Kultur | Salto Afternoon

Politisch-poetisch

Gezeichnete Zitate: am Schnittpunkt zwischen Kunst und Literatur.
Glücksversprechen
Foto: Foto: Salto.bz

Gestern Abend (Donnerstag, 14. September) stellte Andreas Hapkemeyer sein Buch Glücksversprechen in der Gärtnerei Schullian vor. Der Titel hält den Inhalt im Verborgenen, der Klappentext erklärt: Das Buch besteht aus Bild- und Textzitaten, die der Autor handschriftlich von literarischen Quellen und Bildern kopiert hat. Nicht nur die Bilder, sondern auch die kurzen Texte sind gezeichnet und weisen auf das zentrale Thema des Buches hin: den Schnittpunkt zwischen Bild und Sprache, der sich weder in der Kunst, noch in der Literatur verorten lässt. „Die Kunst ist ein offenes System, das sich in viele verschiedene Richtungen öffnet und doch visuell orientiert ist“, erklärt Hapkemeyer. Die Literatur hingegen, sei ein geschlossenes System, in dem das Visuelle oft ausgeschlossen wird.

In dieser Hinsicht erinnert Glücksversprechen an die Konkrete Poesie der 50er und 60er Jahre, die Sprache als visuelles Gestaltungsmittel verwendet. Der Unterschied ist jedoch, dass Hapkemeyer Bild und Sprache weder visuell, noch inhaltlich zu Einem werden lässt. Er belässt der Sprache ihre Worte und dem Bild seine Konturen, ohne beide zu vermischen. Gleichzeitig betont er, dass die Zuordnung der gezeichneten Zitate zu den ihnen gegenüberstehenden Bildern zufällig sei.

Beim Betrachten der Seiten ertappen sich Betrachter-Leser jedoch dabei, automatisch Zusammenhänge herzustellen. Dem Satz „dahin dahin möchte ich mir dir o mein geliebter ziehn“ steht die Zeichnung gegenüber, die einen geschlossenen Kreis mit labyrinthartigen Verschachtelungen zeigt. Ob an eine Liebesgeschichte auf Irrwegen oder eine gemeinsame Flucht ins Unbekannte, mit jeder Seite öffnen sich neue, individuelle Gedankenspiele und Assoziationen. Dass der Satz von Goethe und das Bild von Piet Mondrian stammen, spielt dabei keine Rolle. Hapkemeyer hat sich bewusst entschieden die Quellenangaben nicht anzuführen, wodurch er die Zitate ihrem ursprünglichen Kontext entreißt und ihre Bedeutung verändert.

Das gesamte Buch besteht, abgesehen vom Klappentext, aus Zitaten; auch der Titel Glücksversprechen geht auf Stendhal zurück. Weitere Zitate stammen unter anderem von Ingrid Bachmann, Giuseppe Ungaretti, Francisco Goya und sogar aus Zeitungen. Literaturwissenschaftler Sigurd Paul Scheichl, der am gestrigen Abend einige Worte zum Buch sprach, erklärt, dass mit Glücksversprechen das Autorenbild verändert wird:          

Der Autor bildet einen Text, ohne seine eigenen Worte zu verwenden.

Dies geschieht ganz im Sinne der Postmoderne, die sowohl in der Literatur, als auch in der Kunst mit Appropriation Art, auf das Zitieren von Vorhergegangenem aufbaut. „Ein Zitat ist immer eine Reflexion über Geschichte“, so Scheichl.

Im Falle von Glücksversprechen regen die Zitate vor allem auch zu Reflexionen über globalpolitische Themen an. Die Konturen von Bewaffneten, vermummte Gesichter, naufragar m’è dolce il questo mare und von guten mächten wunderbar geborgen, rufen Bilder der Flucht vom Süden in den Norden hervor. Gleichzeitig erinnern einige der Zitate auch an die europäisch-romantischen Vorstellungen eines imaginären Südens.

So einfach das Buch gestaltet ist, so schwierig ist es zu „lesen“. Jede Seite erzählt Geschichten, weckt Erinnerungen und erzeugt neue Bilder, die sich verschiedenst auslegen lassen. Schlussendlich ist es aber vor allem das Politische im Poetischen, das dem Titel Glücksversprechen eine aussagekräftige Interpretation verleiht.