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Eine sehr lange Zugfahrt

Zum Baustart des Virgl-Bahntunnels wiederveröffentlichen wir hier einen Text aus dem Jahr 2019. Denn es geht was voran am Bahnhof Bozen, wenn auch nur sehr langsam.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
neues Bahnhof Bozen
Foto: ARBO Bozen | Prodecca
  • Diese Woche präsentierten das Land Südtirol und die Gemeinde Bozen deren Visionen und verkehrstechnische Ziele für die Stadt. Unter dem starken Fokus auf Auto und den Individualverkehr fiel dabei eine Sache gänzlich unter den Tisch. Eines der Projekte, welche den Virgl in Zukunft" in einen Edamer" verwandeln, ist seit kurzen bereits in Bau: der Tunnel für die Südzufahrt des Bozner Bahnhofs.

    Mit dem Ausbau der Südzufahrt erwartet Bozen nicht nur eine große innerstädtische Baustelle, sondern auch eine bahnreiche Zukunft. Um die Nord-Südachse (Brenner-Verona) von der Westachse (Bozen-Meran) vollständig zu trennen - und nicht wie bisher erst in Bozen Süd- benötigt der Bozner Bahnhof diese neue Einfahrt mit Tunnel. Dadurch können diese beiden Linien vollständig unabhängig auf dieser Strecke verkehren und Verspätungen werden nicht mehr gegenseitig weitergereicht. Dies ermöglicht auch einen dichteren Taktbetrieb und daher überhaupt erst den Ausbau der Bahnstrecke Bozen-Meran.

    Es geht also was weiter am Bahnhof Bozen, wie der folgende Text aus dem Jahr 2019 zeigt, jedoch nur sehr langsam:

  • Foto: ARBO Bozen
  • Abfahrt 10:30 Wien Hautpbahnhof

    Mit den Veränderungen der 90er Jahre in Europa wurde aus dem am östlichen Rand liegenden Wien eine zentrale Metropole. Plötzlich brauchte es keinen Westbahnhof mehr, es brauchte einen Hauptbahnhof, der Zugfahrten in alle Himmelsrichtgen ermöglicht. 2006 begann man deshalb mit der Umgestaltung des 109 Hektar großen Süd- & Ostbahnhofgeländes. 15 Jahre soll es dauern, bis das gesamte Vorhaben beendet ist. Der heutige Stand lässt Gutes erhoffen. Seit der Schließung des alten Hauptbahnhofs im Jahr 2009 und der Eröffnung des neuen im Jahr 2015 entstanden nicht nur 16 neue Bahngleise und ein knapp 10 Kilometer langer Innenstadttunnel, sondern zudem sechs neue Querungen des Geländes, welches vorher auf 2,5 Kilometern Länge die Stadt teilte. Weiters konnte mit dem stadtnahen Filetstück der Neugestaltung, mit seiner dichten Verbauung für gutbetuchte Firmen und Kunden, ein locker bebautes Gegenstück, mit einem langen zentralen Park und Wohnviertel für jedermann, auf der Rückseite der neuen Gleisanlagen quer finanziert werden, wodurch ein vielseitiges Stadtviertel errichtet wurde. Der Bahnhof selbst macht jedoch manchmal den Eindruck, er sei ein Einkaufszentrum mit Bahnanschluss.

  • 10:58 St. Pölten Hautbahnhof

    Als St. Pölten 1986 Landeshauptstadt Niederösterreichs wurde, konnte eine weitere Bundeshauptstadt an den Ausbau der Hochgeschwindigkeitsstrecke der Westbahn angeschlossen werden. Mit dem Umbau 2010 wurde zudem der nördliche und südliche Teil der Stadt durch den Bahnhof neu verbunden.

  • 11:44 Linz Hauptbahnhof

    Linz hatte bis in die 2000er Jahre einen Bahnhof, welcher wohl der einer Industriestadt entsprach und war dementsprechend oft auf den hinteren Plätzen der österreichischen Bahnhöfe zu finden. Mit dem neu errichteten Bahnhof mit gebündelten Stahlstützen bleibt man dem Image der Stahlstadt zwar treu, setzt es jedoch völlig neu um. Auch wurde mit der Umgestaltung des dem Bahnhof vorgelagerten Stadtteils das Nahverkehrsangebot von Linz überarbeitet. So wurden Straßenbahnlinien unterirdisch zum Bahnhof geführt und die frei werdenden oberirdischen Flächen mit Fußgängerzonen und Kulturbauten umgestaltet. Der Busbahnhof wurde zum Bahnhofsplatz verlegt und mit einem zentralen Dienstleitungszentrum der Landesverwaltung überbaut, welches somit nicht nur für die Stadt zentral erreichbar ist, sondern für das ganze Bundesland. Von privater Seite entwickelte sich über die Jahre ein kleines Hochhausviertel, welches wohl in Zukunft noch weiter wachsen wird und weiter dazu beiträgt, dass sich die Stadt als eigenständiger, moderner Ort zwischen Salzburg und Wien festigt. 

