"Wir waren knapp dran"
salto.bz: Herr Rösch, Sie standen heute Vormittag bei der Bekanntgabe der Kulturhauptstadt Italiens 2020 neben dem Bürgermeister des Gewinners Parma. Knapp verfehlt - also hatten Sie bis zuletzt darauf gehofft, das Rennen zu machen?
Paul Rösch: Ja, wir waren schon knapp dran, denke ich. Ich habe jetzt im Anschluss noch mit Leuten von der Jury gesprochen und laut ihnen wurde wirklich sehr intensiv diskutiert und hin- und herüberlegt. Doch letztendlich hat man sich eben doch für die Neuerfindung einer Stadt entschieden, für die das Konzept von Parma steht. Es wäre natürlich für Italien schon ein Riesen-Sprung gewesen, von Bella Italia zur Eliminierung der Grenzen zu kommen (lacht).
Das heißt, das Thema Zusammenleben und „Europa in Kleinen“ war doch auch eine sehr große Herausforderung für Rom?
Ich denke schon. Aber mich freut, dass unser Konzept Widerhall gefunden hat und die Leute ein wenig zum Denken angeregt hat. Ich möchte nun auch anregen, dass wir zehn Bürgermeister zusammen ein Schreiben nach Macerata schicken, um unsere Solidarität auszudrücken und zu sagen: Wir stehen hinter euch!
Macerata, das zuletzt durch den rassistischen Übergriff auf Afrikaner in die Schlagzeilen geriet, war eine der zehn Städte, die nun noch mit Meran auf der Shortlist standen.
Ja, und sie haben fast dasselbe Konzept wie wir, also Kultur als Friedensprojekt. Und wie Kulturminister Franceschini heute gemeint hat: Auf der Shortlist zu stehen, ist ein wenig, wie bei der Oscar-Verleihung dabei zu sein. Auch all jene, die nicht gewinnen, werden damit geadelt.
Meran hat im Vorfeld sein Werben um den Titel damit begründet, dass man Unterstützung dabei braucht, das friedliche Zusammenleben weiter zu stärken und Auswüchsen ideologischer Natur vorzubeugen. Wird das nun ohne Auszeichnung schwierig?
Nein, überhaupt nicht. Aber der Titel wäre eben das Pünktchen auf dem I gewesen und natürlich könnte man auch mit einer Million Euro etwas Schönes machen. Doch wir sind auch so auf einem sehr guten Punkt und werden mit den Projekten ohnehin weitermachen.
80 Prozent des Dossiers sollen umgesetzt werden, hat es vorab geheißen. Bleibt es dabei?
Ja sicherlich. Das war ein wichtiges Vordenken und vor allem gelebte Demokratie. Schließlich haben an diesem Dossier 50 Meranerinnen und Meraner aus der Kulturszene mitgeschrieben, von Aldo Mazza bis zu Andreas Cappello, und haben damit vorgegeben: In diese Richtung wollen wir uns bewegen.
Das heißt, die Kulturhauptstadt gibt es auch ohne offiziellen Titel?
Ja, das meiste wird dennoch umgesetzt werden. Wohl verzichten werden wir zum Beispiel auf einen besonderen Gag. Da wäre angedacht gewesen, so ähnlich wie in Linz eine Verbindung über die Dächer - vom Palais Memming bis hinunter zur Passer - zu schaffen.
Insgesamt war’s in jedem Fall ein Gewinn?
Auf jeden Fall. Auch in der Außenwirkung. Wie wir schon im Vorfeld gesagt haben: Meran kennt Italien, aber die Italiener kennen Meran und Südtirol nicht. Und ich glaube durch die Auseinandersetzung mit unserem Dossier ist auch klarer geworden, dass auch vieles bei uns hart erarbeitet ist. Also, ich denke, wir sind mit dieser Bewerbung schon einen Schritt weiter gekommen. Auch der Kulturminister hat mir gerade vorhin in einem Gespräch gesagt: Ma che bello, seguite quella strada!
Es ist eine der schönsten
Es ist eine der schönsten Nachrichten des Jahres, dass Meran mit dieser idiotischen Bewerbung baden gegangen ist. Ich bin voll auf der Seite des unrasierten Meraner Bürgermeisters, wenn es um die Verkehrsberuhigung in Meran geht, Tempo 30 überall, aber mit der Bewerbung zur Kulturhauptstadt Italiens hat er voll ins Klo gegriffen.