Gesellschaft | Aktion

Grödner Notfallplan

Über 5.000 Unterschriften hat Christoph Piazza gesammelt, um die Wiederaufnahme des Notarztdienstes in Gröden zu fordern: “Bisher gab es nur heiße Luft.”
Notarzt
Foto: Christoph Piazza

Mehr als 5.000 Unterschriften sind in Gröden in den vergangenen Wochen zusammen gekommen. Über 5.000 Mal “Ja, Sì, Sci zum Notarzt in Gröden”. Unter diesem Aufruf war die Unterschriftenaktion Mitte November gestartet. Denn es sind inzwischen knapp eineinhalb Jahre vergangen, in denen “es viel heiße Luft gegeben hat und gar nichts weitergegangen ist”, klagt Christoph Piazza. Er hat die Unterschriftensammlung ins Leben gerufen, aus einer festen Überzeugung: “Die ganze Geschichte geht allein auf Kosten der Bevölkerung”

Hausarzt darf nicht mehr Notarzt sein

Bis August 2015 war alles anders. In gravierenden Noftällen konnten Hausärzte, die eine entsprechende Ausbildung absolviert hatten und sich zur Verfügung stellten, von der Landesnotrufzentrale angefordert werden und den Notarztdienst übernehmen. “In Gröden haben wir, wie auch im Eggental und in einigen Gemeinden im oberen Vinschgau, das Glück, Hausärzte zu haben, die sich selbst weitergebildet und diesen Dienst als Dienst an der Bevölkerung verstanden und versehen haben”, meint Piazza, der selbst seit 22 Jahren bei der Berufsfeuerwehr Bozen tätig ist und eine Ausbildung zum Rettungssanitäter hat. 250 Euro wurden den Hausärzten pro Einsatz vergütet. Dann aber stellte die Landesregierung den Dienst landesweit ein. Seit August 2015 werden die Hausärzte in Notfällen von der Landesnotrufzentrale nicht mehr verständigt.

Offiziell ist ein altbekanntes Problem Schuld am Missstand beim Notarztdienst: Die Regelung, dass Hausärzte bei Notfällen ausrücken dürfen, war im Zusatzvertrag des Landes mit den Allgemeinmedizinern enthalten. Dieser Vertrag wurde bekanntlich aufgrund eines Urteils, das die Hausärztegewerkschaft Fimmg vor dem Kassationsgericht erwirkt hatte, gekündigt. Dadurch muss seit August 2015 auch in Südtirol der gesamtstaatliche Kollektivvertrag der Allgemeinmediziner angewandt werden. Dieser sieht die Tätigkeit des Notarztdienstes allerdings nur als Vollzeitbeschäftigung so genannter “territorialer Notfallärzte” vor.

Frage der Zeit

Infolge wird seither in Gröden bei Unfällen soweit möglich der Landesrettungshubschrauber angefordert. “Bei einem solchen Einsatz sprechen wir von Kosten von 4.000 Euro aufwärts”, gibt Piazza zu bedenken. Ist das Fliegen, wie etwa in den Nachtstunden, nicht möglich, muss der Notarztwagen aus Bozen oder Brixen anrücken. Obwohl es vor Ort ausgebildete (Haus-)Ärzte geben würde. Zwischen 30 und 40 Minuten dauert die Fahrt aus den beiden Städten bis nach Gröden. Zu lange, ist man im Tal überzeugt. “Je eher ein Notarzt den Patienten erreicht, umso besser ist die Versorgung und im Notfall die Überlebenschance”, steht für Piazza fest. “Die Hilfe eines Notarztes kann in vielen Fällen entscheidend sein, daher muss dieser in kürzester Zeit eingreifen können und nicht erst nach einer halben Stunde oder gar mehr.”

“Es wird ständig von den europäischen Standards geredet. Es ist europäischer Standard, dass zwischen dem Anruf in der Landesnotrufzentrale und der Einlieferung im Idealfall nicht mehr als 60 Minuten vergehen sollen.”

Selbst sind die Bürger

Zahlreiche Interventionen von Gewerkschaften, Gemeindevertretern und Ärzten bei den zuständigen Landesstellen, um den Missstand zu beheben, seien bisher erfolglos geblieben, berichtet Piazza. Und da die Verhandlungen für einen neuen Zusatzvertrag zwischen Hausärztegewerkschaften und Land sich in die Länge ziehen, gibt es bis heute keine Lösung – und keinen Notarztdienst in Gröden. “Die Gewerkschaften schlagen sich gegenseitig die Köpfe ein und bis man endlich auf einen grünen Zweig kommt, wird ein minderwertiger Dienst angeboten.” Just am heutigen Tag (16. Dezember) geben die vier Hausärztegewerkschaften bekannt, dass sie die wieder aufgenommenen Verhandlungen – für die das Gesundheitsressort im Land vor Kurzem noch “erste Erfolge” vermeldete – abbrechen werden. “Durch ständigen Wortbruch und Uneinsichtigkeit seitens der Delegation der öffentlichen Verwaltung werden bereits vereinbarte Ziele immer wieder in Frage gestellt”, so die Kritik.

Die politischen Scharmützel interessieren Christoph Piazza aber nicht, die Leidtragenden sieht er ohnehin in der Bevölkerung. “Bis ein neuer Vertrag zustande kommt, muss das Alte künstlich aufrecht erhalten werden – schließlich wird in Südtirol für alles eine Übergangslösung gefunden. Und das Neue hat mindestens gleichwertig zu sein”, steht für ihn fest.

Noch immer trudeln bei Piazza Unterschriften ein. Sind einmal alle gesammelt, wird er sie den drei Grödner Bürgermeistern überreichen. Diese sollen sie als Druckmittel in Bozen verwenden. “Die Aktion ist nicht politisch ausgerichtet”, betont Piazza mit Nachdruck, “aber die politischen Vertreter sollen etwas in der Hand haben, das vom ‘Fußvolk’ gefordert wird”.