicht nur der Umstieg vom Auto auf die öffentlichen Verkehrsmittel schmackhaft gemacht werden, sondern das Land erhofft sich durch die Datenauswertung auch wichtige Erkenntnisse. Finanziert wird das ganze Projekt über einen Beitrag von aktuell 60 Cent pro Nächtigung und pro Gast. Dieser wird über den Beherbergungsbetrieb als Umlagefinanzierung eingehoben und abgerechnet. Rund 20 Millionen Euro sollen so jährlich in die Haushaltskassen des Landes gespült werden, welches mit dem Geldsegen wiederum den Ausbau der öffentlichen Mobilität vorantreiben will. Was als Vereinfachung und Anreiz für die Touristen gedacht ist, soll aber auch den Tourismusvertretern und dem Mobilitätsressort wichtige Erkenntnisse bescheren: Die Nutzerdaten werden Informationen über die Auslastung bestimmter Linien und Dienste liefern und damit zusammenhängend eine Besucherstromlenkung ermöglichen – ähnlich wie in Prags, wo vor zwei Jahren ein entsprechendes Pilotprojekt gestartet wurde. 

  • Werbung für den Gästepass

    Pragser Wildsee: Nachdem in den vergangenen Jahren das beliebte Ausflugsziel regelrecht gestürmt wurde, hat die Landesregierung vor zwei Jahren ein Pilotprojekt zur Besucherstromlenkung gestartet. Foto: @salto.bz

    Insofern sind an diese Karte auch hohe Erwartungen verknüpft, nämlich eine Verkehrsreduzierung und die Vermeidung von Staus – von der Straße auf die Schiene sozusagen. Befürchtet wird von den Kritikern allerdings, dass das Projekt einen gegenteiligen Effekt haben könnte, und zwar dann, wenn es sich als zu erfolgreich herausstellt. Ein aktueller Bericht des Münchner Merkur liest sich nämlich wie eine Werbekampagne für Südtirol und die neue Gästekarte. Unter dem Titel „Wichtige Neuerung für Südtirol-Urlauber – Fast alle Touristen betroffen“ wird der neue Gästepass vorgestellt und die Vorzüge – er lässt sich auf dem Smartphone speichern und soll den Urlaub erleichtern – hervorgehoben. Angepriesen wird die Karte mit der Beschreibung, dass die Gäste damit Züge, Seilbahnen, Stadt- und Überlandbusse nutzen und damit von Ortschaft zu Ortschaft reisen können. Auch nützliche Tipps für eine Reise zum Pragser Wildsee hat Merkur parat, inklusive Verweis auf die Webseite von südtirolmobil.info. Für detaillierte Informationen, so der Rat, mögen sich die Reisenden an die jeweiligen Gastbetriebe vor Ort oder die lokalen Tourismusbüros wenden. Einziger Haken dabei sei, dass der Gästepass nicht überall gilt und nicht für alle Zugverbindungen. So sind Reisen mit den Fernverkehrszügen wie EC-Züge, Railjet, Frecciarossa, Frecciargento oder Italo ausgenommen. Auch eine Fahrrad- und Tiermitnahme ist damit nicht möglich. Zwar heißt es abschließend, dass laut einer aktuellen Umfrage Österreich in der kommenden Sommersaison Südtirol und Bayern abhängt, der Gästepass-Werbeeffekt könnte allerdings wieder einiges wettmachen.