„Aufstieg und Fall von Herrn René Benko“

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Das Benko-Urteil in Innsbruck, die Eröffnung von Südtirols größtem Benko-Wahrzeichen – des Bozner Waltherparks, und dann auch noch ein Theaterstück über Benko … Wurde nicht bereits alles gesagt über den bestechenden Tiroler, dessen gieriges Lächeln mehr als einen Bundeskanzler und Tina Turner um den Finger wickelte, die Taschen randvoll mit ergaunerten Milliarden?
Die Antwort, die Regisseur Calle Fuhr vom Theaterensemble Schauspiel Köln bei der gestrigen Theater-Performance „Aufstieg und Fall des Herrn René Benko“ lieferte, lautet klar: Nein, es wurde eben noch nicht alles erzählt! Und nicht nur das: Fuhr macht gekonnt vor, wie sich zwei kriselnde Zeitgenossen – der Journalismus und das Theater – gegenseitig die Hand reichen können, um sich aus den jeweiligen Krisen zu ziehen, in denen sie festzustecken scheinen. Der gesamte Theatersaal, Jung, Alt, Journalisten, Anwälte, Interessierte, Besorgte und Zyniker – alle lachten und schnaubten gleichsam staunend über die komplexen Signa-Gaunereien. Wenige Stunden nach der Verurteilung Benkos zu einer zweijährigen Haftstrafe, zeigt Fuhr dem Publikum das Gesamtausmaß der kriminellen Machenschaften rund um den Signa-Komplex auf.
„Was legal ist und was nicht, das müssen die Gerichte entscheiden“, so Fuhr. Sicher sei aber: Das Verfahren von gestern ist das erste von vielen.
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Die Form der Darstellung, die seit dem 14. Oktober im Forum in Brixen, im Kulturhaus „Karl Schönherr“ Schlanders und heute noch im Stadttheater Meran stattfindet, nennt sich „Lecture Performance“. Zusammen mit dem Rechercheteam von DOSSIER schloss sich Regisseur Fuhr monatelang ein, um die komplizierte Geschichte vom Aufstieg und Fall des „Wunder-Wuzzis“ Benko zu entwirren und aufzubereiten – detailliert und verständlich auf den Punkt gebracht. Nach der Uraufführung am Wiener Volkstheater bringt der Regisseur und Solo-Performer die Geschichte in knapp anderthalb Stunden Spielzeit nun auch dem Publikum in Südtirol nahe. Kein leichtes Spiel, denn der verworrene Finanzbetrug, den sich das Schlitzohr René Benko einfallen hat lassen, war selbst den Menschen zu kompliziert, die ihn mit Millionen fütterten.
Also schlüpft Fuhr in die Rolle des Otto-Normalverbrauchers. Mit klügeren und dümmeren Fragen nähert er sich der Antwort, wie man mit den richtigen Freunden und missachteten Skrupeln relativ einfach reich werden kann – „denn durch Arbeiten wirst du ja nicht wirklich reich“, wie Fuhr betont. Hilfe hat er dabei von seinem ehemaligen Mathelehrer, dem Publikum und einem digitalen Klon von Dossier-Chefreporter Ashwien Sankholkar. Sie alle zeigen keine finanzkriminelle Meisterleistung auf, sondern ein Kartenhaus, das von mächtigen Politikerinnen und Politikern, Unternehmern, Gutachtern und Bankerinnen und Bankern mitaufgebaut wurde und immer wieder aufgebaut werden kann. Ein System, das René Benko erst ermöglichte – und eingestürzt ist, zusammen mit Arbeitsplätzen und Steuergeldern.
Eine Ausdrucksform, die wir hoffentlich immer öfter auf Theaterbühnen sehen werden.
Nicht umsonst ähnelte Fuhrs Performance ein wenig einer Live-Böhmermann-Performance – schauspielerisch gekonnter, aber mit der gleich bescheuerten Interpretation des Tiroler Dialekts. Sie schlägt in dieselbe Kerbe: Die Darbietung ist eine satirische Journalismus-Performance, die einem Publikum unterschiedlichen Alters eine tiefere Auseinandersetzung mit einer komplexen Thematik schmackhaft macht – und das tiefergehend als der so präsente Schlagzeilenjournalismus oder das Insta-Reel.
Eine Ausdrucksform, die wir hoffentlich immer öfter auf Theaterbühnen sehen werden. Tatsächlich ist das Stück Teil von „Theater und Journalismus“, einer spezifischen Programmlinie des städtischen Theaterensembles Schauspiel Köln, die investigativen Journalismus in Form von Theaterperformances auf die Bühne bringt. Im September startete auch die Aufführung von „Geheimplan gegen Deutschland“ – eine Zusammenarbeit mit dem Investigativ-Rechercheteam Correctiv.
Während sich Benko gestern also im realen Gerichtssaal den Fragen der Justiz stellen musste – obwohl der Signa-Komplex noch nicht einmal richtig verstanden wird –, spielte sich auf der Bühne in Schlanders ein anderes, vielleicht ehrlicheres Gericht ab. Fuhr brachte gleichsam Wirtschaftskrimi und Aufklärungstheater auf die Bühne, mit Witz, Spannung, Tempo und Biss – unter anderem in den Hintern eines Signa-Anwalts, der sich im Auftrag eines Signa-Beiratmitglieds im Theatersaal befand, um das Stück auszuspähen. Kein Wunder, denn hier wurden Gesichter gezeigt, Wahrheiten ausgesprochen und weiße Roben befleckt.
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Die letzte Aufführung findet heute am 16. Oktober im Stadttheater in Meran statt – Beginn um 19.30 Uhr. Die Einführung beginnt um 19.00 Uhr.
Veranstalter und Organisator der Aufführung ist das Südtiroler Kulturinstitut. Informationen und Karten im Südtiroler Kulturinstitut unter www.kulturinstitut.org oder 0471 313800.
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