Politik | Das Manifest des Europäischen Jahrs der Bürgerbeteiligung 2013 für eine aktive EU-Bürgerschaft

„Es geht um uns, es geht um Europa“

Von einer EU-Begeisterung der Bürger merkt man immer weniger. In einer Eurobarometer-Umfrage vom Frühling 2012 sahen nur 31% der Befragten die EU positiv, während die negative Wahrnehmung der EU seit 2009 kontinuierlich zunimmt. 2012 waren Europäer, die sich der EU zugehörig fühlten, in der Minderheit (46%) – ein Minus von 7% gegenüber 2010. Der Vorwurf lautet, dass die politischen Entscheidungsträger der EU zu weit entfernt sind vom Leben der Menschen, ihren Werten, Interessen und Bedürfnissen. Das letzte EU-Eurobarometer bestätigt diesen Befund für Italien. Das Vertrauen in die EU-Kommission ist von 35% auf 32% gesunken, und statt 41% (2010) vertrauen nur mehr 36% dem Europäischen Parlament. Die Beteiligung an den EP-Wahlen hat kontinuierlich abgenommen (2009: 43%), nationalistische und euroskeptische Parteien sehen sich im Aufwind.
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Angesichts der durch die Wirtschaftskrise entstandenen Härten für viele Menschen ist dies nicht verwunderlich. In dieser Situation tat eine Mobilisierung der Zivilgesellschaft not. Dabei gibt es die EU-Bürgerschaft schon seit dem Maastricht-Vertrag von 1992. Doch blieb die politische Beteiligung auf die EP-Direktwahl beschränkt, an der recht bürgerfern betriebenen Verwaltung in Brüssel änderte sich nicht viel. Die EU-Verträge von Lissabon 2009 haben die EU-Bürgerschaft rechtlich gestärkt, und 2012 ist mit der EBI ein erstes direktdemokratisches Instrument eingeführt worden.

Dennoch hat die EU in verschiedenen Ländern mit wachsender Skepsis zu kämpfen. So sah sich die EU  herausgefordert, an der gesamteuropäischen Solidarität zu arbeiten und die EU als verbindendes politisches Projekt auf der Ebene der Zivilgesellschaft zu beleben, um sie nicht nur mit Binnenmarkt, Bankensanierung und Konzernmacht gleichgesetzt zu sehen. Die Bürgerallianz des EU-Jahrs der Bürgerbeteiligung (EYCA2013) hat diese Herausforderung aufgenommen und ein eindrucksvolles Manifest vorgelegt, das tausende zivilgesellschaftliche Organisationen mittragen. Die Bürgerallianz will gemeinsam gegen dieses Gefühl der Machtlosigkeit, des Misstrauens und der EU-Skepsis vorgehen und das Vertrauen der Menschen durch aktive, informierte und inklusive Teilhabe in allen Lebensbereichen stärken.

Mehr als 100 Vertreterinnen von 80 einzelstaatlichen und europaweiten NROs aus 27 Ländern haben dieses Manifest zum EU-Jahr der Bürgerbeteiligung 2013 in Hunderten von Treffen erarbeitet. Es versteht sich als beherzter Aufruf zu einem europäischen bürgerschaftlichen Engagement. Es setzt auf politische Teilhabe, also an der Beteiligung an Entscheidungsprozessen und die politisch-sozialen Voraussetzungen dafür für alle Menschen in der EU, gegliedert in zwei Schritte: zum einen eine offene und inklusive Demokratie in jedem Mitgliedsland; zum anderen eine europäische Demokratie mit drei Pfeilern:

1. gebildete und informierte Bürger

2. offene und bürgerfreundliche Institutionen

3. starke und anerkannte Organisationen der Zivilgesellschaft

Das Ziel ist ein so wichtiges wie ehrgeiziges: Bürgerbeteiligung soll in allen Politikfeldern der EU zum Gestaltungsprinzip werden. Die EU soll weg von einem bloß wirtschaftsdominierten Zweckverband zu einem von Bürgern getragenen gemeinsamen politischen Projekt. Dabei meint EU-Bürgerschaft im Sinne der EYCA2013 nicht nur die individualrechtliche Position der einzelnen EU-Bürger, sondern ein gemeinsames Engagement aller für die demokratischen Werte in der EU.

Diese Allianz spiegelt eine beeindruckende kulturelle und soziale Vielfalt: 62 Dachverbände mit mehr als 4.000 Einzelorganisationen aus 50 europäischen Ländern von der Jugendarbeit, Kultur, Gesundheit und Soziales und Umweltschutz, untergliedert wiederum in 19 nationale Allianzen und 3 Nationale Allianzinitiativen. Die ganze Debatte hat sich dann auf www.ey2013-alliance.eu (www.europa.eu/citizens-2013) weiter entfaltet, von wo auch das Manifest heruntergeladen werden kann.

Thomas Benedikter