Die Verteidigungsfront
Das muss einmal jemand zusammenbringen. Landeshauptmann, SVP-Parteiobmann, und alle römischen Parlamentarierinnen in einer Reihe – schöner könnte die Verteidigungsfront gegen den Angriff auf die Autonomiepolitik der Volkspartei nicht sein. Nach den teils deftigen Aussagen von Altmandataren wie Roland Riz, Oskar Peterlini oder Ex-Landeshauptmann Luis Durnwalder kam am späten Montag Nachmittag die offizielle Reaktion aus der Bozner Brennerstraße. Einmal mehr entschieden sich Arno Kompatscher und Philipp Achammer dabei allerdings für eine sachliche Verteidigungsstrategie – wenn auch der Landeshauptmann sein Befremden über die aktuelle Diskussion nicht versteckte. „Es wundert mich sehr, dass ausgerechnet im Moment der größten Erfolge geschrien wird, dass unsere Autonomie in Gefahr ist“, meint Arno Kompatscher. „Doch das was wir jetzt tun, ist informieren und sagen, dass es nicht so ist.“
In bester Kompatscher Manier wird dabei in einem Dokument akribisch auf 20 Anschuldigungen bzw. Behauptungen der vergangenen Tage reagiert. Zum Beispiel auf den mittlerweile berühmte Sager von Roland Riz, wonach Südtirol auf dem Weg zu einer ganz normalen italienischen Provinz ist. Ausmaß und Umfang der Autonomie sind weitaus größer als zum Zeitpunkt der Streitbeilegungserklärung im Jahr 1992, antworten Partei und Landeshauptmann darauf. Dennoch seien Südtirols Rechte aufgrund der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nach der Verfassungsreform 2001 tatsächlich in einigen Punkten eingeschränkt worden.
Zumindest indirekt wird dafür allerdings den Altmandataren die Schuld zugeschoben. Denn die negativen Urteile des Verfassungsgerichts seien vor allem darauf zurückzuführen, dass das Autonomiestatut nach der Reform 2001 nicht angepasst worden ist – auch weil es kein Einvernehmen gegeben hätte. Was damals schlecht koordiniert worden sei, ist dagegen diesmal gelungen, meinte Kompatscher unter Verweis auf die Kombination aus Schutzklausel und Einvernehmensklausel. So habe man nun die Rahmenbedingungen geschaffen, dass wieder hergestellt werden könne, was in den vergangenen Jahren verloren gegangen sei. „Und das paradoxerweise vor dem Hintergrund einer Autonomiereform, die aufgrund ihrer zentralistischen Ausrichtung in die komplett falsche Ausrichtung geht“, meinte der Landeshauptmann.
"Sicher ist, dass wir etwas erreicht haben, dass eine Helga Thaler Ausserhofer oder ein Roland Riz nie zu Wege gebracht haben.“
Eine Möglichkeit, die man sich versperrt hätte, wenn man - wie nun teilweise gefordert - vom Verhandlungstisch in Rom aufgestanden und Nein gesagt hätte, wie Parteiobmann Philipp Achammer unterstrich. „Vor allem aber galt unsere Zustimmung nicht der Verfassungsreform, sondern dem Prinzip, dass unsere Autonomie von der Reform ausgenommen wird“, erklärte Landeshauptmann Kompatscher. Konkreter gesagt: Die Reform gelte für Südtirol so lange nicht, bis das Autonomiestatut erneuert ist – „und zwar so erneuert, dass wir zustimmen und ein Einvernehmen mit Österreich hergestellt ist“, so der Landeshauptmann. Das wiederum werde nur geschehen, wenn Südtirols Rechte zu 100 Prozent gewahrt seien. „Wir werden kein Jota abgeben und nachgeben“, verspricht der Landeshauptmann. Gleichzeitig werde man die Überarbeitung des Statuts nun aber als Gelegenheit wahrnehmen, verloren Gegangenes wieder herzustellen und "das eine oder andere dazu zu verhandeln".
Alles in bester Ordnung also – zumindest aus Perspektive der Brennerstraße. Warum aber der ganze Aufruhr der vergangenen Tage? Ist es tatsächlich das Medienhaus Athesia, das es fertig bringt alle SVP-Granden vereint aufmarschieren zu lassen, um ihre Arbeit zu verteidigen? Oder ist die Kluft zwischen alter und neuer Führung der Partei mittlerweile so groß, dass eines der Kernthemen der Südtiroler Politik so unterschiedlich interpretiert wird? Zumindest laut Hintergrundgesprächen mit den SVP-Parlamentariern geht es beim Autonomie-Aufreger weniger um inhaltliche Differenzen als um Machtansprüche und persönliche Differenzen. Ein Medienhaus, das sich von der neuen Regierung Kompatscher nicht ausreichend in Entscheidungen einbezogen fühlt. Altmandatare, die unter politischen Entzugserscheinungen leiden oder den Rentenskandal noch nicht überwunden haben. „Es gibt viele Steine im Schuh“, räumt SVP-Senator Karl Zeller ein. „Aber sicher ist, dass wir etwas erreicht haben, dass eine Helga Thaler Ausserhofer oder ein Roland Riz nie zu Wege gebracht haben.“