Politik | Fritto misto

Faschos pfui, Nazis hui

Wie die Süd-Tiroler Freiheit den Faschismus kritisiert und sich gleichzeitig bei Neonazis anbiedert.
Sven Knoll, Melanie Mair
Foto: Süd-Tiroler Freiheit/Instagram
  • Sven Knoll mag keine Faschisten, das wird der Chef der Süd-Tiroler Freiheit in letzter Zeit nicht müde zu betonen. Dass sich die SVP mit solchen an einen Tisch setze, ja, sie sogar in die Landesregierung hieve, das sei skandalös. Für die Süd-Tiroler Freiheit käme dies niemals in Frage, angesichts all dessen, was die Faschisten den Südtirolern (nein, natürlich gendert Knoll nicht) angetan hätten. Diese Aussagen des von seinem Wahlerfolg immer noch aufgeputschten Parteichefs sind in zweierlei Hinsicht bemerkenswert: Zum einen scheut sich Knoll nicht davor, die Fratelli d’Italia mit dem F-Wort zu bezeichnen, obwohl der Südtiroler Ober-Fratello Galateo betonte, er werde jeden verklagen, der die Partei faschistisch nenne und nun folgerichtig den seinerseits klagefreudigen Knoll klagen müsste. Zum anderen ist es grotesk, dass der Parteichef entschieden Position gegen italienischen Rechtsextremismus bezieht, Beifall für rechtsextreme Bewegungen aus deutschen Landen in den eigenen Reihen aber offenbar durchaus duldet.

    Vergangene Woche machte das Medienhaus „Correctiv“ bekannt, dass im November ein geheimes Treffen zwischen AfD-Politikern und Rechtsextremen stattgefunden hat. Im Zuge dieses Treffens in Potsdam wurde darüber diskutiert, wie man möglichst effizient Menschen mit Migrationshintergrund aus Deutschland vertreiben könne. Unter dem Stichwort „Remigration“, das seitdem einer breiten Öffentlichkeit bekannt ist, stellte der österreichische Identitäre Martin Sellner seinen Plan vor, Millionen von Menschen in ihre Ursprungsländer abzuschieben. Nichts Neues, möchte man meinen, doch ging es dabei nicht bloß um Straftäter ohne Aufenthaltsgenehmigung: Loswerden möchte man auch deutsche Staatsbürger*innen, deren einziges Vergehen darin besteht, aus den „falschen“ Ländern zugewandert zu sein. Wobei, wirklich neu ist dieses Anliegen nicht: Auch Nazi-Deutschland strebte bekanntlich eine Säuberung des Volkes von fremdländischen Einflüssen an.

  • Foto: Instagram/Melanie Mair
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    Wenig später nun versieht die Landesjugendsprecherin der Süd-Tiroler Freiheit, Melanie Mair, ein Video auf ihrem Instagram-Profil mit dem Schlagwort „Remigration“. Im Video berichtet Sven Knoll über eine angebliche versuchte Vergewaltigung einer Minderjährigen durch zwei Ausländer. Es folgt ein weiterer Post mit dem Hashtag „Remigration“, der ganz klar auf das rechtsextreme Meeting Bezug nimmt: „Der Geheimplan ist ein Geh-Heim-Plan!“ ist dort zu lesen. Der Blog „Brennerbasisdemokratie“ macht in einem Artikel darauf aufmerksam, dass sich die Landesjugendsprecherin rechtsextremer Begriffe bediene, doch die Partei reagiert nicht. Von der Autorin dieser Kolumne darauf angesprochen, weshalb sie solche Posts absetze, antwortet Mair, sie spreche sich damit für die Abschiebung straffällig gewordener Ausländer aus. Allerdings stünden dafür andere Schlagworte zur Auswahl. „Remigration“ steht, wie oben erwähnt, explizit für den rechtsextremen Plan einer breiten Vertreibung von Menschen mit Migrationshintergrund vor, von unbescholtenen, auch eingebürgerten. Dass Mair, einer studierten Juristin, das nicht klar ist, ist zu bezweifeln. Dafür spricht auch ihr weiteres Verhalten: Anstatt sich vom rechtsextremen Gedankengut zu distanzieren, setzt sie einen weiteren Post ab, in dem „Remigration“, soeben zum Unwort des Jahres 2023 gekürt, als das „wohl schönste Unwort des Jahres von allen“ gefeiert wird.

    Bislang hat man die Süd-Tiroler Freiheit mit Patriotismus, Autonomiebestrebungen, dem Einsatz für Tiroler Brauchtum und Kultur in Verbindung gebracht. Nun biedert sie sich offenbar ganz ungeniert bei Rechtsextremen an, während ihr Parteichef den Faschismus verteufelt. Ganz so, als hätten „die Südtiroler“ unter den Nazis nicht zu leiden gehabt, folgt man der Argumentation Knolls. Letztere haben schließlich nur Millionen von Menschen umgebracht, aufgrund ihrer Herkunft, ihrer Behinderung, ihrer Gesinnung, ihrer Homosexualität. Aber im Gegensatz zu den Faschisten haben die Nazis deutsch gesprochen, darin liegt wohl der Unterschied.