„Trendwende nicht verschlafen“

-
Während im vergangenen Herbst von der Öffentlichkeit beinahe unbemerkt der Fachplan zur Anpassung der Richtlinien für die Natura 2000-Gebiete auf den Weg gebracht wurde, geht es in den aktuellen Diskussionen umso hitziger zur Sache: Gemeinden und Bauern auf der einen Seite, Amt für Natur und Umweltorganisationen auf der anderen. Stein des Anstoßes ist eine Neuregelung der Gülle-Ausbringung in den Natura 2000-Gebieten, die mit diesem Fachplan neu geregelt werden soll. In einem Interview mit SALTO übte der Dachverband für Natur und Umwelt harsche Kritik am „Bashing“ der Umweltanliegen, im Interview mit SALTO gewährte Peter Gasser, stellvertretender Vorsitzender des Dachverbandes für Natur- und Umwelt, Einblicke in die Situation der Berglandwirtschaft und erklärte, dass seiner Ansicht nach Natura 2000, Wolf und Bär nichts damit zu tun hat, ob ein Bauer aufgibt oder nicht.
-
AVS-Präsident Georg Simeoni: „Wir vertrauen auf die Bauern in ihrer Eigenschaft als Grundeigentümer und Bewirtschafter vieler (Alm-)Wiesen, dass sie die Natura 2000-Grundsätze in ihrem und im Interesse aller mittragen und umsetzen.“ Foto: Seehauserfoto
Nun legt der AVS ein Scheit nach und drängt darauf, den Grundsatz des Verschlechterungsverbots in Natura 2000-Gebieten umzusetzen. Der Appell geht dabei in erster Linie an die Politik: In Südtirol seien die EU- und staatlichen Vorgaben nach und nach verwässert worden. „Südtirol hat einen der höchsten Viehbesätze pro Hektar in Europa“, heißt es beim AVS mit Verweis auf Zahlen von Eurostat. Hierzulande seien das Nitratregister – also eine Stickstoffbilanz – und Düngepläne nicht umgesetzt, obwohl es gesetzlich vorgesehen sei. Kraftfutter wird außerhalb des Landes produziert, die Abfallstoffe landen aber auf Südtirols Boden. „Es gibt keine Vorgaben zum Nitratmanagement, es gibt keine Kontrollen. Daher wird vielerorts Gülle nach Bedarf ausgebracht, nämlich dann, sobald die Grube zu entleeren ist“, kritisiert der Alpenverein. Die Ausbringung von Gülle hat auf Bergwiesen unmittelbare Folgen: Bereits zwei Ausbringungen verantworten das Absterben vieler Pflanzenarten und zieht die Abwanderung unzähliger Insektenarten nach sich.
„Es gibt keine Vorgaben zum Nitratmanagement, es gibt keine Kontrollen. Daher wird vielerorts Gülle nach Bedarf ausgebracht, nämlich dann, sobald die Grube zu entleeren ist.“
Das Referat Natur und Umwelt des Alpenvereins fordert, dass dieses Nitratregister umgesetzt wird und zwar aufgrund neuester wissenschaftlicher Kennzahlen. „Kein Bauer in Südtirol muss den Stall schließen, nur weil er keine oder weniger Gülle ausbringen darf. Die Wahrheit ist, dass keine Familie ausschließlich von den Erträgen eines Viehbauernhofs leben kann“. Nebenerwerb sei ein wichtiges Standbein der meisten (Vieh-)Bauern. Es gibt Berechnungen, laut denen ein Leben am Viehbauernhof ab 200.000 Litern Milch, also 30 Stück Vieh bzw. 15 Hektar Grund, wirtschaftlich ist. In Südtirol liegt die durchschnittliche Milchleistung pro Stall bei 88.000 Litern. Notwendig ist es aus der Sicht des AVS auch, im Bereich der Förderungen verstärkt auf Direktzahlungen zu setzen. Und die Bauern selbst könnten beispielsweise ihre Gülle dehydrieren. „In China ist das seit Jahren Standard – es gibt Geräte, die auch für Einzelne leistbar sind. Wird die Gülle dehydriert, kann sie im Obstbau als Dünger eingesetzt werden“, so der AVS. Wichtig sei es aber, gemeinsam an die Zukunft zu denken und die notwendige Trendwende nicht zu verschlafen. Es brauche konstruktive Lösungen auf wissenschaftlicher Basis, die für alle tragbar seien – im Interesse aller und der künftigen Generationen.
Weitere Artikel zum Thema
Environment | Natura 2000„Die Rechnung geht nicht auf“
Environment | Natura-2000„Hier stehen Existenzen auf dem Spiel“
Environment | Natura-2000Kommt das Gülle-Verbot?
Mit einer Politik "ohne…
Mit einer Politik "ohne Förderung von Wirtschafts-Bauten + monströser Technik, sowie der Versenkung von vielen Landesmitteln in der Laimburg, hätte Südtirol ausreichend Geld die wirklichen Bergbauern, um -s i e- für das Wirtschaften mit der Natur zu unterstützen!"