Politik | Gastkommentar

Das Unwort Planungssicherheit

In dieser Pandemie nach Planungssicherheit zu schreien, ist nicht Unbeherrschtheit und auch nicht Unbeholfenheit, es ist schlicht Dummheit.
Schachspiel
Foto: Pixabay

Corona-Pandemie ist das Wort des Jahres 2020. Aufs aktuelle Unwort des Jahres hat sich die Gesellschaft für deutsche Sprache noch nicht festgelegt. Ich schlage dafür Planungssicherheit vor. Zwar werde ich mich damit gesamtdeutsch nicht durchsetzen, denn die Sprachwärter vom Duden dürften bekritteln, bei Plansicherheit handle es sich um gar kein so übel beleumundetes Wort. Zum Unwort mache es allenfalls ein allzu leichtfertiger Umgang mit ihm, und ein solcher wiederum sei eher nicht sprachraumweit zu erkennen, sondern höchstens ein regionales Phänomen.

Und da, genau da, haben wir’s. Planungssicherheit taugt nur zum Südtiroler Unwort 2020, zu mehr nicht, aber dazu ganz gewiss. Es ist das Lieblingswort, ach, was sag ich: die Lieblingsforderung unserer Politiker, der regierenden gleich wie der opponierenden (ausgenommen der Landeshauptmann). Alle Funktionäre, Verbandler, Schulleute, lehrende wie lernende, alle erklären sich bereit, auf sich zu nehmen, was immer Corona uns abverlangen mag, klaglos, solidarisch und schicksalsergeben, aber halt mit Planungssicherheit. Selbst diese letzte präsenzlose Vorweihnachtswoche an Oberschulen hätten alle klaglos hingenommen, wenn sie, ja wenn sie halt planungssicher gewesen wäre.

Mitunter sind die Corona-bedingten Auflagen leichter zu ertragen als das Geschwätz darüber

In dieser Pandemie nach Planungssicherheit zu schreien, ist nicht Unbeherrschtheit und auch nicht Unbeholfenheit, es ist schlicht Dummheit. Von bestimmten Politikern, weil die es besser wissen müssten, ist es dummdreist. Die Achammers, die Widmanns, ausgerechnet die! Sie fordern von Rom Planungssicherheit, nur weil sie genau wissen, dass es eine solche nicht gibt, nirgends. Sie zu fordern ist Schwindel. Kostet nichts, macht aber Eindruck. Natürlich nicht in Rom, aber bei der eigenen Kundschaft daheim (glaubt man). Man heißt den Regionenminister Boccia einen Zentralisten, Nationalisten, Anti-Autonomisten, und was hat er getan? Er hat den Michl Ebner aus der Sechserkommission geworfen, und im übrigen gemacht, was in Deutschland seit Wochen die Bundeskanzlerin ihren zunächst störrischen und schließlich doch einsichtigen Länderchefs abgerungen hat: nämlich einzusehen, dass Pandemie nicht ländleweise, sondern wie das Wort (pan = gesamt) sagt, nur gesamtstaatlich, wenn nicht gesamteuropäisch anzupacken ist. Boccia ist einen Schmarrn autonomiefeindlich, ich kenne ihn, er macht für seinen Regierungschef die Dreckarbeit. So wie sie in der vergangenen Amtsperiode Martha Stocker für Kompatscher gemacht hat. Einer muss sie machen.

Sie fordern von Rom Planungssicherheit, nur weil sie genau wissen, dass es eine solche nicht gibt, nirgends

Der Landeshauptmann hat Recht: Pandemie und Planungssicherheit gibt’s nicht. Ich versteh nicht, wie eine so gescheite Schuldirektorin wie Martina Adami seit Tagen Planungssicherheit anmahnt. Als ob das Virus und was es anstellt, mit Dekret zu regulieren wäre. Und denkt, ich frag nicht, was, ich frag, ob Christa Ladurner von der Allianz für Familie überhaupt denkt, wenn sie vom Land eine „Langzeitstrategie“ fordert. Pandemie und Langzeitstrategie? „Auf lange Sicht sind wir alle tot“. Der Spott des großen Ökonomen John Maynard Keynes hätte zu keiner Zeit grausamere Bestätigung finden können.

Landesrätin Waltraud Deeg hat vor ein paar Wochen gesagt: „Wir sind im Krieg“. Auch so ein Dahersager. Hätte sie ihre Mutter selig, auch Waltraud, gefragt, die sie auch sonst in allem zum Vorbild nimmt, sie hätte ihr aus eigener Erfahrung den Unterschied erklärt zwischen Krieg und den ach so planungsunsicheren Zuständen von heute. Nein, wir sind nicht im Krieg. Und mitunter sind die Corona-bedingten Auflagen leichter zu ertragen als das Geschwätz darüber.