Gesellschaft | Gastbeitrag

Adieu, Dietrich

Abschied von einem deplatzierten Brunnen in Zeiten wankender Demokratie.
Palais Widmann
Foto: Zenleser
  • Als Mädchen liebte ich Dietrich von Bern. Die Heldenepen-Nacherzählerin Auguste Lechner hatte mir den blonden Recken schöngeredet. Spätestens seit Dietrich als Gewalttätiger auf dem Silvius-Magnago-Platz steht, ist es mit meiner Liebe aus und vorbei. 
    Vor der Heimat unserer Demokratie, dem Südtiroler Landtag, ist er fehl am Platz und das von Tag zu Tag mehr. Dasselbe gilt für seine Nähe zum Bahnhofspark. Der ist übrigens wesentlich weniger gefährlich als versucht wird uns weiszumachen – von wegen Sicherheitsassessorat.....

  • Laurinbrunnen für Laurinstadt

    Die Rede ist hier von Kompatschers Laurinbrunnen - keine Anspielung übrigens. Der Schöpfer des Brunnens hieß wirklich Kompatscher, Andreas, Andrä, geb. 1864 in Bozen, gest.1939 ebenda. 

     

    Vor der Heimat unserer Demokratie, dem Südtiroler Landtag, ist er fehl am Platz und das von Tag zu Tag mehr.

     

    Julius Perathoner, der Bürgermeister des Aufschwungs, hatte Kompatscher mit dem Brunnen beauftragt. Damit sollte Bozen touristisch als Laurinstadt vermarktet werden. Daher auch die Sockel-Inschrift: „Der Bürger Wohl zu mehren, den fremden Gast zu ehren“. Heute hat sich dieses Label gleich mehrfach erübrigt.

  • Foto: Zenleser
  • Steinerne Touristenbespaßung anno 1907

    Gedacht war die steinerne Touristenbespaßung für die Wassermauer im Angesicht des Rosengartens. Dort nämlich spielt die Sage, in der Laurin, ein böser Zwerg mit Tarnkappe, Prinzessinnen raubt, mit einem Wundergürtel ultrastark wird und hoch oben einen leuchtenden Rosengarten pflegt. Der rosa Garten befand sich dort, wo heute eine blecherne Hütte silbrig glänzt. Nur in der Dämmerung bekommt sie Konkurrenz. Das hat mit Laurins fehlerhaftem Fluch zu tun. Als er von Dietrich besiegt worden war, wollte er wutentbrannt, dass sein Rosengarten nie mehr leuchte. Im Zorn hatte er aber die Dämmerung vergessen. Daher das Abendglühen. Prinzessin Similde jedenfalls hatte mein Prinz befreit. 
    Andrä Kompatscher meißelte den Moment des Niederringens in Stein und schuf damit Stoff für Interpretationen, politische natürlich. Wer ist der Kleine, wer der Große? 
    1907 wurde der Laurinbrunnen vom „Talferleege Kulturverein“ auf der Promenade aufgestellt. Danach war alles ruhig, hätten da nicht 1934 Faschisten mit Minderwertigkeitskomplex sich selbst im Laurin entdeckt. Sie fühlten sich beleidigt und köpften den Brunnen. Mit angepicktem Kopf kam dieser dann ins Kriegsmuseum in Rovereto, wo er ruhig hätte bleiben können. Tolomei war eh zufrieden. 

  • Foto: Privat
  • Gewalt am Magnago-Platz

    Später wurde der Brunnen „heimgeholt“, restauriert und am Landhausplatz aufgestellt, ohne erklärende Tafeln, weil die „schiach“ gewesen wären. Als der Platz 2012 neu gestaltet werden sollte, schlug Stanislao Fierro vor, den Brunnen in den Bahnhofspark zu verlegen. Daraus wurde nichts.
    2014 sorgte sich Ulli Mair in einer Landtagsanfrage um die Gesundheit des Brunnens (sic!), meinte, er sei restaurierungsbedürftig. Das Landesdenkmalamt ließ wissen, dass es dem Brunnen gut gehe, und der damalige Landesrat hielt sogar eine Rückkehr des Brunnens auf die Promenade für denkbar. „Eine würdige Lösung“, die „vergleichbar wäre mit der Rückkehr des Waltherdenkmals auf den Waltherplatz“. Daraus wurde nichts. 
    Auch Tafeln bekam der Dietrich nicht, und deshalb steht die Gewaltszene bis heute unkommentiert auf am Magnago-Platz. Groß ringt Klein nieder. 

  • Foto: LPA
  • Aufräumen

    Ich halte es mit Mussner und will, dass dieser grobe Brunnen dorthin kommt, wo er ursprünglich stand: auf die Promenade – oder frisch ins Stadtmuseum. Da und dort kann er mit multisprachigen Tafeln versehen werden, die erklären. Spätestens bei den Tafeln bin ich wieder in der Politik und plädiere für Deutsch, Italienisch, Ladinisch, Englisch, Französisch, Japanisch, Koreanisch, Urdu, Arabisch, Igbo.

    Ich finde, es ist höchste Zeit, mit Grobheiten und Schönredereien aufzuräumen. Adieu, Dietrich.

    Der Silvius-Magnago-Platz sollte für Demokratie und Zusammenleben stehen, egal, wer gerade das Sagen hat. Ich finde, es ist höchste Zeit, mit Grobheiten und Schönredereien aufzuräumen. Adieu, Dietrich.