Gedenken in Schieflage
Die heurige Vorweihnachtszeit treibt mitunter seltsame Blüten. So begab es sich, dass vor wenigen Tagen eine Abordnung der Trentiner Schützen in Salurn auf den Obmann des Südtiroler Heimatbundes Roland Lang und dessen Stellvertreter traf. Anlass für die Zusammenkunft: Man wollte gemeinsam des vor 55 Jahren von einer Bombe getöteten ANAS-Straßenarbeiters Giovanni Postal gedenken. Am 12. Juni 1961 kam Postal ums Leben, als er eine an einem Baum befestigte Sprengladung entfernen wollte und sie dabei versehentlich zündete. Das Paket mit Sprengstoff angebracht hatten die Mitglieder des Befreiungsausschuss Südtirol BAS.
Das Wort “Bombe” nimmt man beim Heimatbund nicht in den Mund. Vielmehr spricht Roland Lang in der Presseaussendung, mit der er von der Gedenkfeier in Salurn berichtet, von einem “Sprenggürtel”, mit dem “die Freiheitskämpfer (…) den hohen Baum umreißen und damit bei der Salurner Klause eine symbolische Grenzschranke errichten” wollten. Menschenleben sollten durch die Aktion “keinesfalls gefährdet” werden, aber “leider”, so Lang weiter, habe der Zündmechanismus versagt und den “unvorsichtigen Familienvater Postal das Leben” gekostet. Ebenso wie Hubert Sprenger, Sepp Locher und Peter Wieland sei Postal “ein unschuldiges Opfer eines Freiheitskampfes” geworden“, den Rom durch die Weiterführung faschistischer Kolonialpolitik in Südtirol heraufbeschworen hatte”.
Für das, was Lang als “Zeichen des weihnachtlichen Friedens und des friedlichen Zusammenlebens” bezeichnet, hat Alessandro Urzì nur “orrore e disgusto” übrig. Er findet die jüngste Gedenkveranstaltung samt Schweigeminute und kleinem Blumengesteck mit Kerzen, “eine makabre Inszenierung”, “grottesk” und “beleidigend”.
Dass die Verantwortung für seinen Tod Postal selbst zugeschrieben werde, sei paradox, schreibt Urzì in einer Aussendung. Seien es doch die “terroristi secessionisti” gewesen, die die Bombe am Baum angebracht hätten. Postal werde hingegen unterm Strich “vom Verein, der sich an die Terroristen der 50er und 60er Jahre anlehnt” – Urzì meint damit den Heimatbund – als Opfer der Faschisten dargestellt. “Die Perspektive wird komplett umgedreht”, empört sich Urzì: “Dadurch wird die historische Wahrheit vernichtet und Giovanni Postal ein zweites Mal getötet.”