Umwelt | EU-Parlament

Kampf gegen Plastiksäcke soll sich auf Europa ausdehnen

Italien als europäischer Vorreiter in Umweltfragen: Diese ungewöhnliche Rolle hat das Land mit seinem Verbot von konventionellen Plastiktüten eingenommen. Am Mittwoch zog nun das EU-Parlament nach.

Das EU-Parlament will in den nächsten Jahren die Plastik- und Kunststoffabfälle in der EU drastisch verringern. Innerhalb 2017 Jahren sollen dünne Plastiksäcke um 50 Prozent, bis 2019 schließlich um 80 Prozent reduziert werden, hat das EU-Parlament am Mittwoch in Straßburg beschlossen. Ein Wort mitzureden haben dabei allerdings noch die einzelnen Regierungen der Union. Sie sollen bereits nach den Europawahlen mit dem neu gewählten Parlament Verhandlungen aufnehmen.

Einer der Vorreiter, der die scheidenden Parlamentarier in ihrer Entschlossenheit bestätigte, dass die Ausgabe von europaweit jährlich geschätzt 95,5 Milliarden Plastiksäcken drastisch reduziert werden kann? Italien. Immerhin sind herkömmliche Einkaufstüten aus Kunststoff hierzulande bereits seit fünf Jahren verboten. Mehr oder weniger zumindest. Denn mangels Sanktionen hat sich ihr biologisch abbaubarer Ersatz bei weitem noch nicht überall durchgesetzt: Zwei von drei Plastiktüten sind laut Statistik immer noch illegal.  Dennoch wird mittlerweile in der Toskana bereits am nächsten Streich gebastelt: dem Verbot vom  Plastikhandschuhen und -säckchen im Obst- und Gemüseverkauf.

Ein Nutzen von einigen Minuten, ein Material, das Hunderte Jahre hält

Gründe dafür gibt es genug, findet zumindest EU-Umweltkommissar Janez Potocnik. „Plastiktüten sind ein Symbol unserer Wegwerfgesellschaft", sagt er. „Sie bestehen aus Material, das Hunderte Jahre hält - aber wir nutzen sie nur für ein paar Minuten.“ Das gilt insbesondere für ihre besonders leichte Version, also Säcke mit einer Stärke von weniger als 0,05 Milimetern, denen nun der Kampf angesagt werden soll. Denn so kurzlebig ihr Gebrauch meist auch ist, so schwerwiegend die Folgen für die Umwelt und vor allem Meerestiere. Viele der Einweg-Säcke landen schließlich im Meer, wo sich Vögel und Fische in ihnen verfangen oder kleine Partikel verschlucken. Untersuchungen bei Nordseevögeln zeigen beispielsweise, dass bereits 94 Prozent der untersuchten Tiere Plastik im Magen hatten.

Doch dem Umweltgedanken steht laut dem Südtiroler SVP-Parlamentarier Herbert Dorfmann auch innerhalb der Union die Freiheit des Binnenhandels  gegenüber. Wegen deren möglicher Verletzung hat Brüssel laut Dorfmann bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Italien eingeleitet – da hierzulande ein Produkt verboten wurde, das in der restlichen Union erlaubt ist. Sofern sich die Regierungen und das Parlament nun nach den EU-Wahlen auf konkrete  Maßnahmen gegen die Plastiksäcke einigen, dürfte Italien dagegen tatsächlich einmal in der Rolle des Vorreiters in Sachen Umwelt glänzen.

Nicht nur "edelste Umweltschutzgedanken"

Dabei geht es bei Italiens Verbot bei weitem nicht nur um  „edelste Umweltschutzgedanken“, wie Dorfmann meint, sondern auch um konkrete wirtschaftliche Interessen.  Zwar nicht jene des Einzelhandels, der für die aus Maisstärke produzierten Alternativen zum herkömmlichen Nylonsack rund 20 Mal mehr zahlt. Während sich auch KonsumentInnen regelmäßig darüber ärgern, ihre Einkäufe aufgrund der geringen Rissfestigkeit der „Bio-Säcke“ auf dem Bürgersteig auszustreuen, erschließen sich Unternehmen wie Novamont jedoch einen neuen und vielversprechenden Markt – der nun durch eine EU-weite Einschränkungen der herkömmlichen Säcke exponentiell wachsen würde.

Damit könnte allerdings auch der Druck auf die Forschung steigen, die Nutzer- und Kostenfreundlichkeit der biologischen Alternativen zum herkömmlichen Plastiksack ebenfalls zu steigern. Eine Entwicklung, die laut Herbert Dorfmann beispielsweise auch im Bereich der Glühbirnen zu beobachten war: „Denn ohne das Verbot der alten Glühbirnen wären nie Alternativen entwickelt worden, die gerade einmal zehn Prozent von deren Energie verbrauchen.“ Allerdings kann sich der Südtiroler EU-Parlamentarier auch schon lebhaft die Reden so mancher Populisten vorstellen, die wettern, wieso sich die regulierungswütige EU nun auch noch um Plastiksäcke oder wie zuletzt den Energieverbrauch von Kaffeemaschinen kümmert. Die Gegenfrage: Wer macht es sonst?