Der Senator sticht zurück
Die Zutatenliste der Radiosendung, die Giuseppe Cruciani seit zehn Jahren moderiert, ist nicht lang. Eigentlich reicht dem 50-jährigen römischen Journalisten ein aktuelles Thema, das er mit einer gehörigen Portion an Provokation würzt, um sein Millionenpublikum eineinhalb Stunden lang zu unterhalten. “La Zanzara” heißt das Programm, das der Radiosender der renommierten italienischen Wirtschaftszeitung Il Sole 24 Ore, Radio24, täglich von Montag bis Freitag um 18.30 Uhr ausstrahlt. “Parlare chiaro”, Klartext reden, lautet das erste Gebot von “La Zanzara” und seinem Moderator. In diesem Sinne nimmt sich Giuseppe Cruciani kein Blatt vor den Mund, provoziert und beleidigt und bringt regelmäßig mehr oder minder bekannte Persönlichkeiten gegen sich auf. Nun hat Hans Berger der Stachel der “Zanzara” getroffen.
“A casa tua, a Bolzano, parli in quella minchia di tedesco di merda. Ma non puoi parlare in tedesco davanti al Quirinale, parli in i-ta-liano!”
Deutsche Sprache, verbotene Sprache
Der Vorfall liegt inzwischen eine knappe Woche zurück. Am 9. Dezember schaut ganz Italien nach Rom. Dort haben nach dem Rücktritt von Matteo Renzi als Ministerpräsident die Beratungen mit Staatspräsident Sergio Mattarella begonnen. Im Anschluss daran treten die einzelnen parteipolitischen Vertreter vor die Presse und geben ein kurzes Statement ab. Für die SVP sind das der Abgeordnete Daniel Alfreider und Senator Hans Berger. Als letzterer das Wort ergreift, spricht er einige Sätze auch auf Deutsch. Das genügt, um Giuseppe Cruciani auf den Plan zu rufen. Als er am Abend zum Radio-Mikrofon greift, macht er sich gleich daran, den ‘Skandal’ ins Land zu posaunen. Und schlägt dabei harte Töne an.
Im Zwiegespräch, das Cruciani traditionsgemäß mit seinem Co-Moderator David Parenzo über Telefon führt, echauffiert er sich über Bergers Auftritt und die Tatsache, dass es dieser gewagt hat, in deutscher Sprache zu “den Italienern” zu sprechen:
“C’è un tizio della Sudtiroler Volkspartei (…) il quale parla in te-de-sco. Parla in tedesco davanti alle telecamere! Parla in tedesco! (…) Esci dal Quirinale – parli davanti agli italiani. Poi a casa tua, a Bolzano, parli in quella minchia di tedesco di merda. Ma non puoi parlare in tedesco davanti al Quirinale, parli in i-ta-liano! Queste cose mi fanno impazzire.”
Dann spielt Cruciani die Stelle ein, an der Hans Berger vom Italienieschen ins Deutsche wechselt:
“Permettete, siccome siamo bilingui, dass ich auch ein paar Worte in Deutsch sage (…).”
Nun ergreift David Parenzo das Wort. Der 40-jährige Journalist gilt als liberal und hat heuer seinen Sommerurlaub in Gröden verbracht. Er und Cruciani stacheln sich gegenseitig an.
Parenzo:
“Fammi dire una cosa a questo signore: Vada a fare le consultazioni dalla Merkel!”
Cruciani:
“Esatto! Ma poi, scusa, vai a dire le cose al tuo elettorato dove ti pare in tedesco? Pazzesco!”
Parenzo:
“Ma io capisco che lui è bilingue ma deve parlare in italiano perché rappresenta la Repubblica italiana!”
Cruciani:
“Scende lì davanti agli italiani e parla in tedesco che ci sono quattro italiani che conoscono il tedesco, madai…”
Parenzo:
“Magari si è sbagliato con il Bundestag.”
Cruciani:
“Roba pazzesca, dai, roba incredibile…”
Solidarität für den Senator
Als erste werden die Blogger von Brennerbasisdemokratie auf den verbalen Ausfall von Giuseppe Cruciani – nachzuhören hier (ab Minute 5:28) – aufmerksam. Nach und nach berichten auch andere Südtiroler Onlineportale am Mittwoch (14. Dezember) Abend darüber. Hans Berger selbst hat die Zanzara-Sendung vom 9. Dezember nicht gehört, “weil ich mich nicht ärgern will”, sagt der Senator zu salto.bz. Dass er ins Schussfeld eines “Moderators mit faschistischen Tendenzen” geraten ist, scheint ihn weniger zu ärgern als die “absolut unkorrekten” Äußerungen Crucianis. Die er so nicht stehen lassen will. “Ich habe bewusst auch auf Deutsch gesprochen, weil das bei uns so üblich ist, auch die Muttersprache zu verwenden. Zumal auch deutsche Fernsehanstalten bei dem Termin anwesend waren, darunter Rai Südtirol.”
Crucianis Äußerungen zeugten von einer Ignoranz, die die Erinnerung “an eine finstere Ära” weckten, sagt der Senator, “von einem europäischen Geist keine Spur”.
“Offendendo il senatore Berger ha offeso anche l’intera minoranza sudtirolese.”
“Ich habe ihm (Cruciani, Anm. d. Red.) bereits zwei Zeilen geschrieben”, berichtet Berger: “Unter anderem, dass, wenn er das Deutsche nicht beherrscht, ich das Italienische aber schon, er dann der Ignorante ist und nicht ich.” Außerdem sei die Verwendung der Muttersprache ein verbrieftes Recht, “von dem ich Gebrauch gemacht habe und das mir niemand streitig machen kann, auch Cruciani nicht”.
Er habe inzwischen zahlreiche Solidaritätsbekundungen von Leuten italienischer Muttersprache erhalten, verrät Hans Berger. Am Donnerstag (15. Dezember) Vormittag meldet sich auch Landtagspräsident Roberto Bizzo zu Wort. Und verurteilt die Beleidigung Bergers. Bizzo wörtlich: “Si tratta di una volgare aggressione. Il giornalista protagonista del fatto ha dimostrato non solo una totale ignoranza relativamente all’esistenza e ai diritti di una minoranza, ma offendendo il senatore Berger ha offeso anche l’intera minoranza sudtirolese, la Costituzione italiana, che all’articolo 6 tutela le minoranze, e con essa il popolo italiano.”
“Wenn ich auf Französisch gesprochen hätte, wäre das vielleicht weniger anrüchig gewesen”, überlegt der Senator, “Deutsch ist vielerorts noch eine sensible Thematik.” Zur Aufforderung von David Parenzo, “doch zu Merkel” beziehungsweise “in den Bundestag zu gehen” sagt Berger: “Dort wäre man sicher sensibler.” Das Schreiben an Cruciani hat Berger übrigens auf Italienisch verfasst, “er versteht ja anscheinend kein Deutsch”.