  • 12:52 Salzburg Hauptbahnhof

    Auch in Salzburg waren es die Entwicklungen der 90er Jahre, welche den neuen Bahnhof beeinflussten. So war der Grenzbahnhof, mit seinen Stumpfgleisen, nach dem Schengen-Abkommen nicht mehr notwendig und zeitgemäß, weshalb man sich für einen Komplettumbau entschied. Doch wie die Altstadt steht auch der Bahnhof in Salzburg unter Denkmalschutz, und so musste der 2014 eröffnete Bahnhof die historische Stahlkonstruktion über den Mittelgleisen und den dortigen Marmorsaal erhalten. Teil des Bahnhofprojektes war auch die Verlegung der Lokalbahn in den Untergrund in der Hoffnung, sie zukünftig als „Minimetro“ unter der Stadt weiterführen zu können. Die frei werdenden Flächen konnten überbaut werden und erzeugten ein Innenstadtzentrum, welches zeigt, dass Salzburg mehr ist als nur seine Altstadt. Auch die überaus breite Unterführung ist alles andere als eine typische Bahnhofspassage.

  • 14:44 Innsbruck Hauptbahnhof

    Als Auftakt der ÖBB-Bahnhofsoffensive wurde 2001 der neue Bahnhof Innsbruck eröffnet, für diesen bereits 1994 der Tunnel für die Güterzugumfahrung errichtet wurde. Zusammen mit dem Vorplatz bildet er auch einen Mobilitätsknotenpunkt. Zwar wurden bisher nur die Bereiche direkt beim Bahnhofsgebäude verbaut, doch kamen in letzter Zeit mehrere Hochhausprojekte um das Bahnhofsareal dazu, und der Frachtenbahnhof hinter dem Bahnhof soll langfristig auch verbaut werden.

  • 16:00 Brixen Hauptbahnhof

    Zwar fahren schon seit 2019 direkt Züge von Wien nach Bozen, mit der Fertigstellung des Brennerbasistunnels wurde die Fahrzeit jedoch um weitere 30 Minuten verringert. Zusammen mit der Riggertalschleife und der Metroseilbahn von Brixen dient der umgebaute Bahnhof somit als Umsteigepunkt für die Umgebung und das Pustertal und verbindet sie mit der internationalen Schnellzugstrecke München-Verona. 

  • Foto: ARBO Bozen
  • 16:30 Bozen Hauptbahnhof

    Durch das Gewerbegebiet Bozner Boden erreicht man den neu errichteten Bahnhof. Auch wenn die Hauptlärmquelle Bozen durch den Gütertunnel schon lange umfährt, bedeutet dies eine weitere Lärmentlastung für die Wohngebiete entlang der alten Strecke, welche nun als Radweg und Promenade Rentsch aufwertet. Auch wenn der Zug den Bahnhof durch den Virgltunnel wieder verlässt, bekommt man das in der Stadt kaum noch mit.

    Am Bahnhof selbst wird man vom großen Glasdach über dem Bahnhof empfangen. Es ermöglicht bereits einen ersten Blick zum Schlern, noch vor man den Bahnhof verlassen hat. Somit ist er auch für jene sichtbar, die direkt in den unterirdischen Busbahnhof umsteigen. Der in der Planung als recht groß empfundene Platz zwischen den neuen Gleisen und dem alten Bahnhofsgebäude konnte inzwischen mit der Endhaltestelle der Bozner Tram ins Überetsch sinnvoll genutzt werden.

  • Foto: ARBO Bozen
  • Nur eine Tram-Station entfernt ist auch der Umstieg zur Rittner Seilbahn möglich, obwohl die meisten Menschen den Weg durch die neue Kultur- und Wohnboulevard auf dem alten Autobahnhof lieber zu Fuß zurücklegen. Auf der anderen Seite des Bahnhofs konnte sich hingegen ein kleines Geschäfts- und Forschungszentrum etablieren. Zwar wird es noch immer Sibirien genannt, jedoch liebevoll, da es schon lange nicht mehr so schwer zu erreichen und kaltherzig ist wie früher.

  • Foto: ARBO Bozen
  • Somit endet meine Zugfahrt ins Bozen von morgen. Natürlich könnte ich mit dem Zug weiter über Meran und Mals in die Schweiz fahren oder eine Dolomitenrundfahrt durchs Valsugana nach Belluno und zurück über Bruneck machen, doch bin ich heute einfach zufrieden und freue mich über den Baubeginn des Virgil-Tunnels und damit den indirekten Baubeginn des neuen Bozner Bahnhofes, damit ich irgendwann den zweiten Teil der Geschichte nicht mehr nur im Schlaf während der Zugfahrt über den Brenner erlebe.

  • Foto: ARBO Bozen