Gesellschaft | Aus dem Blog von: Legacoop

Der Cousin vom Max

Ein lediges Kind aus dem Pustertal fährt von Hamburg aus zur See und schlägt sich später mit Gelegenheitsjobs durch. Verfällt irgendwann dem Alkohol und landet schließlich auf der Straße – die Geschichte des Erwin Purer aus Vintl.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.

Erwin Purer ist eigentlich ein zufriedener Mensch. Er hat alles was er braucht: Ein Dach über dem Kopf, gerade genug Privatsphäre und regelmäßig warme Mahlzeiten. Er hilft ein bisschen im Haus, bekommt ab und zu Besuch und er hat natürlich seine Harmonika für die Hausmusik. Erwin ist ein geachtetes Mitglied der kleinen Gemeinschaft im Brixner Haus der Solidarität. Und das, obwohl er ursprünglich nicht ganz freiwillig hier eingezogen ist. So wie viele Bewohner des Hauses fand er hier eine Zuflucht, als er alles verloren hatte und vor der Obdachlosigkeit stand. Dieser Moment war wohl der Tiefpunkt in einem an Schwierigkeiten nicht gerade armen Leben. Ein Leben, das Erwin Purer zwar des Öfteren gebeutelt hat, ihm aber nicht seinen Humor genommen hat und vor allem nicht seine Hilfsbereitschaft und seinen Glauben an das Gute im Menschen.

Deshalb hat er auch nicht groß überlegt, als eines späten Abends Ende November 2011 ein Mann vor seiner Tür stand und um Unterkunft bat. Es war der Ausbrecherkönig Max Leitner, der mal wieder auf der Flucht war und sich an seinen Cousin in Vintl erinnerte. Erwin zögerte keinen Moment. Ganz selbstverständlich machte er etwas zu essen und richtete in einer nichtgenutzten Kammer seiner Wobi-Wohnung ein Lager für Max, der für ihn wie ein kleiner Bruder war. Er war einige Jahre gemeinsam mit Max in der Familie Leitner aufgewachsen, zu der Zeit, als seine Mutter auswärts in Diensten war und den „ledigen Bua“ nicht mitnehmen konnte. „Auch wenn jemand fremdes vor meiner Tür gestanden hätte, hätte ich ihn sicher nicht weggeschickt“, sagt Erwin Purer mit einer Selbstverständlichkeit, die keinen Zweifel aufkommen lässt. Letztendlich dauerte der unerwartete Besuch des Cousins nicht nur ein, zwei Nächte sondern fast zwei Wochen und brachte schließlich nicht nur Max Leitner einen erneuten Gefängnisaufenthalt ein, sondern auch seinem Cousin Erwin eine Verurteilung zu einem Jahr Hausarrest. Schlussendlich verlor er deshalb auch seine Sozialwohnung.

Das Haus der Solidarität - das von einer Genossenschaft in Brixen geführt wird - ist seit dem sein neues Zuhause und dafür ist er dankbar. „Wo wären wir ohne Hilfsbereitschaft?“, fragt er und ist selbst die lebende Antwort. Er ist früher mal als Maschinist zur See gefahren, ist ein bisschen Klempner und Elektriker und hilft als guter Geist wo er kann. Und mittlerweile ist er auch eine Art Botschafter für das Haus der Solidarität, egal ob vor Brixner Schulklassen oder dem Rotaryklub, überall erzählt er von seinem wechselvollen Leben und erntet dafür oft sogar Applaus. Noch lieber spielt er aber Harmonika. Da setzt er seinen Lederhut auf und präsentiert mit leuchtenden Augen sein Repertoire von Volksmusik bis Schlager.

Das Instrument ist eine Leihgabe und Erwin Purer übt als ernsthafter Musiker regelmäßig darauf. Schade findet er nur, dass viele seiner Mitbewohner, mit denen er grundsätzlich gut und freundschaftlich auskommt, seine Musik nicht richtig schätzen können, weil sie die Sprache nicht verstehen. Aber das ist außer seiner Gesundheit, die ihm immer wieder verschiedene Probleme macht, im Moment fast seine einzige Sorge.