Tourismus: Chancen und Herausforderungen

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Der Tourismussektor profitiert eindeutig vom überproportionalen Anstieg der Ausgaben für Kultur und Freizeit, der auf das steigende Einkommen und die Entstehung einer „Mittelschicht“ in vielen Schwellenländern zurückzuführen ist.
Dies zeigt sich beispielsweise an den zahlreichen Gästen aus Fernost, die unsere Städte besuchen.
Zudem haben sich die Reisegewohnheiten verändert: Längere Urlaube werden zunehmend durch mehrere, kürzere Aufenthalte an unterschiedlichen Orten ersetzt. Besonders gefragt sind heute Kultur- und Gastronomietourismus, der Besuch landschaftlicher Sehenswürdigkeiten sowie der klassische Urlaub, oft kombiniert mit sportlichen Aktivitäten.Der Erfolg einer Tourismusregion hängt von vielen Faktoren ab, die meist über einen längeren Zeitraum hinweg aufgebaut werden. Gleichzeitig ist der Tourismus schwer zu steuern, insbesondere in bereits sehr bekannten Gebieten, denn trotz des vielfältigen Angebots entscheidet letztlich der einzelne Gast, wohin er reist.
Insbesondere für strukturschwache Regionen, wie es Südtirol in früheren Zeiten war, bietet der Tourismus große Chancen. Der Verkauf touristischer Dienstleistungen an nationale und internationale Gäste wirkt sich auch heute noch positiv auf die regionale Wirtschaft aus.
Darüber hinaus fördert der Tourismus das Wachstum anderer Wirtschaftsbereiche, wie Landwirtschaft und Handwerk, unterstützt das Erlernen von Fremdsprachen und trägt zu einer weltoffenen Mentalität der Bevölkerung bei.
Trotz dieser Vorteile sollte man sich wirtschaftlich nicht zu einseitig auf den Tourismus verlassen. Abgesehen von einigen Ausnahmen, ist die Branche aus technologischer Sicht nicht besonders innovativ und häufig mit niedrigen Löhnen verbunden. Zudem ist sie stark von der wirtschaftlichen Entwicklung anderer Länder abhängig.
Auch auf dem Arbeitsmarkt zeigt der Tourismus ein ambivalentes Bild: Einerseits schafft er Arbeitsplätze, was gerade in strukturschwachen Gebieten positiv ist. Andererseits sind viele dieser Arbeitsverhältnisse prekär, nicht zuletzt, weil der Sektor stark auf Arbeitskräfte aus dem Ausland angewiesen ist, die oft in Konkurrenz zu lokalen Beschäftigten stehen.
Ein weiteres Problem ist die ungleiche Verteilung der touristischen Auslastung: Die Übernachtungsstatistiken geben zwar die Gesamtzahl der Gäste wieder, sagen aber wenig über deren Verteilung aus. Während manche Orte überlaufen sind, gibt es andernorts noch Kapazitäten.
In den letzten Jahren ist zudem der Markt für kurzfristige Vermietungen – etwa über Plattformen wie Airbnb – stark gewachsen. Was einst als Möglichkeit zur Einkommensaufbesserung für Einheimische begann, hat sich zu einem großen, zunehmend von Unternehmen dominierten Geschäftsmodell entwickelt.
Dies führt zu berechtigten Sorgen, denn die Konkurrenz zu traditionellen Beherbergungsbetrieben wächst, und die Zahl der für Einheimische verfügbaren Wohnungen sinkt drastisch.
Die Mietpreise steigen vielerorts spürbar, und in einigen Städten werden bereits Maßnahmen ergriffen, um die touristische Vermietung einzuschränken, wie etwa in Barcelona. Auch wenn diese Entwicklung bei uns noch wenig spürbar ist, können sich auch bei uns in manchen Gebieten viele Einheimische die Mieten nicht mehr leisten.Weitere Auswirkungen betreffen die Wirtschaftsstruktur insgesamt: Die Attraktivität kurzfristiger Vermietungen für Touristen entzieht dem lokalen Wohnungsmarkt dringend benötigten Wohnraum.
Sinkende Einwohnerzahlen schwächen wiederum den traditionellen Dienstleistungssektor, während der Freizeitbereich durch den Tourismus profitiert. Besonders für ältere Menschen verschlechtert sich die Nahversorgung, und die Rückkehr junger Auswanderer wird trotz hoher Nachfrage nach Fachkräften durch die gestiegenen Mieten erschwert.
Die Steuerung all dieser Prozesse ist komplex. In vielen europäischen Ländern steht das Thema bereits auf der politischen Agenda, und erste Maßnahmen werden ergriffen. Dennoch steckt das Problembewusstsein vielerorts noch in den Kinderschuhen.
Oft scheint die Politik eher darauf bedacht, bestimmte Interessengruppen zufriedenzustellen, anstatt das Gemeinwohl in den Mittelpunkt zu stellen.
Eine offene Diskussion über die Herausforderungen und Chancen des Tourismus könnte dazu beitragen, dass auch die positiven Effekte in der Gesellschaft noch anerkannt und geschätzt werden.Alfred Ebner