Politik | Iran/Halabja

Die offenen Wunden von Halabja

Zwischen dem 16. und dem 18. März 1988 wurde die Stadt Halabja mit Giftgasen bombardiert. Nach 27 Jahren sind die Wunden noch immer nicht verheilt.
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Zwischen dem 16. und dem 18. März 1988, als der Krieg zwischen Iraq und Iran noch im Gang war, wurde die nordirakische Stadt Halabja und die Region rund um die Stadt mehrmals von der irakischen Luftwaffe mit Giftgasen bombardiert. Die 80.000 Einwohner der nahe der Grenze zum Iran gelegenen Stadt hatten keine Möglichkeit, sich vor den Giftgasen (Senfgas, Nervengas, Sarin, Tabun und höchstwahrscheinlich auch Zyankali) zu schützen. Das Gift ist durch die Kleider gedrungen und hat sich auf Haut, Augen und Lungen der Einwohner abgesetzt. Innerhalb weniger Stunden sind mindestens 5.000 Menschen gestorben. Viele haben in den Kellern Schutz gesucht, die jedoch zu tödlichen Fallen geworden sind als die Giftwolke zu Boden gelangt ist. Weitere 7.000 Personen sind in der Folgezeit an ihren Verletzungen gestorben oder haben permanente Schäden wie Lähmungen, Hautkrankheiten, Krebs, spontane Abtreibungen oder Lungenschäden davongetragen. Der Angriff von 1988 auf die Stadt Halabja ist das schlimmste Massaker, das nach dem zweiten Weltkrieg mit Giftgasen verübt wurde.

Der Angriff auf Halabja war Teil der so genannten Anfal-Offensive, das das Baath-Regime von Saddam Hussein gegen die kurdische Bevölkerung im Norden Iraks und gegen andere Bevölkerungsgruppen wie Assyro-Chaldäer, Turkmenen und Yeziden führte. Bereits im April 1987 informierte die Gesellschaft für bedrohte Völker, über die Giftgasangriffe auf die kurdischen Bergregionen. Insgesamt wurden 87 kurdische Dörfer im Norden des Landes angegriffen. Viele der Menschen, die die Giftgasangriffe überlebten, wurden entweder sofort danach erschossen oder in das Landesinnere deportiert. Tausende von Menschen aus den Provinzen Arbil, Suleimaniya, Dohuk, Kirkuk, Diala und Mosul wurden in die Wüste im südlichen Iraq oder in eigens erbaute Konzentrationslager deportiert. Die Massaker in den Döfern haben ganze Regionen entvölkert. Insgesamt sind der Anfal-Offensive 180.000 Menschen im irakischen Kurdistan zum Opfer gefallen.

In Bozen haben wir Mahmud Habib, einer der Überlebenden der Giftgasangriffe, getroffen. Er hat uns von den wenigen dramatischen Sekunden von der ersten Giftbombe bis zur Flucht erzählt. Sein Vater hat es geschafft, die ganze Familie mit Ausnahme der Mutter auf einen Lastwagen zu laden. Die Mutter hat sich zwar vergewissert, dass alle Kinder auf dem Lastwagen waren, hat sich selbst aber geweigert, zu gehen und ist dann zusammen mit den anderen 5.000 Opfern gestorben. Mahmuds Flucht im Lastwagen war von kurzer Dauer, dann musste er zu Fuß weiter. In einer Videoaufnahme des iranischen Fernsehens (https://www.youtube.com/watch?v=gShzAanViZA) sieht man den damals vierjährigen Mahmud auf der Flucht. Er ist das Kind, das hinfällt und dann wieder aufsteht (4. Minute). Im Hintergrund sieht man die Auswirkungen der Giftgasangriffe auf Halabja.